Obwohl Barrierefreiheit kein neues Thema mehr ist, scheinen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen im Bankensektor oft übersehen zu werden. Welche Veränderungen es im Bankensektor braucht.
Im meiner vorherigen Kolumne habe ich erläutert, wie scheinheilig viele Banken im Umgang mit Rassismus sind. Eine schicke Diversity-Initiative hier, eine weitere dort und schon sind sie der Meinung, sie hätten ihr möglichstes getan. Das ist natürlich Unsinn. Es braucht mehr, damit zum Beispiel Frauen, neurodivergente und Schwarze Menschen wirklich die gleiche Chance haben. Zum Glück tut sich ein bisschen etwas in der Branche.
In Großbritannien etwa veröffentlicht die Finanzbranche deutlich granularere Diversitätsdaten als hierzulande. Auch verpflichtende Berichte zu Gender Pay Gaps und Ethnic Pay Gaps werden diskutiert, um Transparenz zu schaffen. In den USA zwingt der Druck von Investor*innen (Stichwort ESG) immer mehr Unternehmen dazu, Diversity-Ziele offenzulegen. Fälle wie der von Google (siehe Teil 1 meiner Kolumne) oder die Erkenntnisse aus dem Fintech-Sektor (auch hier siehe Teil 1) haben global die Dringlichkeit unterstrichen, strukturellen Rassismus aktiv zu bekämpfen.
Angesichts der Faktenlage braucht es tiefgreifende Veränderungen im Bankensektor.
These 1: Ohne verbindliche Vorgaben bleibt Vielfalt „auf Sparflamme“.
Empfehlung: Verpflichtende Diversitäts-Quoten und Transparenzpflichten einführen. Nur wenn Institute gezwungen werden, Daten zu Diversity offenzulegen (zum Beispiel Anteil nicht-weißer Beschäftigter auf jeder Hierarchieebene), kommt Bewegung in festgefahrene Strukturen. Aufsichtsbehörden und Politik sollten Benchmarks für Führungskräfteanteile und Förderprogramme für unterrepräsentierte Gruppen etablieren. Eine Quote, ein Zielkorridor, allein ist kein Allheilmittel, aber ein temporärer Anschub, damit sich die Verhältnisse ändern.
These 2: Diskriminierung beginnt schon im Einstellungsprozess.
Empfehlung: Anonymisierte Bewerbungsverfahren breiter einsetzen. Studien in Deutschland haben gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen die Chancen von Kandidat*innen mit Migrationshintergrund deutlich verbessern. Personaler*innen sollen erst nach Vorauswahl die Identität sehen, um unbewusste Vorurteile auszuschalten. Ergänzend braucht es zwingend Schulungen zu Unconscious Bias für HR und Führungskräfte, damit Sätze fallen gelassen werden wie: „Passt kulturell nicht ins Team“, eine oft vorgeschobene Floskel.
These 3: Produkte und Prozesse dürfen keine exklusiven „Clubbedingungen“ haben.
Empfehlung: Diskriminierungssensibles Design muss zum Standard werden. Von Formularen über Apps bis zu KI-Algorithmen: Banken und Fintechs sollten alle Abläufe darauf prüfen, ob sie bestimmte Gruppen ausschließen. Beispiel Postident: Dort war der Geburtsort lange in Pflichtfeld. Doch dieses fehlt in ausländischen Pässen oder deutschen Flüchtlingsausweisen oft. Die Folge: Vielen Menschen wurde jahrelang die Online-Kontoeröffnung verwehrt. Erst nach Jahren wurde endlich nachgebessert, aber erst, nachdem zahllose Betroffene den Missstand über lange Zeit gemeldet hatten. Unternehmen sollten Diversity-Tests für neue Produkte durchführen (ähnlich wie Usability-Tests), idealerweise mit Personen aus verschiedenen Communities. Auch Barrierefreiheit ist Teil von Diversity und darf mitbeachtet werden.
These 4: Schutz und Beteiligung der Betroffenen sind unerlässlich.
Empfehlung: Mitarbeitende müssen diskriminierungsfrei Missstände adressieren können, ohne Repressalien zu fürchten. Dafür sollten unabhängige Vertrauensstellen oder Ombudspersonen in Finanzinstituten etabliert werden. Im Kundenbereich braucht es leicht zugängliche Beschwerdewege (zum Beispiel via App), damit Fälle von Rassismus im Service konsequent erfasst und sanktioniert werden. Zudem sollten mehr Menschen mit eigenen Rassismuserfahrungen in die Entwicklung von Produkten und Richtlinien einbezogen werden, nach dem Motto: „Nichts über uns ohne uns.“ Nur so entstehen Lösungen, die wirklich alle mitdenken.
These 5: Diversity muss Chefsache sein und Teil der Erfolgsbewertung.
Empfehlung: Solange Vorstände Diversität als lästige Pflichtübung sehen, wird sich wenig ändern. Daher sollten Aufsichtsräte und Investor*innen darauf drängen, dass ESG-Ziele inklusive Diversity messbar in die Unternehmensstrategie integriert werden. Zum Beispiel könnte ein Teil der Management-Boni an Fortschritte bei inklusiver Unternehmenskultur geknüpft werden. Außerdem müssen jene Problemquellen, die Übergriffe und diskriminierendes Verhalten zeigen, spürbare Konsequenzen erfahren, unabhängig von ihrer Hierarchiestufe.Was es jetzt braucht, ist konsequentes Handeln: Mut zu echten Veränderungen, damit Vielfalt nicht länger nur auf Hochglanzbroschüren existiert, sondern gelebte Realität wird. Denn letztlich profitieren alle davon, wenn Banking für alle da ist – wirtschaftlich, innovativ und gesellschaftlich.




