Ist der mobile Boom und die Zeit der App Stores vorbei?

Ist der mobile Boom und die Zeit der App Stores vorbei?

Es gab mal Zeiten, in denen habe ich nahezu täglich eine neue mobile App installiert. Das Apple Motto ‘there is an App for that’ war Ende des letzten Jahrzehntes allgegenwärtig. Ob Produktivitätstools, Banking, Payment, Spiele oder einfach Wetter-Apps. Nahezu täglich gab es was Neues zum Ausprobieren und Installieren. Aber irgendwie ist das bei mir vorbei, obwohl meine mobile Nutzung sich sicher nicht reduziert hat.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte mal im App Store umgesehen habe. Klar, Updates mache ich und wenn ich reise sind es auch manchmal Apps die man dann vor Ort braucht, die dann geladen werden.

Twitter-Umfrage von letztem Sonntag – die Kommentare waren zudem geprägt von Companion Apps (also Apps zur Steuerung von anderen devices wie Roller oder smart Home) oder Apps die an bestimmten Orten / bei speziellen Einsatzfällen wie Urlaub benötigt werden. Sind alle Apps erfunden? Haben wir alles schon gesehen und sind alle Kategorien bereits von Leadern belegt?

Wie sieht es denn im Team aus? Ich habe mal gefragt und wollte wissen, wie sich eure Erfahrungen mit den App Stores sich entwickelt haben.

Jochen Siegert

Sind alle Apps schon erfunden? Nein! Siehe die ganzen eRoller-Apps, die in den letzten Wochen nach Zulassung der Roller neu auf unsere Smartphones kamen. Auch musste ich sehr widerwillig (dank PSD2) in den letzten Wochen etliche neue Banking-Authentication-Apps neu installieren. Aber die große explorative Phase neuer Apps ist erst einmal vorbei. Mein Homescreen mit den wichtigsten und meistgenutzten Apps ist extrem stabil und da tut sich sehr wenig. Ich denke aber: Für einen Abgesang des App-Stores ist es noch viel zu früh. Dennoch zeigt sich, dass die App-Stores neben Apple App & Google Play-Store irgendwie nicht skalieren, auch bei den mächtigen Anbietern.

Apples getrennte App-Stores im Messenger im AppleTV und im Mac für MacOS sind irgendwie nie richtig abgehoben. Gleiches gilt für die Medien-Stores von Apple für Filme, Bücher, Zeitschriften – alle gelauncht, aber die Nutzung ist eher bescheiden und der Trend geht ohnehin zu Abomodellen sowohl bei Medien, als auch Gaming-Apps. Daher: Konsolidierung ja, aber “weggehen” nein und ob sich “Superapps” wie in China hier etablieren, davon gehe ich aktuell nicht aus.

Apples getrennte App-Stores im Messenger im AppleTV und im Mac für MacOS sind irgendwie nie richtig abgehoben. Gleiches gilt für die Medien-Stores von Apple für Filme, Bücher, Zeitschriften... Alle gelauncht, aber die Nutzung ist eher bescheiden und der Trend geht ohnehin zu Abomodellen sowohl bei Medien, als auch Gaming-Apps. Daher: Konsolidierung ja, aber “weggehen” nein und ob sich “Superapps” wie in China hier etablieren, davon gehe ich aktuell nicht aus.

Maik Klotz

History Repeating. Ende der 90er haben wir die gleiche Diskussion geführt. Damals, als Software noch als Programme galten und nicht als Apps. Zwei Dinge sind passiert: Die Boardmittel der Smartphones oder Systeme erfordern immer weniger eine Drittanbieter-App. Wozu sich eine Mobile Payment App laden, wenn das Smartphone das von Haus aus mitbringt? Kurzum: Smartphones und deren Betriebssysteme werden immer besser. Es braucht heute keine Foto-App mehr um das Bild noch besser zu machen, es ist bereits gut. Auch ist der Boom der Anfänge vorbei, das Smartphone kein unbekanntes Wesen und man muss weniger ausprobieren.

Nutzer suchen gezielt eine App für ein Problem, die Zeit des wilden Ausprobierens ist vorbei. Sterben deswegen mobile Apps aus? Nein. Alle Prognosen, das bis 2012/13/14/15 usw. mobile Apps aussterben haben sich nicht bewahrheitet. Es hat sich konsolidiert. Und für mich gilt noch immer: „There is an App for that.“ Laut meiner Einkaufsstatistik im App-Store wurden 2019 knapp 250 Apps geladen – meinem Sohn sei Dank. Denn Spiele sind ja auch Apps.

Kilian Thalhammer

Ist der mobile Boom und die Zeit der App Stores vorbei?

Der Gartner Hype Cycle lässt grüßen – es gibt eine Konsolidierung. Nicht die Anzahl der Apps zählt, sondern Tiefe und Kundenutzen. Klingt trivial, hat man aber auch schon mal gehört. Es setzt sich nur durch, was dem Kunden nutzt und der Kunde auch greifen kann. Die Anzahl der wirklich im “relevant Mindset” befindlichen Apps ist begrenzt.

Unsere Auffassungsgabe ist endlich. Die “Umschlaghäufigkeit” hat sich auch bei mir sehr stark reduziert. Aber die Erwartungshaltung, dass die Apps selber innovativ und neuartig bleiben steigt. Keine “Fire & Forget”-Entwicklung mehr. Langfristige Roadmaps sind die Erwartungshaltung. Der App Store als Infrastruktur ist weiterhin ein wichtiger Bestandteil. Es geht nun nicht mehr um Masse, sondern um Relevanz. Was kann ihm gefährlich werden: Apps die selber den Anspruch haben ein App Store zu sein ==> Super Apps.

Das Risiko, dass der App Store mehr und mehr mit dem darunterliegenden OS “eins wird” und damit gar nicht mehr als expliziter Bestandteil des Ökosystems wahrgenommen wird und er sich selber, weder funktional noch im Sinne des Services, weiter entwickelt, kann zu neuen “App Stores” führen. Das Prinzip an sich hat immer eine Daseinsberechtigung. Die konkrete Umsetzung wird sich innerhalb der Wertschöpfung verschieben. Apple und Google haben kein Monopol auf Ewigkeit.

Das Prinzip an sich hat immer eine Daseinsberechtigung. Die konkrete Umsetzung wird sich innerhalb der Wertschöpfung verschieben. Apple und Google haben kein Monopol auf Ewigkeit.

„Apple und Google haben kein Monopol auf Ewigkeit.“

Miriam Wohlfahrt

Früher habe ich mir immer die Top Apps im App Store angeschaut und oft zum Testen installiert. Das habe ich schon ewig nicht gemacht. Heute lade ich eine App, wenn ich das

a) aus Convenience-Gründen brauche ( z.B. Event App oder Airline-CheckIn)

b) ich aus anderen Gründen mehr oder weniger gezwungen bin, z.B. Teilnahme an einem virtuellen Meeting oder wegen PSD2 ( „Whereby“ und Banking-Authentication Apps) und

c) wenn mir meine Tochter weitere Funkionen für Instagram zeigt („Repost“)

Die Anzahl der von mir genutzten Apps ist noch überschaubar und passt auf zwei Screens. Eine SuperApp vermisse ich nicht. Was ich nicht brauche, lösche ich.

Autor

  • André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager. Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto. Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.

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