KI rüttelt an den Jobs der Finanzindustrie: Schaffen wir uns ab?

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Gestern verkündete das US-Unternehmen IBM, künftig in seiner Verwaltung auf einen recht großen Teil künstliche Intelligenz (AI) zu setzen. CEO Arvind Krishna erklärte in einem Interview, in den kommenden fünf Jahren könnten 30 Prozent der Back-Office-Stellen durch die KI und Automation ersetzt werden.

Künstliche Intelligenz wird das Berufsleben der Zukunft massiv prägen und viele Jobs werden überflüssig. Auch unsere Industrie wird davon betroffen sein und wir fragen uns: Für welche „traditionellen“ Jobs aus dem Bereich Payments & Banking wird es eng, wenn die KI sich weiterentwickelt?

ChatGPT treibt die Auseinandersetzung voran

ChatGPT zeigt erstmals für die Masse die Einfachheit einer KI-Anwendung. Auch wenn es noch hakt, Informationen von Chat-Antworten teilweise komplett falsch sind, zeigt es den Weg in eine KI-Welt: Eher einfache und repetitive Arbeiten werden von einer KI übernommen, das war schon lange klar. Aber auch die Rollen, die primär aus Analyse und Zusammenstellen von Informationen bestehen, werden schneller und kostengünstiger von einer KI übernommen werden.

Dabei killt die KI an sich nicht die Jobs, sondern die Menschen übernehmen das schon selbst. Job-Rollen, die KI für sich einzusetzen wissen, werden viel produktiver und ersetzen etliche andere Rollen/Menschen aus ihrer „Organisation“ durch Rechner mit KI.

Diese Jobs erfahren massiv Veränderung

Vermögensbetreuer und -verwalter: Robo-Advisor kennen wir schon seit Jahren. Ein einfacher Algorithmus entscheidet über den Anlagemix verschiedener ETFs. Die KI wird diesen Trend zur Automatisierung der Kapitalanlage noch beschleunigen. Sie wird vermutlich auch die Rolle klassischer Vermögensverwalter übernehmen, einen perfekten Mix der Asset-Allokation zusammenzustellen.


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Fondsmanager: Schon seit geraumer Zeit haben Fondsmanager das Problem, dass keiner dauerhaft seinen Benchmark (DAX, MSCI-World etc.) schlägt. Die früheren „Halbgötter“ der Kapitalanlage, an deren Lippen die Anleger in den 1990er und frühen 2000er bei Sendungen wie der Telebörse hingen, haben schon stark an Renommee eingebüßt. Gleichzeitig wird bei den Managementgebühren deutlich mehr zugelangt als beispielsweise bei profanen Index-ETFs. Wie stark sich das auch finanziell fürs angelegte Kapital auswirkt, haben die Hosts des Doppelgänger Podcasts sehr eindrucksvoll in einer einfachen Google-Tabelle zusammengefasst. Auch hier wird die KI diesen Trend noch beschleunigen und Fondsmanager zusehends ersetzen.

Aktienanalyst: Numberscrunching, Aktienkurs- und Bilanzanalyse, um Kauf- oder Verkaufssignale zu identifizieren. Das ist der klassische Job eines Aktienanalysten. Auch hier gibt es heute schon umfangreiche Unterstützung in Form von Algorithmen. Daher werden die Aufgaben von diesen Analysten immer mehr von KI übernommen.

Investmentbanker: Viele der Prozesse im Investmentbanking lassen sich durch KI rationalisieren. Computer haben Trading in den letzten 20 Jahren schon stark automatisiert und auch viele Arbeitsschritte im Investmentbanking lassen sich weiter stark durch eine KI automatisieren. Es wird daher deutlich weniger Investmentbanker geben, die verbliebenen sind aber noch x-fach produktiver als heutige.

Kreditanalyst: Automatisches Scoring von Konsumentenkrediten durch einen Algorithmus gibt es schon lange. Die KI dringt aber immer weiter vor in die Rollen der Kreditanalyse und Kreditentscheidung, die heute noch von Menschen gemacht werden, weil bisher komplexer und anspruchsvoller.

Marketeer: Die Berliner Performance-Marketing-Schule hat das klassische Marketing revolutioniert. Sehr datengetrieben werden die unterschiedlichen Marketingkanäle bespielt, um den Absatz neuer Produkte zu optimieren. Hier setzt sich die Entwicklung mit KI auch fort und viele Arbeitsschritte im Marketing im Financial Services werden weiter rationalisiert und optimiert durch die KI.

Kundenberater und Customer Support: Auch wenn Chatbots bisher oft ein ganz großer Krampf waren, zeigt ChatGPT eindrucksvoll, wie eine gute chatbasierte Interaktion auch in komplexeren Fällen erfolgen kann. Auch hier werden viele klassische Rollen der normalen Kundenbetreuung auf eine KI verlagert.

Viele Financial Services und Backoffice-Rollen in Treasury, Processing, Risk-, Projektmanagement, Compliance, Accounting, HR, Legal können durch die KI weiter automatisiert und rationalisiert werden. Auch hier gilt: Die Funktionen werden nicht verschwinden, sondern Rollen werden automatisiert und rationalisiert werden und am Ende werden weniger Menschen viel produktiver in den Rollen eingesetzt.

Externe Dienstleister / Outsourcing-Rollen: Die übliche Auslagerung von standardisierten (Backoffice)-Geschäftsprozessen an externe Dienstleister, die solche Arbeiten im Near-/Offshoring im Ausland durchführen, wird von diesen Dienstleistern noch mehr standardisiert von einer KI statt Menschen durchgeführt. Alternativ dreht sich das Outsourcing-Rad wieder zurück und die Tätigkeiten werden von der „hauseigenen“ KI des Finanzdienstleisters günstiger übernommen.

Fazit

Die Jobs und Tätigkeiten werden sich evolutionär weiter entwickeln. Wie so oft bei neuen Technologien, wird derjenige profitieren, der in der Lage ist, diese smart einzusetzen. Es wird ein „weiter wie bisher“ nicht mehr geben. Aber: Gerade im Financial Services Bereich geht es weiterhin stets um Vertrauen – und dieses ist mit Maschinen nur schwer zu vermitteln. Das Persönliche wird der Gegenpol einer durch Technologie getriebenen Entwicklung sein. Dort, wo aber Vertrauen keine Rolle spielt, wird AI den Markt ändern.

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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