„Everyday like a mardi gras, everybody party all day. No work all play, okay“, sang in den späten 90er-Jahren Will Smith über Miami, einer Stadt, die spätestens seit einer bekannten TV-Serie zehn Jahre zuvor für trendige Nachtclubs, lange Sandstrände und viel BlingBling steht. Ein Ruf, den die Stadt nur schwer ablegen kann. Dabei ist sie für viele Unternehmen längst weit mehr als eine Partymeile unter Floridas Sonne.
In den letzten Jahren hat sich Miami international als Hotspot für Blockchain und hier vor allem im Bereich NFTs und Tokenisierung von Kunst global einen Namen gemacht. Viele namhafte Unternehmen mit internationaler Strahlkraft haben in Miami ihr Headquarter aufgebaut, viele Künstler tummeln sich in der Stadt, adaptieren die Technologie und treiben sie so voran.
Miami als Zentrum für NFTs
„Miami hat sich zu einem Zentrum für Kryptowährungen und NFTs (non-fungible tokens) entwickelt – die Attraktivität der Stadt zieht Innovatoren, Investoren und Unternehmer an, die von der Zukunft der Blockchain-Technologie begeistert sind“, sagt Alexander Daamen, Head of Berlin Finance Initiative USA. Alleine im Jahr 2021 wurden 5,33 Milliarden Dollar in Start-ups later-stage in Südflorida investiert. Insgesamt fanden 62 Deals im Jahr 2021 in einem Volumen von beinahe 2,3 Billionen US-Dollar statt, davon entfallen 16 Prozent der VC-Finanzierung auf Start-ups im Web3 (pdf).
Hinzu kommt: Gerade für eine lateinamerikanische Community ist Miami attraktiv, was sich auch auf die den Zuzug von Tech-Talenten auswirkt. So verzeichnete Miami einen Anstieg von 30 Prozent der Nettozuwanderung von Arbeitnehmern aus dem Software- und IT-Sektor, die im Jahr 2021 in die Region zogen, noch vor Tech-Hubs wie Phoenix (Arizona), Austin (Texas) oder Atlanta (Georgia).
Berlin weltweit wichtiger Fintech-Hub
„Miami hat sich ohne Zweifel als einer der Web3-Hubs global entwickelt. Das betrifft CeFi, aber auch den DeFi Sektor, doch ganz besonders die NFT Szene“, sagt Christopher May, Gründer von Finoa, einer Krypto-Asset-Verwahrstelle für institutionelle Investoren und damit ein Leuchtturm-Fintech Berlins, über den US-amerikanischen Hub im Süden.
(K)eine Konkurrenz also für Berlin? Immerhin positioniert sich die deutsche Hauptstadt als (neben London und Paris) führender europäischer Fintech-/Blockchain-Standort. In keiner anderen Stadt siedeln sich mehr Fintechs an, nirgendwo ist das Funding-Volumen für diese so hoch wie dort.
Immerhin sieben der insgesamt 19 deutschen Unicorns sind in Berlin angesiedelt, darunter Fintechs wie N26, Mambu oder wefox. 38 Prozent (von insgesamt 350) aller deutschen Fintechs haben ihr Headquarter in der Hauptstadt. Das ist doch was!
Blockchain hat in Berlin Tradition
Und auch in Bezug auf Blockchain hat Berlin die Nase vorn: Über die Hälfte der deutschen Blockchain-Startups ist in Berlin angesiedelt. Für 13 Prozent der Berliner Start-ups hat Blockchain einen großen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell. (Berlin Start-up Monitor 2020). Mit über 100 Blockchain-Start-ups sowie zahlreichen Inkubatoren, Akzeleratoren, Investoren und Forschungseinrichtungen hat Berlin eines der aktivsten und am stärksten ausgeprägten Blockchain-Ökosysteme weltweit.
„Während man in Berlin oft tech-savvy „Crypto OGs“ trifft, mit denen man wunderbar über den Merge, zk-Roll-Ups und die Zensurresistenz von Ethereum streiten kann, empfinde ich die teilweise nicht ganz so technisch versierte Web3-Community in Miami auf ihre Weise inspirierend. Man merkt hier, wie über Use-Cases von NFTs eine ganz andere Kohorte auf die Blockchain ongeboardet wurde. Und das ist perfekt, denn nur so funktioniert die Massenadaption“, sagt Julian Grigo, Managing Director bei der Solarisbank.
Zwei Städte mit Potenzial für weiteren Austausch
Miami – Berlin, klingt, als ob sich beide Städte eine Menge zu erzählen hätten. Austausch als Konkurrenz? Genau darauf setzt die Berlin Finance Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Dialog zu stärken und eine transatlantische Brücke zwischen Berlin und ausgewählten Tech-Städten zu bauen. Im Dezember dieses Jahres war die Initiative mit Berliner Vertretern vor Ort und traf dort ansässige Web3-Unternehmen. „Wir haben Misserfolge und Skandale besprochen und Lehren gezogen, und das in den Bereichen Regulierung, Transparenz, Kommunikation“, sagt Achim Oelgarth, Initiator der BFI. Anwendungsfälle gibt es schließlich genug: von Mode zu Krypto-Wallets, NFTs bis hin zu DeFi-Bankdienstleistungen.
Peter Großkopf, Gründer von Unstoppable Finance weiß: „DeFi wird langfristig seine Vorteile ausspielen können, wenn die verschiedenen Märkte, anders als in der traditionellen, sehr fragmentierten Finanzwelt, frühzeitig gemeinsame (auch regulatorische) Standards entwickeln.“ Seiner Einschätzung nach schaue die USA ja schon auf die MiCA in Europa. „Wenn sich regulatorische Regimes angleichen, wird die Internationalisierung von Finanzdienstleistungen einfacher für die Player im Markt“, sagt er weiter.
FTX-Insolvenz trifft Miami hart
Allerdings sind dunkle Schatten über Miami aufgezogen. Die Stadt ist hart von der Pleite der Kryptobörse FTX getroffen und stellt viele Entscheidungen der letzten Jahre infrage. Welche Auswirkungen die Insolvenz auf die Stadt und über ihre Grenzen hinaus hat, ist noch nicht abzusehen. Im Sommer dieses Jahres wurde FTX-Gründer Sam Bankman-Fried noch als Wunderkind gefeiert, im Dezember inhaftiert. Nach enormen Mittelabflüssen war der Handelsplatz innerhalb weniger Tage kollabiert und Milliarden an Kundengeldern konnten nicht ausgezahlt werden.
„Miami hat über die letzten Jahre eine Vielzahl an Gründern in die Stadt gezogen. Das Geld ist an vielen Stellen zu sehen“, sagt Christopher May, gibt jedoch zu bedenken: „Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich der aktuelle Bärenmarkt auf die Szene auswirkt und wie viele Entwickler Miami dauerhaft halten kann.“ Heißt: welche neuen Innovationen künftig aus dem Space kommen werden. Denn Tech-Talente sind dort, wo die interessanten Entwicklungen passieren – ein Gruß aus dem Valley, aus Texas – und aus Berlin.
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