Studie zu Nachhaltigkeit und Altersvorsorge

Ein Gastbeitrag von Til Klein – Gründer und Geschäftsführer des Altersvorsorge-Startups Vantik

Ein nachhaltiger Lebensstil spielt für die meisten von uns eine immer größere Rolle. Insbesondere seitdem die “Fridays For Future”-Bewegung nicht nur Schüler*innen, sondern immer mehr Menschen weltweit dazu bewegt hat, sich für den Klimawandel zu interessieren und für den Klimaschutz einzusetzen.

Auch im Finance-Bereich ist der Einfluss spürbar. Im Laufe der letzten Jahre sind immer neue Player auf den Plan getreten, um klassische Finanzservices nicht nur digitaler, sondern auch nachhaltiger zu machen. Weil sich etablierte Institute schwertun, die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kund*innen in entsprechenden Produkten abzubilden, entsteht eine Lücke, die Fintechs und Insurtechs zu füllen wissen.

Was den wenigsten Kund*innen hier wie dort bewusst ist: Nachhaltige Investments stellen einen enormen Hebel dar, um Veränderungen im Sinne des Klimawandels und anderen gesellschaftlichen Herausforderungen zu erwirken. Gerade beim Thema Altersvorsorge liegt die Verbindung nahe: Wer will schon für eine lebenswerte Zukunft vorsorgen, indem er oder sie direkt Rüstungskonzerne oder indirekt Regenwaldrodungen finanziert?

Deutsche halten eine breite Palette an Nachhaltigkeitsthemen für relevant

Und tatsächlich: Laut einer repräsentativen Studie, die wir bei Vantik gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen Civey durchgeführt haben, halten 48 Prozent der deutschen Bevölkerung das Thema Nachhaltigkeit bei der Altersvorsorge für wichtig oder sehr wichtig.

Mit Blick auf die unter dem Begriff “Nachhaltigkeit” subsumierten Aspekte zeigt sich, dass für die Menschen eine Reihe an Nachhaltigkeitsthemen mit Blick auf ihre Altersvorsorge relevant sind. Insbesondere Klima- und Umweltschutz (für 47,7 Prozent) sowie die Wahrung von Menschenrechten (für 60 Prozent) spielen eine bedeutende Rolle.

Im Wesentlichen spiegelt das alle drei Kategorien der sogenannten ESG-Kriterien wider: Umweltthemen (E = Environment), soziale Themen (S = Social) und Aufsichtsstrukturen (G = Governance). Diese Kriterien werden bereits heute vereinzelt in der Finanzwirtschaft verwendet, um die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards zu messen. Im Bereich der Altersvorsorge sind diese Kriterien allerdings bisher noch nicht verbreitet.

Nachhaltige Altersvorsorge: Kund*innen beklagen fehlende Angebote und Mangel an Transparenz

Gleichzeitig sind gerade die Angebote klassischer Lebensversicherungen oder andere Rentenprodukte kaum nachhaltig und wenn doch, dann sehr, sehr teuer. Das bemängeln die Kund*innen auch: 41,1 Prozent der Deutschen sehen einen Mangel an passenden Produkten. Dazu kommt, dass fehlende Transparenz und Überprüfbarkeit seitens der Kund*innen – wie 41,4 bzw. 44,2 Prozent der Befragten angaben – der breiten Durchdringung des Themas im Wege stehen.

Die Studie zeigt auch, dass es selbst bei denjenigen Verbraucher*innen, die sich für nachhaltige Altersvorsorge interessieren, immer noch einen hohen Aufklärungsbedarf gibt. Über ein Viertel (26,8 Prozent) glaubt weiterhin, dass man für nachhaltige Anlageprodukte auf Rendite verzichten muss. Längst ist jedoch nachgewiesen, dass nachhaltige Anlagen bei den Themen Sicherheit und Rendite ihren nicht-nachhaltigen Pendants in nichts nachstehen und ihnen sogar überlegen sind.

Was Anbieter jetzt tun sollten

Aus der Studie lassen sich einige Action Points ableiten, die die Diskussion und das Handeln der Akteure im Markt künftig bestimmen sollten:

  • Nachhaltige Altersvorsorge ist kein Nischenthema mehr und ein Großteil der Bevölkerung achtet auf Nachhaltigkeit – daher braucht es ein breiteres Angebot.
  • Eine Ampelkennzeichnung für Finanz- und Versicherungsprodukte entsprechend dem Grad der Nachhaltigkeit – vergleichbar mit einer Kategorisierung von Lebensmitteln nach Inhaltsstoffen – kann eine passende Antwort auf den Wunsch nach Transparenz sein.
  • Über den Irrglauben, dass Nachhaltigkeit und Rendite im Widerspruch stehen, müssen vor allem Anbieter, aber auch Verbraucherschützer*innen aufklären.
  • Nachhaltigkeit darf nicht allein als Marketinglabel zur Rechtfertigung horrender Kosten dienen. Damit nachhaltige Altersvorsorge einer breiten Masse zugänglich wird, muss die Preisdiskriminierung aufhören.
Politik am Zug: “Europarente” kann den Durchbruch bringen

Zu guter Letzt ist auch die Politik am Zuge, dem Thema Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge Vorschub zu leisten. Die EU-Kommission hat den Europäischen “Green Deal” proklamiert, um Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Ein Kernstück des Plans ist der Europäische “Green Deal”-Investitionsplan, mit dem im nächsten Jahrzehnt mindestens 1 Billion Euro für nachhaltige Investitionen in der EU bereitgestellt werden.

Nächstes Jahr startet mit dem Pan-European Personal Pension Product (PEPP) der Binnenmarkt für private Altersvorsorge mit einer erwarteten Gesamtgröße von 2,1 Billionen Euro Volumen bis 2030. Die bisherigen Planungen sehen nur eine Kennzeichnung vor, ob ESG-Kriterien für ein Produkt berücksichtigt wurden. Würde die Berücksichtigung von ESG-Kriterien für alle Produkte verbindlich, wäre dies ein großer Schritt in Richtung der Ziele des “Green Deals”. Und: Es entstünde für Kund*innen die Möglichkeit, für ihre private finanzielle Zukunft vorzusorgen und gleichzeitig dazu beizutragen, dass diese Zukunft in einer lebenswerten Welt stattfindet.

Über den Autor:

Til Klein, CEO Vantik am 01. Februar 2019 in Berlin

Til Klein ist Gründer und Geschäftsführer des Altersvorsorge-Startups Vantik. Zuvor war er als Partner & Managing Director bei der Boston Consulting Group (BCG) für das Retail und Private Banking in Deutschland verantwortlich und hat die Vertriebsentwicklung für Privat- und Geschäftskunden bei der UBS in Zürich geleitet. Er ist Mitglied des Expertenrats für die neue Europarente bei der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Du kannst den Autor gerne unter [email protected] kontaktieren.

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