Nutzer bleiben weg, Umsätze brechen ein, ganze Geschäftszweige schwinden und die Abhängigkeit von zahlungskräftigen Geldgebern erweist sich für einige als fatal: Viele Startups kämpfen in Zeiten der Pandemie ums wirtschaftliche Überleben. Selbst bekannte Namen und große Unternehmen sind betroffen. Die „Startup-Verlierer“ der Krise: Tourismus- und Reise-Startups. Doch Corona hat längst auch einige der bislang so erfolgsverwöhnten Fintechs erreicht.
In einer wirtschaftlichen Betrachtung der Pandemie haben wir uns schon Mitte März mit den (finanziellen) Folgen für die Startup-Szene befasst. Sechs Wochen später ist mehr denn je offensichtlich: Die Corona-Pandemie hat sich in aller Welt nicht nur vehement auf das soziale und gesellschaftliche, sondern vor allem auch auf das wirtschaftliche Leben ausgewirkt.
So ging zum Beispiel die deutsche Wirtschaftsleistung deutlich zurück: Infolge der mit der Pandemie zusammenhängenden Beschränkungen und Schließungen ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Jahresquartal um 2,2 Prozent eingebrochen[1].
Ein Drittel aller Firmen betroffen
Ein Großteil aller Industriezweige und Branchen haben mit Umsatzeinbrüchen, Kreditausfällen, drohenden Pleiten und Insolvenzen zu kämpfen – die Startup-Szene ist davor ebenso wenig geschützt, selbst wenn viele europäische Jungunternehmen durch Investoren aktuell noch gut abgesichert seien, wie aus einem Bericht der von der EU-Kommission unterstützen Datenplattform „europeanstartups.co“ Ende April hervorging[2].
Doch selbst wenn einige Unternehmen völlig unbelastet oder bestimmte Branchen gar als Gewinner aus der Pandemie hervorgehen (Home-Services, Lieferdienste, Videokonferenz-Plattformen usw.), so stand in dem Bericht eben auch ganz klar: Rund ein Drittel aller innovativen Jungunternehmen in Europa spüren negative Auswirkungen der Krise auf ihr Geschäft und die Umsätze.
Startups und Corona: Wen es besonders hart getroffen hat
Das Problem liegt auf der Hand: Nicht wenige der mit einer innovativen Geschäftsidee gestarteten jungen Firmen verfügen nur über geringe Rücklagen und sind auf Bankdarlehen und/oder mutige Investoren angewiesen. Doch aktuell fehlt scheinbar beides. Einerseits die Bereitschaft einiger (Haus)Banken, unbürokratisch und schnell Kredithilfen zu gewähren – gerade für frisch gegründete Startups, die noch keine überzeugenden Bilanzen oder Vorjahresumsätze vorlegen können.
Nicht zuletzt sind die finanziellen Mittel bzw. Möglichkeiten bei vielen Investoren gegenwärtig mehr als begrenzt. Doch nicht nur die jungen Start-ups sind betroffen, ebenso etablierte Player und namhafte Branchen-Riesen treffen die von der Politik bestimmten Maßnahmen hart. Besonders gebeutelt: Unternehmen aus der Reisewirtschaft, dem Tourismus und der Mobilität.
Ein paar Beispiele:
Omio:
Mit der App des wertvollen Berliner Tech-Startup (Bewertung bislang: mehr als eine Milliarde Dollar) kann man bequem per Smartphone Flug-, Zug- und Bustickets erwerben. Vor Corona hatte die App über 25 Millionen Nutzer, das Geschäft florierte. Die Krise trifft das Unternehmen jedoch hart: Die Zahl der Buchungen ist drastisch zurückgegangen, die Umsätze sind entsprechend eingebrochen.
Aufgrund der kürzlich beschlossenen Lockerungen für Urlauber und der stufenweisen Rücknahme der Reisebeschränkungen keimt Hoffnung auf. Immerhin: Entlassungen gab es bislang keine. Auf Kurzarbeit musste das 2012 gegründete Unternehmen ebenfalls nicht zurückgreifen. Anders sah es bei einem in München ansässigen Reiseunternehmen aus.
Flixmobility/Flixbus:
Das Mitte 2019 mit zwei Milliarden Euro bewertete Reise-Startup musste – gezwungenermaßen – einen radikalen Weg gehen: Ab Mitte März wurde der Betrieb komplett heruntergefahren, national und international fuhr kein Bus mehr. Genauso wie die prägnanten grünen Fernbusse von den Straßen verschwanden, stellte Flixmobility ebenso die Zugfahrten (Flixtrain) komplett ein. Vom 01. April an waren fast alle deutschen Mitarbeiter (1000 insgesamt) in Kurzarbeit. Die Gründer verzichteten auf einen Teil ihres Gehalts.
Tourlane:
Tourlane ist ein Online-Anbieter für „maßgeschneiderte Traumreisen“, der für die Nutzer die Planung und Buchung vor allem von Individualreisen übernimmt. Noch Ende des Jahres standen die Zeichen klar auf Wachstum, Expansion und weitere üppige Finanzierungsrunden. Dann kam Corona. Und mit der Pandemie die Stornierungs- und Umbuchungswelle. Schon im Februar 2020 – also noch vor dem großen Lockdown – wurden einige Mitarbeiter „vorsorglich“ entlassen, für einen Teil der 300 Beschäftigten ging es einige Wochen später in Kurzarbeit[3]. Wie genau die gegenwärtige finanzielle Situation aussieht, ist nicht klar, Tourlane ließ kürzlich jedenfalls verlauten, dass genug Geld und Rücklagen zur Verfügung stünden, um Corona zu überstehen.
Hinzu kommen eine Vielzahl großer Namen und weitere bekannte Startups aus diesen Sparten, die massiv unter der Krise leiden und nur durch das Instrument der Kurzarbeit für einen Großteil der Belegschaft schlimmeres (etwa einen Arbeitsplatzabbau) verhindern konnten. Darunter die Mobilitätsplattform Uber, der Community-Marktplatz Airbnb oder auch hometogo, ein Anbieter für Ferienunterkünfte. Einige Startups schließen in naher Zukunft dennoch Kündigungen nicht aus, darunter das nordrhein-westfälische Reise-Schnäppchenportal Urlaubsguru[4].
Und die Fintechs?
Die Travel-Tech-Firmen gehen in wirtschaftlicher Sicht unter allen Startup-Branchen klar als die großen Verlierer hervor. Doch wie ist die Lage bei den Finanz-Startups aktuell, zehn Wochen nach dem Ende März in Kraft getretenen, völligen Shut-Down? Klar ist: Von großen Entlassungswellen an europäischen oder deutschen Standorten der Finanz-Startup-Szene ist bislang nichts bekannt. Zwar hat sich die Smartphone-Bank N26 Anfang Mai von einigen Mitarbeitern der New Yorker Niederlassung getrennt.
„Die Travel-Tech-Firmen gehen in wirtschaftlicher Sicht unter allen Start-up-Branchen als die großen Verlierer hervor.“
Zehn Beschäftigte des Banking-Startups traf es, von einer „großen Entlassungswelle“ kann hier aber natürlich nicht die Rede sein (zumal die Digitalbank insgesamt weit über 1000 Mitarbeiter beschäftigt). Dennoch spürten spätestens ab Anfang April auch die bislang so wachstumsstarken digitalen Finanzdienstleister die Folgen der Krise. Auch in Deutschland. Eine kleine Chronologie:
- Am 08. April meldete das Krypto-Startup Savedroid als erstes deutsches Fintech Kurzarbeit an
- etwa zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass N26 150 Mitarbeiter in Berlin und Barcelona in Kurzarbeit geschickt hat[5]
- das Berliner Unternehmen Finleap ging diesen Schritt Mitte April
- Auch der Zahlungsdienstleister SumUp, der einen seiner größten Standorte in Berlin unterhält, meldete Kurzarbeit an
- in kurzen Abständen folgten daraufhin das zur Finleap-Gruppe gehörende Vergleichsportal Joonko und der Immobilien-Crowdfinanzierer Exporo
Während es für einige Neobanken und andere erfolgsverwöhnte Finanz-Dienstleister dank ordentlicher Finanzspritzen in den letzten Jahren steil Bergauf ging, müssen sie nun auf die Bremse treten. Eine für viele Unternehmen der Fintech-Szene ungewohnte und völlig neue Situation: Kurzarbeit, Umsatzrückgänge, auf Eis gelegte Expansionspläne, skeptische Geldgeber, Einstellungsstopps. Es bleibt abzuwarten wie die Szene langfristig mit all diesen wirtschaftliche Folgeerscheinungen der Pandemie umgeht und diese wegsteckt.
Quellen:
[1] https://www.welt.de/wirtschaft/article207994647/Corona-Krise-Deutsche-Wirtschaft-bricht-im-ersten-Quartal-um-2-2-Prozent-ein.html
[2] https://www.gruenderszene.de/perspektive/europa-startups-corona-studie
[3] https://www.reisevor9.de/inside/corona-trifft-junge-travel-tech-firmen-hart
[4] https://www.zeit.de/digital/internet/2020-05/coronavirus-hilfen-start-ups-unternehmensgruendung-hilfsprogramme
[5] https://financefwd.com/de/n26-usa-kuendigungen/