Krisenkommunikation – kaum etwas sorgt bei Kommunikatoren für zwiespältigere Gefühle. Einerseits gilt diese Disziplin als die Königin der Public Relations. Wer sie „kann“, gilt als echter Top-Profi. Auf der anderen Seite gibt es nichts, was den PR’lern so schnell die Schweißperlen auf die Stirn treibt, wie eine herannahende Krise. Denn selbst wenn man gut vorbereitet ist – Krisen sind dynamisch und entwickeln sich in unglaublicher Geschwindigkeit, sie erfordern schnelles, beherztes und durchdachtes Kommunikationsmanagement, und das auf immer mehr Kanälen und am besten gleichzeitig. Eine Krise fordert von der Kommunikation Höchstleistung – meist über Tage oder sogar Wochen.

Der Störfall beginnt oftmals im Kopf. Wie schwierig gute Krisen-PR sein kann, können auch Multimilliardenkonzerne mit Kommunikationsabteilungen so groß wie eine mittelständische Firma aus eigener Erfahrung berichten: So schätzte der Flugzeugbauer Boeing die Lage völlig falsch ein, als 2019 zwei Maschinen eines Typs kurz nacheinander abstürzten.

Statt aktiv zu werden, die sichtbaren Zusammenhänge und möglichen Produktionsfehler zu sehen und Konsequenzen zu ziehen, duckte sich Boeing weitgehend weg und wurde anschließend geradezu überrollt. Bis heute haben die Maschinen dieses Typs Startverbot. Boeing hat massive Einbußen im Verkauf, vom Imageschaden ganz zu schweigen.

Krisenkommunikation, Teil 2: Der Störfall beginnt im Kopf...

Das Beispiel ist ohne Frage ein Einzelfall. Ebenso ist die aktuelle Krise durch die Corona-Pandemie ein absoluter Ausnahmefall. Dennoch stehen die Fälle exemplarisch. Niemand sollte sich etwas vormachen: Krisenhafte Szenarien mit Relevanz für die Kommunikation gibt es wie Sand am Meer. Sie treffen früher oder später jeden, vom kleinen Startup bis zum Milliardenkonzern, von der Regierung und der Politik über NGOs bis zu Verbänden und Behörden. Die digitalisierte Medienlandschaft, die 24/7 News produziert, und die mega-erfolgreichen sozialen Medien mit ihren Milliarden Usern wirken zudem wie ein Teilchenbeschleuniger und schleudern die bad news noch schneller in alle Himmelsrichtungen. Kurzum: Heutzutage bleibt kaum noch etwas verborgen.

Die richtige Vorbereitung beginnt nicht erst, wenn sie da ist

Wie geht man denn nun richtig mit einer Krise um? Der Grundstein für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise im Bereich Kommunikation basiert auf zwei Fundamenten: einer sinnvollen Vorbereitung auf – und der richtigen Strategie in der Krise. Beides kann man lernen.

Zur richtigen Vorbereitung gehört ein individuelles Verständnis für potenzielle Krisen. Grundsätzlich lauern sie an vielen Stellen. Klassische Krisen sind neben exogenen Schocks wie dem Corona-Szenario beispielsweise Insolvenzen oder Mitarbeiter-Kündigungen, Leaks oder Insider-Kritik (die etwa über das Bewertungsportal Kununu geteilt wird, oder auch Betriebsunfälle). In den vergangenen Jahren ist auch die Zahl und Bedeutung der Krisen im Bereich Umweltschutz und mangelnde Produktqualität durch die Vielzahl starker und sehr medienwirksamer Verbände und Organisationen wie etwa Stiftung Warentest enorm gestiegen. Hier drohen insbesondere auch so genannte „shit storms“, die kaum zu beherrschen sind, wenn sie einmal ausgebrochen sind.

Krisenkommunikation, Teil 2: Der Störfall beginnt im Kopf...

Und nicht zu vergessen die Bereiche Datenschutz und Cybersicherheit. Eine kurze Google-Recherche reicht, um Dutzende Datenpannen zu finden. Dass Schlagzeilen wie „Riesendatenpanne bei Autovermietung – Millionen Userdaten frei im Netz“ auf eine ausgewachsene Krise hindeutet, ist keine Frage.

Eine gute Vorbereitung ist „Gold wert“

Zugegeben: Nicht jeden wird jede Krise betreffen. Aber eine vorbereitende Analyse lohnt auf jeden Fall: Welche Schwachstellen weist meine Einheit / mein Unternehmen auf? Sind wir angreifbar? Und wenn ja, wo? Welche allgemeinen Krisenszenarien können uns betreffen? Wer diese Fragen intern klären kann, stellt damit die Basis für eine erfolgreiche Reaktion im Fall des Falles auf.

Zur Vorbereitung gehört auch der Krisenplan. Das hört sich statischer an, als es ist. Gemeint ist damit in erster Linie, vorab festzulegen, wie im Krisenfall reagiert wird. Wer wird intern informiert, gehört dem Krisenstab an? Wer muss extern hinzugezogen werden (beispielsweise Behörden, Anwaltskanzleien o.ä.) und ganz wichtig: Wer ist Ansprechpartner für die Medien und spricht für das Unternehmen? Entscheidend ist zudem der Ablauf der Information. Hier gilt fast immer: intern vor extern. Mitarbeiter müssen informiert sein, um sich richtig verhalten zu können.

Bestimmte Szenarien sind vorab teilweise planbar. So kann es nichts schaden, einen groben Frage-Antwort-Katalog zu entwickeln, der einheitliche Sprachregelungen zu den Fragen festlegt, die ganz sicher kommen.

Hektik ist kein guter Ratgeber

Wenn es dann ernst wird, ist gute Vorbereitung Gold wert. Denn natürlich gibt es potenzielle und latente Krisen, in denen man noch genug Zeit hat, sich Strategien zu überlegen und erfolgreich zu reagieren. Aber das sind eben die Ausnahmen. Die Regel sind akute Krisen, in denen man kaum Zeit zum Luftholen hat und schnell richtig reagieren muss. Wenn der Bericht mit dem mangelhaften Produkt im Testmagazin veröffentlicht wird, dann berichten am gleichen Tag noch dutzende Zeitungen, Magazine oder TV-Shows. Und alle stellen die gleichen Fragen und erwarten gute Antworten.

Wichtig ist vor allem, nicht in Hektik zu verfallen und nach dem vorab erstellten Plan vorzugehen. Schätzen Sie die Tragweite der Krise ab, beginnen Sie parallel damit, die Ursachen zu beseitigen. Erstellen Sie Texte mit angemessenem Wording, in der Tonalität am besten sachlich und feinfühlig. Vor allem aber: ohne Werbebotschaft!

„Wichtig ist, nicht in Hektik zu verfallen und nach dem vorab erstellten Plan vorzugehen.“

Die Kommunikationstheorie kennt vier strategische Handlungsmuster im Krisenfall: Ablehnen (deny), Schmälern (diminish), Erneuern (rebuild), Verteidigen (bolster). Doch was die Theorie so schön darstellt, muss nicht unbedingt gut sein. Ablehnen (also einen Sündenbock suchen), Schmälern (indem man sich zu rechtfertigen versucht) und Verteidigen (etwa bei Datenpannen sich als Opfer von Cybercrime darzustellen) sind nicht sehr zielführend. Es zeigt sich in der Praxis, dass die Strategie der Erneuerung in den meisten Fällen die richtige ist. Fehler einzugestehen und transparent zu kommunizieren, Mitgefühl für mögliche „Opfer“ des Fehlers zu zeigen ist in jedem Fall richtig. Mindestens genauso wichtig ist es, eine Perspektive, also einen Ansatz aufzuzeigen, um das Problem zu lösen. 

In jedem Fall gilt aber: Nicht kommunizieren ist immer falsch, denn so lassen sie dem Nachrichtenchaos freien Lauf, vervielfältigen sich auf falsche Tatsachen und es gibt keine Chance, die Krise zu kanalisieren und einzufangen.

Niemand wird erwarten, dass alles glatt läuft und von heute auf morgen wieder der Krisenmodus verlassen werden kann. Dennoch lohnt gute Krisenkommunikation immer. Dazu gehört auch eine objektive Analyse danach. Was lief gut, was nicht? Was können wir besser machen? Das zu klären, lohnt sich. Denn eines ist klar: Anders als nach durchgemachter Corona-Infektion ist man nach einer durchlebten Krise nicht immun. Die nächste kommt bestimmt.

Der Autor

Marco Cabras ist Journalist und PR-Fachmann. Als Mitgründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur newskontor berät und unterstützt er Unternehmen und Organisationen, Startups, Mittelständler und Großkonzerne in Kommunikationsfragen.

Krisenkommunikation, Teil 2: Der Störfall beginnt im Kopf...
Newsletter
open close

Der beste Newsletter ever.

Wir versorgen dich täglich mit News, ausgewählten Artikeln und Kommentaren zu aktuellen Themen, die die Finanz-Branche bewegen. Jetzt anmelden!