Das war eine Überraschung – der zweitgrößte Anbieter von passiven Fondsprodukten – Vanguard – zieht sich mit dem eigenen Robo-Advisor aus dem deutschen Markt zurück. Und das nach einem Start der sehr viel Aufmerksamkeit und durchaus auch so etwas wie Angst in der Industrie erzeugte. Im Folgenden beleuchten wir die Hintergründe und möglichen Gründe für diesen Rückzug aus zwei verschiedenen Perspektiven.

Lange gab es die bekannten Vanguard Produkte nur bei Banken und Brokern. Also der Kauf eines Vanguard Fonds war nicht direkt über die eigenen Kanäle möglich, sondern ausschließlich über Distributionspartner.

Diesen auch von anderen Asset Managern bekannte b2b2c Ansatz wollte Vanguard aber im Jahr 2019/2020 in Deutschland ändern und selber in die Kundenakquise gehen. In einer Kooperation mit BCG startete Vanguard in 2019 den Aufbau der Plattform und heuerte in 2020 auch bekannte Gesichter aus der deutschen FinTech Szene für die Führung des deutschen Geschäfts. Andreas Bittner – Urgestein des Investment Business und zudem einer der ersten Manager bei der Solaris, sowie Jesper Wahrendorf, vorher Co CEO beim erfolgreichen Payment Startup RatePAY.

Die Kombi klang sehr vielversprechend – erfahrene Banking und FinTech Manager, eine renommierte Beratung an der Seite, eine weltweit bekannte Brand und erfolgreiche Finanzprodukte.
Das ganze zudem in einer Zeit in der die deutschen in der Pandemie Aktien und Fonds für sich entdeckt hatten.

Der eigentliche Start des Produkts ‘Vanguard invest’ – eine Art App basierter Roboadvisor – erfolgte dann nach knapp 3 Jahren Vorbereitung im Februar 2022.

Die Gründe für das ‘Scheitern’

Unglücklicherweise viel der Launch aber fast taggleich auf den Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und damit zu einer veränderten Weltlage.

Der Launch erfolgte leiser als geplant, das Verhalten der Anleger veränderte sich mit dem Beginn des Kriegs und schon bald endete auch die lang anhaltende Niedrigzinsphase und viele Anleger zieht und zog es in die sicheren Zinsen der Zentralbanken.

Bereits Anfang 2023 war klar, dass der Robo-Advisor unter den Erwartungen blieb, wie Vanguard selber mitteilte.

Und dennoch bleibt die Frage, warum eine Macht wie Vanguard den deutschen Markt nicht in einem B2C Model erobern kann.

Mögliche Gründe:

  • Die Neobroker wie Trade Republic und Scalable sind im Neukundengeschäft für Selbstentscheider bereits zu Platzhirschen geworden und wachsen gerade aktuell auch über Tagesgeldangebote. Mit einem Robo-Angebot war Vanguard in der aktuellen Zeit nicht breit genug aufgestellt.
  • Heute werden viele Fonds und Sparpläne über Banken und Broker verkauft. Ist dieses Business in Deutschland einfach resilienter als man sich das vorgestellt hat?
  • Passte das Model eines recht teuren Robos ggf nicht zur DNA und Markenversprechen von Vanguard als aggressiver Preisführer im passiven Investieren für Selbstentscheider?
  • Sollte man ein Projekt von einer Beratung aufbauen lassen die ggf selber nicht mit ins Risiko gehen muss?

Was denkt das Team über den aktuellen Insolvenz-Trend in der Fintech-Branche?

Jochen Siegert:

Ist das jetzt wirklich eine Überraschung? Aus meiner Sicht nicht wirklich. Wir wissen doch schon lange, dass ETF-basierte Robo-Advisor nicht das ganz große Geschäft sind, wie viele glaubten. Namen wie Vaamo, Moneyfarm oder Vantik sind vielen nicht mehr geläufig bzw. waren es nie. Andere, ursprüngliche Robos, wie Scalable Capital oder Liqid haben einen Pivot hingelegt und sich breiter als Investmentplattform aufgestellt. Kürzlich ist Elinvar in die Insolvenz gerutscht, nachdem einige deren Bank-Kunden das Robo-Angebot wieder einstellten.

Ich kenne keine wirkliche, in der Masse skalierte, Robo-Success-Story in Deutschland. Zum Vergleich: ETFs an sich, sind dagegen als Anlageform sehr groß eingeschlagen. Vanguard hatten den Vorteil des Late-Movers zu ihrem Start erst 2022 in Deutschland und kannte diese Situation. Sie hätten also in der Entwicklung darauf reagieren können. Einen wirklichen Unterschied beim Ansatz, Produkt oder Marketing konnte ich jedenfalls nie feststellen. Glaubte man ernsthaft so erfolgreicher zu sein?

Auch startete Vanguard mit einem B2C Direkt-Setup. Das versuchten in Deutschland auch öfters schon andere nationale und internationale sehr große Fonds-Gesellschaften mit zum Teil sehr großen Marketingkampagnen. Nur um sich danach schnell wieder zurückzuziehen und weiter ihre Fonds im B2B-Modell über Dritte wie Banken/Versicherungen zu vertreiben. Auch diese Tatsache musste Vanguard von Anfang an bewusst gewesen sein, sollten wir zumindest annehmen. Zumal Vanguard zwar ein großer B2B Player ist als ETF-Anbieter, aber bei Endkunden kaum oder gar nicht bekannt ist.

Ich vermisste daher bei Vanguard grundsätzlich einen Ansatz, der nicht einfach stur das kopiert was bei anderen Anbietern schon nicht klappte. Sowohl beim Produkt als auch Go-to-Market konnte ich leider keine Differenzierung feststellen, die darauf schließen ließen, dass man die Lehren vormals gescheiterter Ansätze berücksichtigt hat. Diese Kritik muss sich auch BCG als Co-Entwicklungspartner des Angebots gefallen lassen. Es scheint als haben Vanguard und BCG die Strahlkraft der B2B-Marke Vanguard für Endkunden schlicht überschätzt.

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