Erneuerungen wie Instant-Payments oder die Öffnung der Apple-Schnittstelle bieten große Chancen für Banken und Fintechs. Die deutsche Banking-Community aber nutzt sie nicht – weil ihr der Mut fehlt. Die neue Folge von „Nils nörgelt.”

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Liebe Leserinnen und Leser, ich habe in dieser Kolumne in den vergangenen Jahren sehr viele Produkte, Ideen, Fintechs und Banken kritisiert. Mal ging es um den Glücksspiel-Charakter von Trading-Apps, mal um den Unsinn von Bitcoin oder auch um die Abzocke, die einige „BNPL” nennen. Diesmal soll es etwas grundsätzlicher werden, etwas tiefgreifender. Denn ich möchte mit Ihnen, liebe Banker:innen und Fintech-Gründer:innen über den fehlenden Mut der deutschen Payment- and Bankingbranche sprechen. Oder besser gesagt: Ich möchte darüber nörgeln, dass Sie, liebe Leserinne und Leser, leider sehr feige sind – und dass das so nicht weitergehen kann. 

Payment in Deutschland: Das ist ein Mindset-Problem

Auf das Thema gebracht hat mich André Bajorat, der seines Zeichens eigentlich kein feiger Mensch ist. Er war Gründer, er war Fintech-Pionier. Doch in einer Diskussion rund um die verpflichtende Einführung von „Instant Payments” in der EU schrieb Bajorat sinngemäß, dass Deutschland nur Infrastruktur könne, aber eben „keine Produkte.”

Genau dieser Satz brachte mich zum Nachdenken: Ist es wirklich so, dass Payment-Deutschland sowas einfach nicht kann – oder liegt es nicht vielmehr am Mut, auch mal etwas Neues zu wagen? Ich bin nach einiger Überlegung zu der Überzeugung gelangt: Die technische Raffinesse haben deutsche Firmen eigentlich und im Land, das einst das Automobil erfand, können wir sehr wohl „Produkte” designen. Wenn es aber nicht am „Können” scheitert, dann ist der Schuldige schnell gefunden: Es liegt am Mut, an der Einstellung. Moderne Coaches würden sagen: Payment-Deutschland hat ein Mindset-Problem. Statt sich zu trauen, nach vorne zu preschen und Märkte zu erobern, bleiben viele Banken, Geldhäuser, Fintechs und Gründerinnen wie Gründer lieber bei dem, was sie halt schon immer so gemacht haben. Und selbst wenn sie eine innovative Lösung auf den Markt schmeißen, dann fehlt es zuweilen an Weitsicht oder dem Mut, wirklich groß zu denken – und auch so zu handeln. Daran sind in der Vergangenheit meiner Meinung nach beispielsweise Paydirekt und viele weitere, eigentlich gar nicht mal so dumme Ideen gescheitert. 

Apple Pay: Deutsche Banken zögern

Ähnliches ließ sich zuletzt bei der Öffnung der NFC-Schnittstelle von Apple beobachten. Banken und Fintechs in Deutschland haben darauf lange hingewirkt, bis hoch zur EU-Kommission sind ihre Wünsche gekommen. Doch jetzt, wo Apple die Schnittstelle öffnet und damit tausende Chancen für Banken, Wallet-Anbieter und Fintechs bietet, ist es verhältnismäßig leise geworden. Große Pläne, ApplePay anzugreifen, hat kein großes Geldinstitut und nur wenige überlegen sich überhaupt, eine Lösung ins Payment-Rennen mit Apple zu schicken. 

Instant Payments: Banken müssen sich trauen

Das ist sehr schade. Denn solche technischen Neuerungen bringen häufig große Chancen mit sich, die mit ein wenig mehr Wagemut langfristig den Erfolg der deutschen Banking- und Paymentszene sichern könnten. Ich will die Industrie dabei gar nicht schlecht reden. Vieles läuft hierzulande besser als in den USA, Frankreich oder China. Aber ein wenig mehr Mut (oder auch Größenwahn) hätte einen Payment-Ausverkauf hierzulande ebenso verhindern können wie das peinliche Rumgedruckse vieler deutscher Geldhäuser, wenn es um EPI geht. Eine mutige und moderne Bank würde das Projekt unterstützen, fördern und bewerben. Kurz: Sie würde das Projekt mutig angehen.  

Ein besonders prägnantes Beispiel für mutloses Handeln nun sind derweil die bald kommenden Instant Payments, die eine wundervolle Infrastruktur bieten, um PayPal & Co. anzugreifen. Um diese Gelegenheit zu nutzen, muss Payment-Deutschland aber mutig sein und vorausgehen. Sätze wie: „Deutschland kann Produkt nicht” helfen dabei nicht, weil sie uns in bekannten Mustern verharren lassen. Stattdessen sollte die Branche sagen: „Ja, wir machen das! Das wird gut und wir nehmen dafür auch viel Geld in die Hand!”. Das wünsche ich mir von der Payment-Szene, das wünsche ich mir von unseren Leserinnen und Lesern. Seien Sie einfach mal: mutig.

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