Es ist kurz vorm Jahresende DIE FinTech Neuigkeit! PayPal hat in Weltsparen bzw. das dahinterliegende StartUp Raisin investiert und wird wohl Weltsparen als Produkt pan-europäisch in PayPal integrieren. Das ist ein Wakeup Moment für die europäischen Banken, da PayPal mit Weltsparen als Produktlieferant direkt ins Retailbanking einsteigt. Die Banken bekommen also mehr Konkurrenz von PayPal jenseits des Zahlungsverkehrs, die ohnehin riesige Produktlücke zu Paydirekt wird noch größer und Welsparen bekommt via Paypal Zugang zu Millionen potentieller Kunden.Wir haben das FinTech Ratpack und Miriam als Gast um Einordnung des Deals gebeten.
Jochen
Diese Nachricht hat Sprengkraft in mehreren Bereichen. Zum einen wird PayPal endlich wieder aktiver in Europa wenn es um Investments und Übernahmen geht. Da dürfen wir wohl mehr erwarten, wenn PayPal auf der Suche nach zukünftigem Wachstum in Europa aktiver werden wird.
Dann bedeutet es, dass die von den meisten Retailbankern wohl vorschnell abgeschriebene FinTech-StartUp-Herausforderung doch nicht so schnell wieder weg ist! Genauso wie eBay mit seinen hunderten Millionen Kunden das StartUp PayPal groß machte, hat PayPal die Macht genau dies mit anderen StartUps zu wiederholen. Dies ist de-facto ein Brandbeschleuniger und zwingt Banken die Digitalisierung ernster zu nehmen und schneller mehr funktionierende digitale Produktangebote zu liefern, statt nur pr-wirksam an Blockchain Backendlösungen herumzuexperimentieren.
Im Retailbanking greift PayPal die Banken nun direkter an, statt sich nur auf dem Zahlungsverkehr zu fokussieren. Da es Fintechs in sämtlichen Bereichen des Bankings gibt, kann man recht einfach überlegen was an weiteren Produkten für Paypal auf der Hand liegt und noch kommen kann. Wird PayPal die Meta-Bank, über die Arnulf vor wenigen Tagen hier im Blog schrieb?
Und ach ja, da gibt es noch den Einfluss auf Paydirekt. Die Lücke wird wohl weiter und noch vieeeeel größer zu PayPal. Wenn sich die Banken schon bei einfachen Payment-Produktfeatures bei Paydirekt nicht einigen können, wie dann, wenn der Wettbewerb richtige Bankprodukte via Produktpartner liefert und smart kombiniert? Wie ich in meinem letzten Paydirekt Review schon erwähnte: Ich halte es für de-facto unmöglich, daß die deutschen Banken PayPal überhaupt das Wasser reichen können, aufgrund von viel mehr Menschen und Funding für PayPal vs Paydirekt. Das hat Paypal mit diesem Schritt nur nochmals unterstrichen. Paydirekt muss sich unter dem neuen CEO komplett neu erfinden, denn die vielen verlorenen Jahre der Ignoranz des Wachstumsmarkts ePayment und den weiter verlorenen Jahre aufgrund der handwerklich mangelhaften Umsetzung durch unnötige Geburtsfehler, die jetzt korrigiert werden müssen, lassen sich kaum aufholen.
Andre
Der Weg der unerwarteten und doch so sinnvollen Kooperationen und Partnerschaften geht weiter. Hat sich der eine oder andere kürzlich schon über Scalable und ING DiBa gewundert, so ist dieser Schritt wohl noch unerwarteter, aber ebenfalls stringent und sinnvoll.
Warum?
Die Zielgruppe von PayPal und Raisin wird eine sehr hohe Überschneidung haben. Konsumfreudige Menschen mit hohem Anspruch an Einfachheit.
Konsum und Sparen schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich und setzt Liquidität voraus.
PayPal hat eine immens hohe Alltagsrelevanz, die Raisin nicht hat
Raisin hat ein Produktversprechen, was Paypal nicht hat.
PayPal verfügt über relevante Datenpunkte die gezielte Ansprache ermöglicht
Kurz: Macht Sinn und ist eine neue Dimension des Wandels im Banking. Die einzelnen Bestandteile des Unbundlings kommen auf anderen Wegen wieder zusammen. In der Summe der Einzelteile steckt die FinTech Kraft.
Rafael
Und es bewegt sich doch. Glänzte PayPal bisher nicht unbedingt durch Partner-Deals in Europa kommt nun die Überraschung mit Raisin. Die Partnerschaft ist so offensichtlich sinnvoll, dass es weh getan hätte sie nicht zu tun – insbesondere auch wegen der Acorn Partnerschaft in den USA. Aber wir waren ja Kummer gewohnt hier in Europa. Während PayPal in den USA viel ausprobiert, schwappte leider nur wenig über den großen Teich.
Umso spannender dürfte es jetzt werden, wenn Raisin in Deutschland und UK und vielleicht noch woanders ausgerollt wird (genau dafür war dann wohl die UK Expansion von Raisin).
Die Frage bleibt nur wie das Ganze jetzt aussehen soll. Bekomme ich jetzt mehr emails von PayPal, damit ich Geld anlege, passiert das irgendwo im Flow? Oder beides oder keins? Vielleicht was neues?
Raisin hat einen unheimlich starken Partner gewonnen und nun hoffentlich Zugriff auf die PayPal Kunden. Selbst wenn die Integration “nur” mittelmässig via Newsletter und Emails erfolgt, wird da sehr wahrscheinlich genug übrig bleiben, da die Überdeckung der beiden Kundengruppen erheblich sein dürfte.
Was heißt das jetzt für PayPal Europa? Kommt jetzt etwa die echte PayPal Bank? So mit richtig Produkten und Innovationen frei aus Luxemburg? Ich glaub da halte ich mal lieber nicht die Luft an oder verwette irgendwelche Körperteile. Spannend ist der Schritt, aber ist das der Start, das Ende oder nur ein Flackern. Abwarten, Tee trinken.
Kilian
Eigentlich ist der Deal nur konsequent – PayPal hat mit der Strategie sich stärker in die Banken Welt hinzubewegen schon länger begonnen – neben Sparen v.a. Credit (für Händler & Endconsumers) – nur gefühlt etwas Pause gemacht – oder sich mit anderen Sachen beschäftigt – Shareholdermanagement – Trennung von eBay etc. Ich sehe ihn v.a. in Deutschland weniger als Neukunden Deal – sondern als Erweiterung er Wertschöpfung und ein weiterer Schritt zur Besetzung der “Kundenschnittstelle”. Der Kreislauf ist nun geschlossen – Sparen – Zahlen – Leihen – alles ist dabei – und die “echten” Banken sind im Hintergrund – Infrastruktur Play – manche Dinge bewahrheiten sich. Interessant wird sein, ob man den PayPal Kunden zum Sparen bewegen kann – bis dato will er dort ja v.a. Ausgeben. Das wird die Marketing Challenge – und ein etwas längeres Unterfangen – aber die Zeit sollte sich PayPal nehmen.
Maik
Ich spüre eine Erschütterung der Macht! PayPal wird mehr und mehr zur Bank. Nicht technisch, sondern für den Konsumenten. Das ist logisch und auch notwendig. Den Vorsprung den PayPal im E-Commerce und im Online-Payment hat ist endlich und mit Android und Apple Pay oder Amazon Pay hat PayPal starken Wettbewerb. Und alle diese Mit- oder Gegenspieler haben etwas, was PayPal in der Form nicht hat: eine Plattform oder Ökosystem. Den tradiotionellen Retailbanken mag diese Plattform-Ökonomie auch fehlen, aber das ist und darf nicht der Maßstab für PayPal sein.
Für mich ist die Frage nicht, warum PayPal mit Weltsparen zusammen arbeitet. Für mich ist die Frage, wann PayPal in der Lage sein wird den Konsumenten vollumfänglich zu bedienen und ein Vollkonto anbieten wird. Bis es soweit ist, werden wir vermutlich noch einige weitere Kooperationen sehen. Dann wird die Luft wieder etwas dünner. Nicht nur für die Retailbanken, sondern auch für die neuen sogenannten Challenger-Banken. Für 2018 würde ich mich nicht wundern, wenn ich im PayPal Account meine bestehenden Bankkonten integrieren kann.
Miriam
PayPal sagt von sich “Our goal at PayPal is to help consumers take better control of their financial lives. Part of this mission is to ensure we’re also helping people build financial wellness”.
Deutschland ist für PayPal eines der wichtigsten Länder. Daher ist die Beteiligung an Raisin ein sehr kluger Schachzug der zu 100% in die Mission passt.
Payment und Banking gehören eben zusammen :-)
Viele Banken haben das in den letzten Jahren schlichtweg vergessen.
Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken. [mehr]