Zugegeben, die Zeiten für Fintechs sind gerade hart: Sparmaßnahmen, Entlassungswellen und fehlende Investitionen tragen nicht zu guter Stimmung bei. In der Folge ziehen sich viele Fintechs aus der öffentlichen Kommunikation zurück. Das ist ein Fehler, denn Unternehmen, die nichts sagen und nichts kommunizieren, fliegt das in Zeiten von Negativschlagzeilen regelmäßig um die Ohren.
Gerade in Krisenzeiten kommt der Wert langfristiger und professioneller Kommunikation überhaupt erst zum Tragen. Wer sich in guten Zeiten bei Kunden, Mitarbeitern und Investoren keinen (positiven) Namen gemacht hat, hat in der Krise erst recht gelitten.
Vertrauen ist das A und O
Vertrauen ist das wichtigste Kapital eines Unternehmens. Das gilt besonders für die Finanzbranche und in diesen Zeiten mehr denn je: Das Edelman Trust Barometer 2022 zeigt, dass die Deutschen während der Pandemie ihr Vertrauen in Politik und Medien verloren haben und zum ersten Mal eher den Wirtschaftsunternehmen zutrauen, gesellschaftliche Fragen zu lösen.
Diesen Vertrauensvorschuss drohen einige Fintechs gerade zu verspielen. Denn ob und in welchem Maße Vertrauen entsteht, wird vor allem durch die Selbstdarstellung von Unternehmen beeinflusst. Deswegen nimmt die Unternehmenskommunikation eine zentrale Rolle beim Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit ein.
Wer in der Krise plötzlich verstummt, vorher keine gute Kommunikation aufgebaut hat oder gar die fest angestellten Kommunikationskollegen vor die Tür setzt, provoziert Probleme.
Wie müssen Fintechs ihre Kommunikation aufstellen, bevor die Krise kommt?
1. Stellenwert, Funktion und Lebenszyklen von Kommunikation verstehen:
Wer denkt, Kommunikation sei lediglich „nice to have“ und nur dann nützlich, wenn Erfolgsmeldungen zum zweimillionsten Kunden verbreitet werden sollen, der hat nicht verstanden, wie professionelle Kommunikation funktioniert. Strategische Kommunikation ist ein Marathon, kein Sprint.
2. Kommunikationsrollen mit Top-Personal besetzen:
Egal, ob externe oder interne Kommunikation, unsere Branche verlangt nach so viel Fachwissen und Fingerspitzengefühl, dass auf allen Schlüsselrollen erfahrene Top-Leute sitzen müssen. Kommunikation ist kein Werkstudentenjob und es ist ohnehin schwer, gute Leute für unsere Branche zu finden. Die meisten Kommunikationsprofis finden Fintech-Themen einfach nicht sexy.
3. Modernes Kommunikations-Setup schaffen:
Wir leben nicht mehr in der analogen Welt. Obwohl Fintechs Vorreiter in Sachen Innovation und Technologie sind, basiert die externe Kommunikation erstaunlich oft auf Pressemitteilungen und Presseverteilern. Stattdessen sollten Fintechs ihre Botschaften auf die Vielfalt von Kanälen und Zielgruppen zuschneiden und einen 360-Grad-Ansatz verfolgen, der eigene und fremde Kanäle miteinander verzahnt.
4. Professionelle CEO-Kommunikation betreiben:
Laut Edelman Trust Barometer erwarten 70 % der Deutschen, dass CEOs öffentliche Diskussionen zu Wirtschaftsthemen mitgestalten. Die Mehrheit möchte auch, dass sich CEOs zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie Technologie und Automatisierung äußern. Fintech-CEOs sollten sich ihre Vorreiterrolle bei diesen Themen zunutze machen und mit ihrem Expertenwissen und ihren Standpunkten sichtbar werden. Sie sind die wichtigste Klammer für Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft und vermitteln über ihre Kommunikation Vertrauen und Kontinuität.
5. Standpunkte schärfen und vertreten:
66 Prozent der Verbraucher ist es wichtig, dass die von ihnen genutzten Marken zu sozialen und politischen Fragen öffentlich Stellung beziehen und 68 % der Mitarbeiter denken darüber nach, zu einem Unternehmen zu wechseln, das in sozialen und kulturellen Fragen eine deutliche Position bezieht.
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Was müssen Fintechs während einer Krise beachten?
1. Externe und interne Kommunikation verzahnen:
Das ist immer wichtig, aber in Krisen noch wichtiger. Wenn Mitarbeiter Krisen-News zuerst aus der Presse erfahren, sorgt das für Frust. Die interne Kommunikation muss erst die verbleibenden Mitarbeiter auf die Zukunft einschwören, bevor die externe Kommunikation loslegt. Fintechs, die das nicht beachten, können sich auf eine Kündigungswelle einstellen, bei der genau die Top-Talente abwandern, die man eigentlich an Bord halten wollte.
2. Mut zeigen:
Offen mit der Unternehmenskrise umgehen, anstatt abzutauchen. Mitarbeiter reden ohnehin, Medien berichten. In Krisenzeiten sollte nichts beschönigt, aber auch keine Untergangsstimmung vermittelt werden. Um mit den richtigen Botschaften zitiert zu werden, müssen Fintechs schon vor der Krise ein vertrauensvolles Verhältnis zu wichtigen Journalisten aufgebaut haben.
3. Den Fachkräftemangel ernst nehmen:
Es kommen auch wieder bessere Zeiten und eine strategische, langfristige Kommunikation zahlt maßgeblich auf die Arbeitgebermarke ein. Umgekehrt kann schlechte Kommunikation zu einem dauerhaften Bewerbermangel führen.
4. (Krisen-)Kommunikation als ernst zu nehmenden Teil der Wertschöpfungskette begreifen:
Einer unserer Kunden war von der Entlassungswelle betroffen und hat dazu aktiv und transparent kommuniziert. Potenzielle Endkunden hat das nicht abgeschreckt, im Gegenteil: Die Berichterstattung in großen Wirtschaftsmedien hat zu mehr Website-Aufrufen geführt und am Ende sogar zu einer höheren Conversion Rate.
Das beste Produkt bringt nichts, wenn es keiner kennt
Verbraucher setzen sich nicht mit dem Kleingedruckten auf der Produktseite auseinander, erst recht nicht im Finanzbereich. Sie entscheiden sich für einen Anbieter entweder über den Preis oder weil sie sich mit seinen Werten identifizieren können. Deswegen ist es kurzsichtig, sich in Krisenzeiten vor allem auf die Produktentwicklung zu konzentrieren. Das schönste Produkt ist wenig wert, wenn sich potenzielle Mitarbeiter und Kunden nicht mit dem Image des Anbieters identifizieren können.
Daher, liebe Fintechs, kümmert euch darum, dass ihr gute Mitarbeiter habt, die ein zukunftsfähiges Kommunikations-Setup aufbauen, und zwar nicht erst dann, wenn die Krise da ist. Gerade in Krisenzeiten müssen Fintechs in der Lage sein, aktiv zu kommunizieren, sonst wird ihre Öffentlichkeitsarbeit von der Öffentlichkeit bestimmt.
Über die Autorin:
Barbara Klingelhöfer ist Co-Gründerin von Voices PR, Deutschlands erster PR-Boutique für CxOs und Gründer:innen. Zusammen mit Caroline Wahl betreut sie die Öffentlichkeitsarbeit von Führungskräften in Fintechs und Banken und berät Finanzunternehmen zu zukunftsfähiger Kommunikation.