Sie sind der Treibstoff für jeden Aufschwung – Rohstoffe. Sie müssen gesucht und gefunden, gefördert und aufbereitet werden. Aber geht das zusammen mit dem Postulat der Nachhaltigkeit? Und was heißt das für Privatanleger?
Ein böses Sprichwort unter Rohstoffexperten lautet so: „Eine Mine ist ein Loch mit einem Lügner darauf“. Schließen sich Investments etwa in Gold und Nachhaltigkeit daher von vornherein aus? Oder lassen sich beide Aspekte miteinander vereinen? Die Antwort ist leider nicht so einfach – aber eine Annährung ist möglich.
Die Ausgangssituation: Öl befeuert noch immer die Wirtschaft. Um in Motoren verbrannt zu werden oder um zu Kunststoff verarbeitet zu werden. So weit, so gut. Denn die Förderung ist kein aseptischer Vorgang. 2001 etwa begann die Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko nach Öl zu bohren. 2010 sank sie, 800 Millionen Liter Öl flossen ins Meereswasser. Betreiber BP musste mehrere Milliarden Euro zahlen, die Umweltschäden sind noch immer spürbar. Trotzdem stieg der Preis von Rohöl im Jahr 2010 deutlich an. Wer auf den Sektor gesetzt hatte, könnte sich also trotz Umweltschäden wenig nachhaltig die Hände reiben.
Mehr als nur Umweltaspekte
Und es geht nicht nur um die Umwelt, sondern auch um soziale Aspekte, um das Verhalten der Unternehmen. Kurzum: um jene drei Faktoren, für die sich das Kürzel ESG eingebürgert hat. Eine echte Herausforderung. „Rohstoffe sind der zentrale Ausgangspunkt für unsere Wirtschaftsweise und elementarer Bestandteil der Einkommensquellen weiter Bevölkerungsschichten“, so Jan Köpper von der GLS Bank. „Großvolumiger An- & Abbau dieser Rohstoffe erfolgt zumeist in Staaten mit niedrigen Umwelt- & Sozialstandards und jedweder Umgang mit diesen Rohstoffen bedarf daher einer genauen Prüfung der Umstände des An- & Abbaus.“
Der Ball liegt damit bei den Anlegern. Genauer, bei den Finanzhäusern, die Privatanlegern nachhaltig ausgerichtete Fonds oder ETF (exchange traded funds) anbieten.
„Ist ein nachhaltiger Rohstoffabbau überhaupt möglich“, fragt Dana Kallasch von der Fondsboutique Commodity Capital. Ihre Antwort: „Grundsätzlich ja, wenn entsprechende Standards berücksichtigt werden und die Betreiber sich in der Region engagieren.“ Man könnte hinzufügen: Und wenn die Investoren den Unternehmen auf die Finger schauen. Das ist schwieriger, als es klingt. Einschätzung Köpper: „Es muss in jedem Fall verstanden werden, inwiefern Rohstoffinvestments und die dafür genutzten Vehikel auf die Wertentwicklung wirken und so potenziell den Markt verzerren. Gerade im Bereich der Nahrungsmittel kann dies mitunter zu Hunger, Ausbeutung und Fehlanreizen führen.“
Man muss genau hinschauen
Ein komplexer Angang. „Der Eingriff in die Umwelt kann nämlich auch positive Folgen haben – sofern das Unternehmen nach dem Abbau des Erzkörpers die Landschaft wieder renaturiert“, sagt Kallasch. „So entstehen beispielsweise Wasserspeicher, die als Quelle für Wild dienen und die Bevölkerung und besonders die Landwirtschaft mit Wasser versorgen können. Aber auch weitere positive Faktoren sind immer wieder zu sehen: das Schaffen von Arbeitsplätzen, eine Erschließung von Regionen, den Aufbau einer Infrastruktur, eine Verbesserung der Wasserversorgung und letztlich Unterstützung, Bildung, Entwicklung und Wohlstand der Bevölkerung.“
Das bedeutet: Anbieter wie Commodity Capital & Co. müssen genau hinsehen, um die Spreu vom nachhaltigen Weizen zu trennen, um herauszufinden, was in Sachen Nachhaltigkeit ein Problem ist und womit Rohstoffunternehmen punkten.
Es gibt nicht „die eine“ Nachhaltigkeit
Das funktioniert zum einen mit Kennzahlen. „Für Rohstoff-Aktien wenden wir unser Swisscanto Sustainability Rating an, bei dem neben der Beurteilung der klassischen ESG-Kriterien zusätzliche Aspekte wie ein Controversy Score, ein Climate Score und ein Impact Score miteinfließen“, sagt Michael Varga, Portfoliomanager bei Swisscanto Invest. Für Kallasch gehört aber auch der Vor-Ort-Besuch dazu. „Wenn wir durch ein Dorf fahren, und die Mütter verstecken Ihre Kinder, wissen wir, dass etwas nicht stimmt. Stehen die Kleinen jedoch winkend an der Straße können wir davon ausgehen, dass ein positives Verhältnis zwischen der Betreibergesellschaft und der Bevölkerung besteht.“
Dazu kommt: Nachhaltigkeit ist ein etwas wolkiger Begriff. Ingo Speich von der Deka bringt es in einem Interview auf den Punkt. „Es gibt nicht die eine Nachhaltigkeit.“
Vorgehen der Fondsanbieter sind verschieden
Einige Fondsanbieter schließen dazu bestimmte Branchen kurzerhand aus, andere setzen auf die nachhaltig Besten eines Sektors. Und wieder andere nutzen Kompensationszahlungen – in der Finanzbranche heißt das Offset-Ansatz. „Allerdings werden bei diesem Modell nur die Kohlendioxid-Kosten berücksichtigt und andere wichtige Faktoren wie zum Beispiel soziale und ökologische Aspekte vernachlässigt“, sagt Michael Varga, Portfoliomanager bei Swisscanto Invest.
All das weist auf das Kernproblem für Privatanleger: Was für den einen nachhaltig ist, genügt dem anderen nicht. Entsprechend genau muss er hinsehen, was ein Fondshaus in Sachen Nachhaltigkeit unternimmt.
Wie schwierig der Umgang mit ESG & Co. selbst für Profis ist, zeigt das Beispiel des norwegischen Staatsfonds. Der verfolgt einen strikt nachhaltigen Kurs. Und musste Anfang des Jahrtausends von Anteilen von Textron Abschied nehmen – weil das Unternehmen auch Streubomben herstellten und damit mit den eigenen Ansprüchen der Norweger kollidierte.
Nachhaltiges investieren – es geht also. Aber es geht auch noch was.
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