Als Team von Payment and Banking versuchen wir, einen kontinuierlichen Überblick über die Branche zu behalten und berichten über kleine wie große Fintechs und Insurtechs, über etablierten Banken ebenso wie über Neo-Banken, über digitale Strategien, über große Investitionen nationaler und internationaler Geldgeber, schreiben über Exits und liefern Analysen zu aktuellen Themen.

Manche Unternehmen erscheinen dabei häufiger in der Berichterstattung als andere. Das wollen wir ändern und starten mit „was macht eigentlich …“ eine neue Rubrik, in der wir den vielen tollen Unternehmen der Branche Aufmerksamkeit schenken werden, die einen hervorragenden Job machen, im täglichen Business aber manchmal ein wenig unter dem Radar bleiben. Wir wollen wissen, was die Gründer gerade umtreibt, was Stand der Stunde ist, welche Pläne aktuell verfolgt werden und womit uns das Unternehmen sogar bald überraschen wird.

In der aktuellen Ausgabe sprechen wir mit Peter Kral, dem Gründer von Wikando über digitales Funding, warum sich das SocialTech-Unternehmen auch als Teil der Fintech-Szene versteht, wie sich das Spendenverhalten während der Covid-19 Pandemie verändert hat, welche neuen Möglichkeiten des Spendensammelns sich für Non-Profit Organisationen durch digitale Payment-Lösungen ergeben und welchen Teil Wikando dabei übernimmt.

Hallo Peter, stimmt es eigentlich, dass ihr die Idee zu Wikando auf einer Rucksackreise hattet?

Mirjam und ich (die beiden Gründer, Anm. d. R.) haben beide Bioinformatik studiert und wollten, ehe wir ins Berufsleben und die Promotion starten, noch eine Auszeit nehmen. Daher sind wir mit dem Rucksack ein halbes Jahr durch die Weltgeschichte gereist.

Es war uns immer klar, dass wir einen Social Impact in unseren Karrieren haben wollten. Aber nachdem wir so viele Eindrücke auf unserer Reise gesammelt hatten und unter anderem Non-Profit Organisationen besucht hatten, saßen wir eines Tages auf den Fidschi-Inseln und uns wurde bewusst, dass wir nicht mehr in diesen akademischen Elfenbeinturm zurückkehren wollten.

„Die Digitalisierungsbüchse der Pandora wird sie auch nicht mehr schließen.“

Zunächst war Wikando als Spenden-Logistik-Plattform gedacht, aber nachdem sich die Ursprungsidee trotz dem Gewinn einiger Gründerwettbewerbe nicht richtig monetarisieren ließ, haben wir den Pivot vollzogen und positionieren uns nun als B2B-Dienstleister für Non-Profit-Organisationen und digitalisieren mit der FundraisingBox den kompletten Spendenbereich.

Wer sind eure Kunden und welches Problem löst ihr für sie?

Unsere Kunden sind breit gefächert. Wir haben sehr große Organisationen als Kunden, darunter z. B. Aktion Deutschland Hilft, Care und die Uno Flüchtlingshilfe. Neben den großen NPOs haben wir auch viele kleine und mittlere Organisationen, wie u.a. Zoos, Museen, Kirchen, Parteien, Natur- und Tierschutzorganisationen. Viele von unseren Kunden kennt man aus den Medien, z.B. Sea Shepherd und Sea-Watch. Wir decken vier Bereiche ab. Wir helfen den Organisationen unter anderem im digitalen Fundraising, das mittlerweile kanalübergreifend stattfindet. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, digitale Touchpoints für Spender abzubilden und es kommen permanent neue hinzu: Voice Donation wird beispielsweise durch die Sprachassistenten zunehmend ein Thema. Für die Organisationen ergeben sich völlig neue Möglichkeiten im Fundraising!

Wir sind zudem mit unserer Payment Cloud komplett verantwortlich für die NPO-Zahlungsströme und alle damit verbundenen Prozesse wie z.B. der Reconcilation oder dem Subscription Management mit z.B. Amazon Pay, PayPal, Kreditkarten oder der SEPA-Lastschrift. Non-Profits benötigen sehr schlanke Zahlungsstrukturen, weil sie aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl viel automatisieren müssen.

Gleichzeitig haben wir ein CRM-System entwickelt, mit dessen Hilfe Non-Profits mit ihrem Team und ihren Unterstützern kommunizieren und sich austauschen können. Und – last but not least – können wir mit unseren Integrations-Produkten bestehenden Infrastrukturen (z.B. bestehende CRMs und ERPs)  fit für eine vernetzte Spendenwelt machen. Wir haben mit diesen vier Bereichen eine Ecosphäre von Schnittstellen und  Drittanbieter-Integrationen geschaffen und viele tolle Partner für uns gewinnen können.

Was treibt euch aktuell gerade um?

Corona bedeutete eine Zwangsdigitalisierung des gesamten Marktes, da bestimmte Spenden- Maßnahmen nicht mehr möglich waren. Door2door-Fundraising oder Spendenaufrufe mit der Post waren aus vielerlei Gründen plötzlich nicht mehr möglich. So sind viele Lücken im Spendenbereich entstanden!

„Die Digitalisierungsbüchse der Pandora wird sie auch nicht mehr schließen.“

In den ersten Wochen waren wir damit beschäftigt, den Organisationen zunächst zu zeigen, wie das Arbeiten remote funktionieren kann. Wir haben dazu Webinare abgehalten und eine Blog-Serie gestartet. Da wir seit acht Jahren keine Office-Struktur hatten, konnten wir den Wissenstransfer gut abdecken. Wir sehen uns als Vorreiter in Sachen New Work.

Darüber hinaus haben wir durch die Corona-Zeit zahlreiche neue Leads generiert und die Zusammenarbeit mit bestehenden Partnern vertieft.

Wie kam es damals zu der Entscheidung, alles remote zu machen?

Wir sind da ein bisschen reingerutscht. Ursprünglich waren wir zwei Firmen, die zusammen gegangen sind und wir hatten uns als Standort Frankfurt ausgesucht. Doch sesshaft wollten wir dort alle nicht werden. So haben wir 2011 entschieden, zunächst probehalber, dann dauerhaft remote miteinander zu arbeiten. Wir sind dann konsequent und komplett auf digital gewechselt. Selbst Papier haben wir keines mehr und Post wird bei uns im Scan-Zentrum digitalisiert und landet direkt im CRM.

Wir haben an vielen verschiedenen Formaten gearbeitet, damit das klappt. Zusätzlich trifft sich das Team zwei Mal im Jahr. Dann liegt der Fokus komplett auf Social Time, um uns alle noch besser kennenzulernen, aber auch eine gemeinsame physische Biographie aufzubauen. Wir sind dann viel in der Natur oder spielen und knobeln viel.

Die größte Herausforderung ist das digitale Zelebrieren, z.B. wenn wir als Team einen wichtigen Meilenstein erreicht haben. Aber auch digitaler Humor muss erlernt werden.

Wird sich das Spendenverhalten durch die Corona-Zeit verändert haben?

Ja, aber auch unabhängig von der Pandemie beobachten wir dank neuer seamless Payment-Möglichkeiten wie NFC, Apple- oder Google Pay etc. ein völlig neues Spendenverhalten bei den Leuten. Deshalb gilt auch für Non-Profit-Organisationen: Die Digitalisierungsbüchse der Pandora ist geöffnet. Man wird sie auch nicht mehr schließen können. Hier setzen wir an.

Je nach Branche und der Liquidität der Zielgruppe beobachten wir momentan ein deutlich erhöhtes Spendenaufkommen. Die Solidarität war anfänglich sehr hoch, doch wir erwarten einen Rückgang, wenn sich der Arbeitsmarkt durch Kurzarbeit und Firmenschließungen verkompliziert. Insgesamt wird man sehen, ob Non-Profits trotz des Rettungsschirmes ins Straucheln kommen. Noch gibt es nur eine Handvoll Anfragen nach Stundungen von Rechnungen und Kündigungen, aber wir beobachten sehr genau, wie sich die kommenden Monate für die Organisationen entwickeln.

„Die Solidarität war anfänglich sehr hoch, doch wir erwarten einen Rückgang, wenn sich der Arbeitsmarkt durch Kurzarbeit und Firmenschließungen verkompliziert.“

Im Zusammenhang mit Wikando fällt ganz oft das Stichwort „ SocialTech“. Wo ordnet ihr euch selbst ein? Fühlt ihr euch als Teil der Fintech-Szene? 

Als klassisches Fintech ordnen wir uns nicht ein, aber wir bieten Software-as-a-service und ein transaktionales Modell, so dass es natürlich sehr viele Parallelen gibt. Wir nennen uns bewusst SocialTech, weil wir die Wertschöpfungskette einer Non-Profit professionalisieren. Das ist mehr als nur Payment, daher sind wir kein reiner PSP und auch kein reiner Datenhub, sondern ein Mix vieler Komponenten.

Viele unserer Kunden kommen zunächst über das Thema digitales Fundraising und begreifen erst nach und nach die gesamte Payment-Komplexität. Hier setzen wir an und nehmen ihnen die ganzen nervigen manuellen Prozesse ab, damit sie sich auf ihre tolle, kreative, empathische Arbeit und auf ihre Projektarbeit – schlichtweg auf ihre Mission – konzentrieren können. Technologie ist da Mittel zum Zweck.

Ist FundraisingBox eine Komponente von Wikando oder warum heißt ihr eigentlich Wikando und macht die FundraisingBox?

Unsere Spenden-Plattform hatten wir ursprünglich Wikando, abgeleitet aus „we can do“, getauft. Wir sind dann mit Helpedia, einem anderen Unternehmen in der NPO-Branche, zusammen gegangen und haben gemeinsam die FundraisingBox gelauncht. Tatsächlich ist die FundraisingBox nach außen hin bekannter als Wikando. Wir selber bezeichnen uns aber als „Wikandos“ und haben noch einige andere Services und Produkte neben der FundraisingBox in Planung.

Wie groß ist das Team bei Wikando mittlerweile?

Momentan sind wir 19 Leute, aber wir wollen jetzt um zehn weitere Mitarbeiter wachsen. In vielen Bereichen steht der nächste Schritt zur Professionalisierung an. Wir werden unsere Roadmap noch zügiger vorantreiben und müssen dabei akut den Spagat zwischen Kundenbedürfnissen und strategischen Entwicklungen meistern.

Anfänglich habt ihr diverse Business-Wettbewerbe gewonnen. Habt ihr mittlerweile ein Funding in Wikando?

Zur Gründungszeit haben zwei tolle Business Angel mit einem kleinen Funding bei uns investiert. Seitdem sind wir komplett aus eigenen Mitteln sukzessive gewachsen. Weiteres Kapital nehmen wir erst dann auf, wenn wir uns internationalisieren. Derzeit sind wir nur im Raum DACH tätig, weitere Anfragen aus dem Ausland blocken wir noch, bis wir in der Lage sind, alle wesentlichen Herausforderungen des deutschsprachigen Marktes zu lösen.

„Die Digitalisierungsbüchse der Pandora wird sie auch nicht mehr schließen.“

Andernfalls würden wir uns nur verzetteln. Für dieses Jahr haben wir noch diverse wichtige strategische Features auf der Roadmap. Es wird noch spannend.

Womit verdient ihr letztendlich euer Geld?

Wir verdienen wie ein Payment Service Provider an den Transaktionskosten. Da aber viele Organisationen derzeit erst in die Digitalisierung starten, haben wir außerdem monatliche SaaS-Gebühren.

Ihr seid bereits 2011 live gegangen, warum hört man von euch dennoch so wenig in der Startup-Szene? Ist das eine bewusste Entscheidung von euch?

Es war einfach kein Fokus von uns. Wir sehen uns nur am Rande als Teil der deutschen Gründerszene.  Mit unserer Zielgruppe sind wir in einem ganz eigenen Kosmos mit noch einmal ganz anderen Problemen.

Im Zuge sozialer Innovationen werden wir sicher nun auch in der Finanz-Szene präsenter, denn die Forderung nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten und grünen Investments wird größer. Das ist längst kein Großstadtthema mehr. Es findet aktuell ein Generationenwechsel statt. Die großen Konzerne können es sich langfristig nicht mehr leisten, Nachhaltigkeit nicht aktiv zu leben.

Wo seht ihr euch denn in fünf Jahren?

Aktuell haben wir um die 1500 Kunden und sind in DACH tätig.  In fünf Jahren begleiten wir tausende von Non-Profits weltweit bei ihrer Mission und erschaffen gemeinsam mit ihnen komplett neue Spender-Erlebnisse.  2025 wird es technologischer noch leichter fallen in den verschiedensten Kanälen per Voice, Chat, Touch oder One-Click zu spenden und Beziehungen mit Unterstützern zu pflegen.  Vor Allem sind wir davon überzeugt, dass sich Offline-Spenden nicht nur ins Digitale verschieben, sondern das wirklich mehr gespendet wird und komplett neue und jüngere Zielgruppen sich für die Themen der Non-Profits interessieren und diese auch unterstützen. 

Wie groß ist eure Konkurrenzsituation?

Der Bereich des „digitalen Fundraisings“ ist in Europa noch immer am Entstehen. Hier gibt es noch keinen etablierten Markt, während es in den USA bereits an die hundert relevante Dienstleister gibt. Dies liegt daran, dass in den USA eine ganz andere Spendenkultur existiert und die Digitalisierung weiter vorangeschritten ist. In Europa gibt es bislang nur überschaubar viele Player. Wir kennen und schätzen uns. Letztendlich wollen wir ja alle Organisationen unterstützen, um lokalen und globalen Herausforderungen wie Armut, Umweltfragen, Migration, Menschen- und Tierrechten zu begegnen.

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