Immer mehr Influencer, Künstler und Musiker verwandelten zuletzt ihre Alben, Songs, Artworks sowie Bilder über die Blockchain in einzigartige, fälschungssichere digitale Kunst. Fans und Sammler zahlen dafür mitunter gewaltige Summen.
Möglich machen diese Summen NFTs, durch die man die Rechte an der Kunst erwerben kann. Die Sache mit der NFT-Kunst: nur heiße Luft oder eine Revolution? Bitcoin, Ethereum oder Dogecoin: Der Blockchain-Hype greift weiter um sich und bestimmt (längst nicht nur die) Wirtschafts- und Finanz-Nachrichten. Spätestens seit März sorgt ein weiteres „Krypto-Thema“ in der Berichterstattung für mächtig Wirbel. Von immer neuen „spektakulären Verkäufen“ oder „Auktions-Rekorden“ war zuletzt im Zusammenhang mit NFTs die Rede.
Neues Hype-Thema NFT
Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ berichtete in seiner Online-Ausgabe vom 02. April zum Beispiel vom NFT-Hype, die „slashCAM“, das digitale Video- und Filmtechnik-Fachportal, schrieb vom Hype-Alarm. Und „Welt Online“ titelte in einem Online-Artikel vom 30.04.: „NFT-Boom: Internet zum Ausdrucken“. Was ist dran an diesem „IN“-Thema des Frühjahrs? Wieso profitiert vor allem die Kunst- und Musik-Szene so stark von NFTs?
Einzigartige Digitalwerte
Durch NFTs („non-fungible Tokens“) werden Besitzverhältnisse und Echtheit einer Sache auf einer öffentlich zugänglichen Blockchain abgebildet. Übertragen auf Kunstwerke weisen sie das (geistige) Eigentum an einer Sache nach.
Da liegt es nahe, dass sich vor allem jene Personen und Branchenvertreter diese „digitale Repräsentation eines Vermögenswerts“ zu eigen machen, die persönlich-geistige Schöpfungen kreieren. Das sind Werke und/oder Gegenstände mit gestalterischer Schöpfungshöhe, um die nicht selten vor Gericht gerungen wird (Stichwort: Urheberrechtsverletzung).
Gemeint sind Künstler wie Filmemacher, Video-Artists, Zeichner, Maler aber auch Influencer und Youtuber sowie SängerInnen und Bands. Sie alle nutzen NFTs, um einzigartige, limitierte Digitalwerte zu erzeugen. Werte für Werke, die letztlich alles darstellen können – so lange es sich um ein digitales Objekt bzw. Kunstwerk handelt. Vom Musikstück (etwa als MP3) über das digitale Bild oder Gemälde, ein GIF oder Cover-Artwork bis hin zu Animationen und Videoclips. Ja sogar Twitter- oder Tik-Tok-Post wurden bereits zu (viel) Geld gemacht.
Kunst-NFTs: Attraktive Einnahmequelle in Pandemie-Zeiten
Mehr und mehr Künstler verkaufen oder versteigern ihre Werke über entsprechende NFT-Plattformen und populäre Marketplaces wie Rarible, Open Sea oder Nifty Gateway. In Zeiten der Pandemie und schwindender Einnahmen für Kunstschaffende, u.a. durch Corona-bedingte Konzert- und Event-Absagen, haben die Künstler mittels NFT eine Möglichkeit entdeckt, zusätzliches Geld zu verdienen. Zumal durch Streaming bei vielen Musikern bekanntlich nicht viel hängenbleibt.
Sie erzeugen bei Sammlern und Fans durch die Einmaligkeit ihres NFTs ein Verlangen nach genau diesem (seltenen) digitalen Objekt der Begierde. Getreu dem Motto: Das gibt es nur einmal, das muss ich haben. Und damit machen sich Musiker, Digital-Artists, Maler & Co. etwas zu Nutze, was in der großen, weiten Welt des Cyber-Raums in dieser Form noch nicht existierte: die Verknappung digitaler Inhalte[1].
Zeichnet sich das Netz bis heute eher durch Vervielfältigungswahn, Kopien sowie Nachahmung und alles andere als einzigartige digitale Inhalte aus, gehen die Künstler mit ihren NFT-Verkäufen völlig neue, bis dato unbekannte Wege. Durch die sie teils gewaltige Einnahmen generieren.
Ein paar Beispiele der jüngeren Vergangenheit
- die kanadische Musikerin und Künstlerin Grimes verkaufte Anfang März Krypto-Kunst für fast sechs Millionen Dollar. Dabei handelte es sich um eine digitale Editionsserie aus Video-Clips, digitalen Gemälden und Animationen. Grimes schuf die Kollektion, die sie „War Nymphes“ betitelte, gemeinsam mit ihrem Bruder Mac Boucher
- etwa zur gleichen Zeit gab die Rockband Kings of Leon („Sex on fire“) bekannt, ihr kommendes Studioalbum nicht nur physisch als LP und CD sowie digital als Stream oder Download anzubieten – sondern auch als NFT. Ab dem 05. März hatten Fans die Möglichkeit, mehrere NFTs der neuen Platte zu erwerben. Jeder Token kostete 50 US-Dollar
- der britische Elektro-Pionier Aphex Twin versteigerte zwei Wochen später ein digital Artwork für 100.000 US-Dollar. Zusätzlichen Wert brachte dem Kunstwerk die Musik (ein Stück von Aphex Twin selbst), die das Artwork unterlegte
- auf den NFT-Zug sprang Mitte März ebenfalls die Popsängerin und Künstlerin Halsey („You should be sad“) auf. Vom 17. März an konnten Interessenten einige ihrer (3D-) Animationen (die Kollektion trug den Namen „People Disappear Here“) erwerben. Sie zeigen skurrile Figuren und bizarre Fabelwesen
- es muss nicht immer Musik sein: digitale Sammelkarten und Actionfiguren von Rap-Megastar Eminem wechselten Ende April den Besitzer. Die „Shady Con“ betitelte Serie in Sammelfigur-Optik war schnell ausverkauft – und liegt mittlerweile beim Dreifachen des ursprünglichen Kaufpreises (313 US-Dollar). Die Fans des Rappers haben zudem die Möglichkeit, über den Marketplace Nifty Gateway Eminem-Beats zu kaufen. Vom Meister höchstselbst komponiert
58 Millionen US-Dollar für Digital-Collage
Weitere Musiker und Künstler, die bislang NFT-Alben, -Songs, -Illustrationen oder -Gemälde verkauft haben sind: DJ und Produzent Deadmau5, Linkin Park, Boy George, Hip-Hopper !Illmatic, John Lennons Sohn Sean, Snoop Dog, Lionel Richie, Mick Jagger oder auch The Weeknd, der ein neues Lied („The Source“) sowie das dazugehörige Artwork zur Versteigerung anbot. Den bisherigen Auktions-Rekord für digitale Kunst stellte der Amerikaner Beeple Mitte März auf: eine digitale Collage aus 5000 kleinen Beeple-Bildern war einem Sammler umgerechnet rund 58 Millionen US-Dollar wert.
Übrigens ist NFT-Kunst kein Phänomen, das sich ausschließlich unter US-amerikanischen und britischen Künstlern verbreitet hat. Youtuber, Musiker und Heimwerker-Profi Fynn Kliemann nahm durch seine NFT-Auktion, die parallel bei Open Sea und Rarible lief, 250 000 Euro ein[1]. Drei Tage lief die Versteigerung, für die Kliemann extra 100 NFT-Kunstwerke (Sound-Schnipsel und Jingles) produzierte.
Es bleibt spannend, ob es sich bei NFT-Kunst nur um einen wenige Monate andauernden, medial befeuerten Boom handelt oder ob sich die audiovisuellen, digitalen Kunstwerke fest etablieren: als schier unerschöpfliche Finanzierungs- und Geldquelle für Künstler aller Art, die damit einen neuen Weg des Vertriebs und der Verwertung ihrer künstlerischen Erzeugnisse erschlossen haben, der Bestand hat.
[1]„Das ist gerade alles Wilder Westen“ – woher kommt der NFT-Hype? | FinanceFWD
[2] Auch du, Böhmermann? Fynn Kliemann nimmt bei NFT-Auktion 250.000 Euro ein (finanznachrichten.de)