Jeder kennt das Zitat von Steve Jobs – „Wenn wir uns nicht selbst kannibalisieren, wird es jemand anderes tun“ – es hat ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel. So simpel und einfach es ist, so schwer scheint die Umsetzung. Vor allem in der deutschen Banking Landschaft. Der Eindruck ist, man hat die Gefahr erkannt, man fängt an, die Voraussetzungen sind da (Budget, Ressourcen, Zeitpunkt, oft auch der politische Wille).

Nur was ist passiert (oder auch nicht):

  • Die Commerzbank beerdigt Copernicus (“Wir können nicht alles auf einmal machen.”) und hat mit der ComDirect Ihren internen Wettbewerb – aber nicht konsequent – die Hoffnung mBank bleibt in Polen
  • Über MainFunders spricht die Commerzbank lieber gar nicht mehr
  • Yomo dümpelt vor sich hin
  • Die DeuBa stellt ihr digital Bank ein bevor sie überhaupt angefangen hat
  • Die SPK hält am regional Prinzip fest
  • Paydirekt… naja Paydirekt halt…
  • Die VR Banken – irgendwas mit der Reisebank
  • Die HVB ?

André M. Bajorat

In der Tat ein spannendes Thema und für die Älteren unter uns kann man sicher eine Parallele zu den End 90ern ziehen. Damals waren es keine Challenger Banken, sondern eher Online-Broker die nahezu bei allen Banken bzw. Bankengruppen entstanden.
Aus dieser Zeit sind ein paar Stars übrig geblieben und Player wie Comdirect und Cortal Consors haben sich im Laufe der Jahre zu reinen Online Playern mit einem fast kompletten Produktangebot einer klassischen Bank entwickelt. Andere damals entstandene Angebote, wurden im Laufe der Jahre wieder in die Mutterinstitute integriert. Beispiele sind die Deutsche Bank24, Maxblue oder auch der S-Broker.

Warum weise ich darauf hin:
Ich denke der eine oder andere Manager wird diese Erinnerung auch noch im Kopf haben und sich die Frage stellen, was nun die passende Strategie ist:

  • digitale Angebote in das bestehende Unternehmen integrieren bzw. aus den Unternehmen bauen oder
  • ein komplett neues Angebot mit dem Aufbau einer neuen Marke oder sogar eines Unternehmens.
Kannibalisierung im Banking

Beides hat seine Vor- und Nachteile und den Königsweg scheint es nicht zu geben.

Allerdings kann man mindestens noch einen dritten Weg einschlagen:

  • Ich nenne ihn mal den BBVA Weg: Den Kauf von neuen digitalen Angeboten, die im Anschluss weitestgehend eigenständig weitergeführt werden (simple, Holvi) und man die Learnings in der Bank aufnimmt und zugleich die Erfolge der Akquisitionen mitnimmt.
  • Einen ähnlichen Weg ist in einer anderen Industrie bereits Axel Springer gegangen (hier ein Interview dazu bei OMR: https://omr.com/de/christoph-keese-omr-podcast/). Bewusstes Investment bzw. Übernahme von disruptiven Angeboten, die das Potential hatten, das eigene Kerngeschäft anzugreifen. Also nach Jobs: Kaufe bzw. investiere in den, der dich überflüssig machen will und profitiere von seinem Erfolg oder mache es zu deinem Eigenen. In diese Kategorie kann man wohl auch die aktuelle Meldung packen, das die MunichRE das IOT-Startup Relayr übernommen hat.

Jochen Siegert

Das Thema ist ja nicht neu: Der bekannte Harvard-Professor für Wirtschaftswissenschaften Clayton Christensen hat es schon im Jahr 1997 in seinem berühmten Buch “The Innovator’s Dilemma: When New Technologies cause great firms to fail” beschrieben. Schon damals zeigte er, daß es großen Unternehmen schwer fällt sich selbst zu kannibalisieren mit Lösungen die (kurzfristig?) weniger Deckungsbeitrag als der Status Quo bringen. Über 20 Jahre nach Veröffentlichung des Buchs tappen Manager in Großkonzernen immer und immer wieder in die alten gleichen Fallen.

Kannibalisierung im Banking

Da die Herren in den höheren Etagen der Frankfurter Banktürmen sich jetzt plötzlich nicht mehr als Banker sondern Technologiemanager bezeichnen, lässt sich ein schöner Vergleich ziehen, wie “wahre” Technologiemanager mit dem Innovators Dilemma umgehen: Steve Jobs kannibalisierte den iPod mit dem iPhone und es war damals eine extrem gewagte Wette, wie damalige Kommentare bei der Veröffentlichung des iPhones zeigten. Die GAFAs lösen das Problem unter anderen durch viele Acquisitionen von innovativeren Unternehmen, deren Teams und Technologie sie dann integrieren. Gleiches macht PayPal z.B. seit Jahren: StartUps, die das Unternehmen kannibalisieren, weil PayPal selbst zu langsam ist und operativ identische Produkte nicht auf die Straße bringt, übernimmt der Onlinepaymentmarktführer seit Jahren und betreibt die Produkte z.T. in interner parallel Konkurrenz weiter:

  • BillMeLater wurde übernommen weil PayPal Credit nicht performte
  • Braintree mit der Tochter Venmo wurde übernommen, weil das PayPal PSP-Produkt und P2P Payment nicht so gut performte
  • iZettle wurde übernommen, weil PayPal Here nicht performte
  • Xoom wurde übernommen weil die PayPal Remittance-Piloten nicht performten…
  • und viele Beispiele mehr…

PayPal will systematisch den Markt besetzen und wenn es wegen des Innovator’s Dilemma nicht über in-house Initiativen funktioniert, dann kaufen sie einfach zu, bevor der neue Wettbewerber selbst zu groß ist und wirklich gefährlich wird. Was passieren kann, wenn man zu lange zögert und einen Markt nicht besetzt, erkennen die “neuen” Technologiekonzern-CEOs aus Frankfurt derzeit: Während die Deutsche Bank aus dem Euro Stoxx 50 absteigt und die Commerzbank aus dem DAX, steigt Wirecard in den DAX ein und PayPal ist höher bewertet als alle börsengelisteten deutschen Banken zusammen – beide sind aktiv und erfolgreicher in einem traditionellen Kerngeschäft der Großbanken: Zahlungsverkehr.

Was bedeutet das alles für die Banken bei uns? Statt reinem Digitalisierungsmarketing mit Kleingeld (aka Mini-Beteiligungen in kleine, noch nicht skalierte StartUps), sollten die Banken dem Beispiel der US-Techkonzerne folgen: Wenn ein StartUp Traktion hat und eine wahre, fühlbare Kannibalisierung darstellt, sollten die Banken zukaufen, integrieren oder in interner Konkurrenz weiter betreiben. Gescheiterte digitale In-House-Proiekte kosten am Ende viel mehr Geld (Berater, Opportunitätskosten, Investitionskosten) und bringen deutlich weniger Return.

Maik Klotz

“Das haben wir schon immer so gemacht”, haben bekanntermaßen die Maya schon gesagt. Was aus der Hochkultur wurde, ist weitestgehend bekannt. Und bei traditionellen Banken passiert etwas sehr ähnliches, Veränderung bzw. die eigene Neuerfindung fällt schwer. Wie in der Sparkassen Werbung, macht irgendwas mit Fähnchen. Veränderung bedeutet Schmerz und den Mut zu scheitern, beides fehlt leider immer wieder oder immer noch. Meiner Meinung nach gibt es ein Patentrezept und das heißt vor allem “machen”. Raus aus der Schockstarre, weg vom Buzzword-Bingo, aufhören sich selbst zu beweihräuchern und einfach machen. Ob man sich das einkauft, oder selbst neu aufbaut in jedem Fall muss man machen und ganz wichtig “machen lassen”. Es nützt nichts sich ein Team von Digitalen Rockstars, Business Punks oder Bullshit Linguisten einzukaufen, nur um sich damit zu schmücken. Es braucht Experten, die man machen lässt unabhängig davon ob es ein eigenes Team ist oder gekauftes Fintech. Und bevor es wieder die “Ja, aber”-Stimmen gibt: es gibt kein aber. Punkt.

Kannibalisierung im Banking

Kannibalisierung im Banking

Fazit

Kannibalisierung ist kein Sprint – nicht mal ein 400 m Lauf – es ist lange und mühsam, so wie der Markt eben ist (sowohl der interne als auch der externe). Und Kannibalisierung findet im Kopf und in den Beinen statt. Eine Aussage reicht nicht, das Doing dahinter ist essentiell.
Der Vergleich mit einem StartUp ist offensichtlich, wenn der Enthusiasmus verpufft ist, braucht man Durchhaltevermögen und Steherqualitäten. Und das in einem Corporate Setup oft nicht einfach, da gibt es oft Opportunities, die leichter zu erreichen sind. Selten wird der Kannibale im Vorfeld belohnt.
Ich würde mir mehr Anspruch in der Kanibalisierung wünschen, mehr Konsequenz und v.a. mehr Durchhaltevermögen. Es ist immer noch “zu einfach” etwas klein zu reden.

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