Lange war N26 weder Fisch noch Fleisch, weder Hausbank noch Broker. Seit Mittwoch können Kunden in Deutschland nun endlich Aktien- und Fonds bei der Neobank handeln. Der Schritt kommt reichlich spät. Die Analyse.
So jung die Neobank N26 ist, so turbulent war ihre Zeit seit der Gründung 2013 bisher. Da war zunächst der kometenhafte Aufstieg der Berliner Neobank, die in kürzester Zeit tausende Kunden gewann und die schon als „Bankenschreck” galt. Dann kamen die Wachstumsschmerzen und 2018 die ersten Konflikte mit der Bafin. Damals hatten Kriminelle bei N26 mit gefälschten Ausweisdokumenten Konten eröffnet, die zum Betrug und für Geldwäsche dienten. Der Brexit 2020 erleichterte die Bank um rund einhunderttausend Kunden. Dazu wurden der mangelhafte Kundenservice und organisatorische Probleme kritisiert, die mit der Vollbanklizenz aufkamen. 2021 später drosselte die Bafin wegen Problemen beim Risikomanagement das Neukundenwachstum auf 50.000 pro Monat und schickte einen Sonderbeauftragten ins Unternehmen. Kurz darauf musste N26 eine Millionenstrafe zahlen, weil sie der Geldwäsche-Prävention nicht nachkam.
Es lief holprig. Gleichzeitig wurden andere Fintechs in Deutschland immer größer, immer wichtiger: sogenannte Neobroker. Dazu zählen etwa Scalable Capital und Trade Republic, die mittlerweile viele Millionen Kunden aufweisen. 2015 als Neobroker gestartet, gab es bei Trade Republic anfänglich zwar nur Aktien und Fonds zu Discountpreisen. Mittlerweile bietet das Fintech aber auch Tagesgeld- und Festgeldkonten sowie Kreditkarten an und ringt somit um die gleiche Kundschaft wie N26. Das wollten die Berliner um Chef Valentin Stalf offenbar nicht auf sich sitzen lassen und kontern jetzt mit einem eigenen Tradingangebot. Wenn auch reichlich spät und mit einem zunächst recht überschaubarem Angebot.
Laut Mitbegründer Valentin Stalf bietet die Neobank zunächst 200 international handelbare Aktien und ETFs an. In den nächsten Monaten sollen es dann rund 2000 Aktien und ETFs werden, dazu ist seit einiger Zeit der Handel mit Kryptowährungen möglich. Umgesetzt wird das neue Angebot in Kooperation mit der Firma Upvest. Das ebenfalls aus Berlin stammende Fintech vermittelt und verwahrt für Banken über eine Programm-Schnittstelle Anlageprodukte. In Österreich können Kunden schon seit Januar ihr Portfolio in der gleichen App verwalten, in der auch Bank-, Spar- und Gemeinschaftskonten sowie ihre Kryptowährung liegen. Stalf erklärte, sein Ziel sei es, „dass man dieses Produkt sowohl mit 500.000 Euro verwenden kann als auch mit einem Euro.“
Dabei dürfte es N26 nicht nur um Wettbewerbsfähigkeit zu Trade Republik und neue Kunden gehen, sondern auch um ihr Image gegenüber etablierten Geldhäusern. Zwar machte N26 ihnen gerade bei jüngeren Kunden Konkurrenz. Dennoch werden Neobanken häufig nicht für das Hauptkonten genutzt, auf die das Gehalt eingeht, sondern für einen bestimmten Zweck oder als Zweitkonto. Um Kunden aber ähnlich lange halten zu können, wie etablierte Banken, müssen sie zu Hausbanken werden, inklusive Leistungen wie Gemeinschaftskonten und Brokern. Erwachsen werden. Groß werden. N26 versucht es zurzeit. Dass ausgerechnet der einstige Pionier unter den Neobanken bei diesem Feature ein Spätstarter ist, bleibt dabei die Ironie der Geschichte.
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