Jeder Zweite Kunde in Deutschland erledigt inzwischen seine Geldgeschäfte online. Nur in Dänemark, Finnland oder den Niederlanden liegt die Nutzung bei über 80%. Glaubt man einer Studie von Bitkom Research aus dem August diesen Jahres, bekommen Nutzer beim Online-Banking sogar Glücksgefühle. 73% der Befragten macht ihr Online-Banking Spaß.
Was die Studie allerdings nicht aufzeigt, sind die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer. Qualitative Nutzer-Interviews haben aber gezeigt, dass die Bedürfnisse der Nutzer bis heute nur unzurreichend bedient werden. Der Unterschied zwischen der Marktforschung und qualitativen Interviews könnte größer nicht sein. Während die Marktforschung den Status Quo abfragt, geht es bei qualitativen Nutzerinterviews darum, zu verstehen welche Bedürfnisse und Probleme Nutzer wirklich haben.
Das Beispiel vom ersten iPhone macht es deutlich: Damals waren die Nutzer mit den Mobiltelefonen der damaligen Zeit von Nokia und Co. auch hochgradig zufrieden, bis dann im Jahr 2007 das iPhone vorgestellt wurde. Der Rest ist Geschichte.
Zusammen mit Marcus Hauer, erfahrener Product Designer und ehemaliger IDEO Mitarbeiter, habe ich in den letzten Jahren immer wieder Gespräche mit Nutzern unterschiedlichster Demografie geführt. Die Ergebnisse zeigen vor allem eines: Den Nutzern geht es nicht um viele Funktionen, sondern vor allem um Übersicht der eigenen finanziellen Situation.
Marcus, worauf glaubst Du kommt es vor allem beim Online-Banking an?
“Ich glaube derzeit geht es viel zu sehr um Listen und eben diese klassische Buchhalter-Mentalität. Ein-/Ausgaben überwachen etc. Das sollte man aber von halbwegs intelligenter Software erwarten können. Damit könnte man sich viel mehr auf die wichtigen Fragen fokussieren. Hab ich noch Geld, warum ist so viel weg und wieviel sollte ich noch ausgeben?”
Von welcher Branche oder Produkt könnte man beim Banking lernen?
“Gute Frage. Banker berufen sich ja immer darauf wie reguliert ihre Branche ist, dass es keine Innovationen gibt. Das ist natürlich bequem. Ich glaube die Autoindustrie ist ähnlich, weil sich da auch sehr viel auf diesen Regularien und dem “Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht” ausgeruht wird. Was hier derzeit passiert, ist ja vielleicht auch ein guter Weckruf. Aber Tesla macht ja schon vieles anders und denkt Auto neu, insofern vielleicht mal da schauen. Zumindest für Organisation, Prozesse und Methoden.”
Marcus, Was ist aus Deiner Sicht das oder ein besonders wichtiges Bedürfnis der Nutzer beim Banking?
“Banking ist ja ein schwieriges Wort, weil es für mich zumindest danach klingt, dass man etwas wichtiges mit seiner Bank macht. Geschäfte und sowas. Aber eigentlich wollen die Leute nicht Banken. Die wollen ruhig schlafen und natürlich wissen, dass sie morgen noch den Flat White und das neue iPhone kaufen können. Also weniger ist mehr. Und an die Hand nehmen hilft immer. Eine Reise durch meine Finanzen, die jede Woche nur 5 Minuten dauert.”
Auf Grundlage der Ergebnisse aus den unterschiedlichen Nutzer-Interviews und den gesammelten Erfahrungen kann man die folgenden Aussagen ableiten:
Das optimale Online-Banking gibt eine Aussage über die monatlichen Fixkosten
Die fehlende Übersicht über die eigenen Finanzströme und die Angst vor Kontrollverlust ist auch ein Eregbnis aus dem qualitativen User Research. Im Rahmen einer Veranstaltung wurden Konsumenten aus unterschiedlichen Lebensbereichen interviewt und im Ergebnis konnte niemand so genau sagen, wie hoch z.B. die monatlichen Fixkosten sind. Für Banken wäre es ein leichtes eine Antwort auf diese Frage zu geben, schließlich sind alle Daten, die dazu nötig sind vorhanden. Die Umsätze der letzten 180 Tage reichen aus um eine realistische Annäherung an die tatsächlichen monatlichen Ausgaben zu geben. Die Formel dazu ist einfachste Mathematik, denn regelmäßige Ausgaben erkennt man am gleichen Betreff, Empfänger und Betrag. Natürlich müssen Ausnahmen definiert werden, schließlich sind die monatlichen Barabhebung am Geldautomat keine Fixkosten, aber alleine eine Genauigkeit von 80% reicht aus um zu sehen wie der Konsument finanziell gerade dasteht..
Ein aus Nutzersicht optimales Online-Banking gibt also Auskunft auf die finanzielle Gesundheit. Ein Faktor ist das einfache Verständnis darüber, wieviel jeden Monat fix vom Konto geht.
Das optimale Online-Banking bietet eine Alternative zur SEPA-Überweisung
Die IBAN hat in Deutschland immer 22 Stellen. Das sind sieben Stellen mehr, als die maximale Länge von Telefonnummern im internationalen Verkehr. Telefonnummern dürfen nämlich nur 15 Ziffern, einschließlich des Ländercode enthalten. Im täglichen Gebrauch, haben Telefonnummern inkl. Vorwahl also maximal 13 Ziffern. Da noch immer mehr telefoniert als Geld überwiesen wird, wundert es also nicht, dass sich die wenigsten Konsumenten die eigene IBAN merken können, geschweige denn, die IBAN eines Empfängers. Die IBAN von einer Rechnung abzulesen ist eine Herausforderung. Zwar soll die IBAN grundsätzlich in 4er-Blöcken getrennt geschrieben werden, aber daran halten tut sich noch lange nicht jeder. Es ist also ungleich leichter, jemanden mit PayPal zu bezahlen als eine Überweisung auszuführen. Schaut man sich die Online-Banking Landschaft einmal an, gibt es noch immer Banken die nicht einmal eine automatische Vervollständigung im Überweisungsformular anbieten für Empfänger denen man bereits einmal Geld überwiesen hat.
Ein aus Nutzersicht optimales Online-Banking verzichtet weitestgehend auf die Eingabe der IBAN. Dazu bedient sich das Online-Banking einer globalen Datenbank mit IBAN-Nummern. Unternehmen im E-Commerce wie Zalando, Otto und Co. haben immer die gleiche Bankverbindung. Der Konsument wählt den Empfänger aus, z.B. Zalando und muss nur noch den Betrag und Verwendungszweck eingeben.
Das optimale Online-Banking informiert proaktiv statt reaktiv
In den 90iger Jahren mussten Konsumenten ihre E-Mails noch aktiv vom Server holen. Über das sogenannte Pop3 Protokoll wurden die E-Mails mit einem entsprechenden E-Mail Client manuell abgerufen. Eine neue E-Mail wurde so lange nicht beim Nutzer zugestellt, so lange sie nicht abgerufen wurde. Heute erfolgt die Kommunikation, sei es über E-Mail, Messaging Dienste wie WhatsApp oder Facebook Messenger, automatisch und in Echtzeit. Neue Nachrichten werden sofort zugestellt und der Nutzer über den Eingang benachrichtigt. Nicht so im Online-Banking, dort gibt es beim dem Gros der Banken keine Funktion, die über ein- und ausgehende Buchungen informiert.
Ein aus Nutzersicht optimales Online-Banking informiert proaktiv und automatisch über ein- und ausgehende Buchungen – in Echtzeit.
Das optimale Online-Banking: Aus dem Kontoauszug wird ein Finanzreport
Der Kontoauszug oder die Umsatzliste hat sich seit dem es Online-Banking gibt nicht geändert und der Nutzer muss diesen noch immer zu lesen wissen. Als Nutzer muss man von alleine darauf kommen, dass es sich bei GA123456 um eine Barabhebung am Geldautomaten handelt. Wo sich dieser befindet, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls in der Regel nicht auf dem Kontoauszug. Überhaupt liegt der Informationsgehalt einer Umsatzliste irgendwo zwischen Null und Facharbeit der Atomphysik.
Ein aus Nutzersicht optimales Online-Banking übersetzt den Kontoauszug oder die Umsatzliste in einen lesbaren Finanzreport und gibt Auskunft darüber wohin das Geld im Monat gegangen ist und gibt auch Aufschluss darüber wohin Geldflüsse gehen und woher sie kommen.
Das optimale Online-Banking ist nicht nur “mobile” sondern bietet eine Seamless User Experience
Aus “mobile first” wurde in den letzten Jahren “mobile only”. Was im Social Media und bei Apps wie Snapchat gut funktioniert und Sinn macht, ist im Online-Banking nicht wünschenswert. Es geht viel mehr darum, dass Anwender Banking dort erledigen möchten wo sie gerade sind. Das passiert oft am Smartphone, aber eben auch am Laptop oder Tablet. Auch das Thema Voice kann dann eine Rolle spielen. Wenn der Nutzer mit Sprachassistenten wie Alexa bei Amazon bestellen kann – warum dann nicht auch eine Überweisung ausführen?
Das optimale Online-Banking hat alle Konten im Zugriff
Nutzer haben nicht mehr nur einen Geldstrom, den es zu überwachen gilt. Neben einem Hauptkonto gesellen sich oft weitere Konten dazu – dazu zählt auch der PayPal Account. Das sogenannte Multibanking, wie es von einigen Banken inzwischen angeboten wird, gehört aus Sicht der Nutzer zu den Basics.
Das optimale Online-Banking spricht kein “Bankish”
Online-Banking ist vor allem eines: Unpersönlich. Das fängt mit der Ansprache an und hört mit unverständlicher Fachterminologie auf. Ein aus Nutzersicht optimales Online-Banking kommt nicht nur mit einer simplifizierten Bedienung, sondern auch mit einer persönlichen und vertrauensvollen Ansprache sowie dem Verzicht von Fachbegriffen aus.
Das optimale Online-Banking bietet eine Übersicht über die finanzielle Situation
Mehr als die Hälfte der Deutschen hat zwei oder mehr Konten in der Nutzung. Jede finanzielle Transaktion macht sich irgendwann am Konto bemerkbar. Das Konto ist also der Dreh- und Angelpunkt aller Finanzströme. Ohne Konto, kein Bargeld, keine Überweisungen und keine Möglichkeit regulär Einnahmen entgegenzunehmen. Heute haben Konsumenten unterschiedliche Möglichkeiten Geld von A nach B zu transferieren oder zu bezahlen. Alleine 80 Überweisungen hat der Deutsche über das Jahr verteilt. Dazu kommen Barzahlungen und Geldströme z.B. über PayPal. Eine Übersicht über die finanzielle Situation wird dadurch schwierig.
Da die meisten Möglichkeiten sein Geld loszuwerden nicht in Echtzeit passieren, führt das automatisch zu einer verfälschten Sicht auf die finanzielle Situation – schließlich weiß der Konsument nie was noch in den nächsten 24 Stunden gebucht wird.
Ein aus Nutzersicht optimales Online-Banking bucht in Echtzeit und bildet ein Spiegelbild der Realität ab.
Fazit
Beim Online-Banking geht es nicht darum möglichst viele Funktionen zu bieten, sondern Antworten auf die wichtigsten Fragen zu geben: Wo geht mein Geld hin? Warum hab ich so viele Ausgaben und hab ich bis zum nächsten Geldeingang noch genug zur Verfügung? Online-Banking ist noch weit davon entfernt so komfortabel wie das Schreiben einer E-Mail zu sein. Das ist es aber was Konsumenten jeden Tag erfahren: Einfache Lösungen für komplexe Probleme.
Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail mit starkem Fokus auf „mobile“. Seit vielen Jahren berät Maik Unternehmen zu kundenzentrierten Innovationsmethoden und der Fokussierung auf den Nutzer. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche portraitiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Imker.Maik ist Co-Founder von Payment & Banking und ist im Team mitverantwortlich für Marketing, Strategie und Events, insbesondere der Transactions.io [mehr]