Schwieriger Markt KMU-Finanzierung in Deutschland: Silvr setzt dennoch auf wenig Neues

Mit viel Getöse, öffentlicher Präsenz und großen Investitionsvolumina will sich dieser Tage ein weiterer KMU-Lender in Deutschland etablieren. Silvr ist ein Fintech aus Frankreich, das Finanzierungen von Unternehmen schnell, flexibel und reibungslos zugänglich machen möchte. Doch „Halt“ – erinnern uns diese Versprechen nicht an andere KMU-Finanzierer, die damit in Deutschland (leider) bisher kläglich gescheitert sind? Wir haben uns die „Erfolgsformel“ der Franzosen einmal etwas genauer angeschaut.

Laut der Europäischen Kommission haben 25 Prozent der KMU in Europa Kapitalbedarfe, insbesondere für ihre Betriebskosten, die von traditionellen Geldgebern nicht abgedeckt werden. Krisensituationen wie die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine haben diese Situation noch einmal verschärft. Digitale Anbieter wollen hier als „Lückenfüller“ ins Feld springen. Die Digitalisierung in Banken in diesen Segmenten indes hat in den letzten Jahren enorm aufgeholt. Für die KMU-Fintechs dürfte es sich daher noch schwieriger gestalten, etwas von dem Kuchen abzubekommen. 

Erfolgreich ist Silvr bislang vor allem in Frankreich

„Wir bieten ein neues Kreditprodukt an, das dem Bedarf von KMU-Unternehmern entspricht und für das es eine große Nachfrage gibt“, sagt in diesem Zusammenhang auch der Gründer von Silvr, Nima Karimi. Von welcher Nachfrage nach alternativen Lendingmodellen er spricht, verrät er dabei ebenso wenig, wie die Frage, warum die bisherigen Fintech-Anbieter und B2B-Neobanken nicht viel erfolgreicher in diesem Segment sind? 

Zuletzt vermeldete das Unternehmen die Bereitstellung einer neuen Kreditlinie von bis zu 200 Mio. Euro durch die Citigroup und Channel Capital. Eine Erfolgsgeschichte made in France, die er nun in Deutschland wiederholen will? „Seit unserer Gründung im Jahr 2020 haben wir bereits mehr als 150 Millionen Euro an Hunderte von Unternehmen vergeben. Der Großteil dieses Kapitals wurde an französische Unternehmen vergeben“, so Karimi. Er räumt aber parallel ein, seit Start in Deutschland 2022 erst über 10 Millionen Euro für Unternehmen bereitgestellt zu haben. 

Namhafte Refinanzierer nicht automatisch ein Erfolgsgarant

Wir merken an: Eine zugesicherte Kreditlinie mit einer Bank im Hintergrund ist noch lange kein Alleinstellungsmerkmal oder ein Garant dafür, dass das Fintech substanziell erfolgreich Marktanteile gewinnen kann. Wir erinnern uns an andere B2B Fintechs, die ihrerseits namhafte Banken als Refinanzierer im Hintergrund hatten: Goldman Sachs (Creditshelf), ING (Lendico), VR-Banken (Fincompare), ABN-Amro (Solarisbank und Crosslend), BNPparisbas (Crosslend) – alles Anbieter, die entweder im Notverkauf bei Banken (Lendico/ING, Fincompare/DZ Bank) mit großen Downrounds (Lendico: keine Angabe zum Verkaufspreis, aber etliche Märkte wurden eingestellt/Fincompare: 15 Mio. Verkauf) unterkamen oder bei denen – positiv formuliert – der ganz große Durchbruch noch auf sich warten lässt.

In einem ohnehin schwierigen Markt ist es nicht leicht, die richtige „Erfolgsformel“ zu finden. Bei deutschen KMU-Finanzierungs-Fintechs gestaltet sich die Suche jedenfalls langwierig. Zuletzt übernahm das Münchner Fintech Dock Financial die Kreditplattform Compeon. Auch die zuletzt bekannt gewordenen größeren personellen Umwälzungen bei Creditshelf könnten Vorboten einer neuen Ära sein, nachdem das Geschäft des Frankfurter KMU-Kreditportals Creditshelf im vierten Quartal regelrecht eingebrochen war.

Mit Marktstandard an die Spitze? Fraglich.

Welchen Schlüssel zum Erfolg haben die Franzosen für den deutschen Markt also gefunden? Silvr betont, man wolle auf Grundlage von Echtzeitdaten die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens bewerten. Die Kunden könnten mit diesem Modell innerhalb von 48 Stunden Kredite von 10.000 Euro bis zu einer Million Euro aufnehmen. Des Weiteren sollen sie die Möglichkeit haben, eine erneute Finanzierung zu erhalten, wenn das Unternehmen weiter wächst, ohne die Beschränkungen herkömmlicher Finanzierungslösungen. Klingt toll, doch a) machen das die Wettbewerber genau so und b) entsprechen diese Angebote längst Marktstandard. 

„Unser Hauptvorteil ist unsere Geschwindigkeit und Benutzerfreundlichkeit, im Vergleich zu Banken, die Monate brauchen, um einen Kreditantrag zu bearbeiten”, so der GRünder weiter. Das stimmt so auch nicht mehr ganz, denn Banken haben gelernt und gerade diejenigen Institute, die sich die Fintechs eingekauft haben, haben davon profitiert und mit ihrer Digitalisierungsstrategie bewiesen, Prozesse schneller als noch vor Corona kopieren oder integrieren zu können.

Märkte ticken komplett unterschiedlich

Karimi wiederspricht: „Im Vereinigten Königreich ist bereits zu erkennen, dass die traditionellen Banken ihre Dominanz auf dem Markt für KMU-Kredite verlieren und die Challenger oder spezialisierten Kreditgeber 55 Prozent des Marktanteils ausmachen.“ Das mag für den UK-Markt sogar stimmen, allerdings ist der Vergleich denkbar schlecht, denn nach der Finanzkrise hat Großbritannien Neobanken durch Finanzspritzen explizit gefördert und der Markt darüber hinaus strukturell völlig anders aufgebaut ist, als hierzulande. Dennoch ist Silvr überzeugt, dass das Bewusstsein für alternative Finanzierungsmöglichkeiten gerade erst wächst.

Wir sind gespannt, wie Silvr den deutschen Markt erobern möchte, ist unklar und bei uns bleiben Fragezeichen zurück. Immerhin: „Wir haben im Dezember 2022 ein Büro in Berlin eröffnet. Derzeit besteht unser deutsches Team aus sieben Personen, die in den Bereichen Vertrieb, Risikoanalyse, Kundenservice und Marketing tätig sind“, sagt Karimi. Zu einer nicht genannten Summe übernahm im Frühjahr dieses Jahres den Revenue-Based Financing Anbiter Uplift1. Bis zu einer halben Million Euro verleiht Uplift1 an junge Firmen, sie zahlen es aus ihren Umsätzen zurück. Die Zeichen bei Silvr stehen auf Wachstum, nur mit welcher einzigartigen Formel, müssen uns die Franzosen erst einmal noch beweisen.

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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