Wie viel Innovationsfreude gibt es bei den Retailbanken?

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Geht den Banken die Innovationsfreude aus? Darüber müssen wir dringend sprechen. Als in der letzten Woche Apple Pay in Deutschland startete, war das für viele Konsumenten kein Grund zur Freude. Kunden von zum Beispiel der Sparkassen, und Volks- und Raiffeisenbanken sind erst einmal außen vor. Gerade die großen “Volksbanken” wie z.B. Sparkasse und Volks- und Raiffeisenbank haben sich nämlich bisher nicht dazu hinreißen lassen Apple Pay zu unterstützen. Das Gleiche gilt für das im Sommer gestartete Google Pay. Das ist in so fern traurig, da über 35 Millionen Online Banking Kunden der Sparkassen-Finanzgruppe und der Volks- und Raiffeisenbanken einen Großteil der Bankkunden in Deutschland ausmachen. Anders ausgedrückt: Die meisten Deutschen können weder Apple Pay noch Google Pay mit ihrer Hausbank nutzen. Dem Frust darüber haben nicht wenige Nutzer freien Lauf gelassen und in den sozialen Kanälen ging es entsprechend zur Sache.

Für einen kurzen Moment konnte man eine Erschütterung der Macht spüren und die Sparkasse sah sich gar genötigt eine Pressemitteilung zu veröffentlichen – nur um sie dann später zurückzuziehen. Darin war zu lesen: “Letztendlich sollten Smartphone-Zahlungen auf allen Endgeräten möglich sein, ohne technische Hürden und Restriktionen, damit Kunden problemlos die für sie passende Lösung auswählen können“. Anders ausgedrückt: Apple soll die NFC Schnittstelle der iOS-Geräte Dritten zugänglich machen, damit alternative Bezahlverfahren eine Chance haben. Das Konsumenten vielleicht gar keine weitere App nutzen, sondern alles gesammelt in den Wallets von Apple und Google haben wollen, auf die Idee kam man augenscheinlich nicht. Stattdessen überlegt man daran, wie man Apple zwingen kann bestimmte Schnittstellen offenzulegen. Diese Vorgehensweise ist leider exemplarisch für ein fehlendes Verständnis der Bedürfnisse der eigenen Nutzer.

Wie viel Innovationsfreude gibt es bei den Retailbanken?
Photo by Skye Studios


Fernab von Apple Pay und Co – wie innovativ sind Retailbanken?

Wenn hier von Retailbanken die Rede ist, dann vor allem von den beiden großen Gruppen: Sparkasse und Volks- & Raiffeisenbank. Und um es vorwegzunehmen: es gibt die Lichtblicke und auch immer wieder bemerkenswert positive Entwicklungen. Insbesondere der Vorstoß einiger Sparkassen wie z.B. der HASPA, mit dem alternativen Kontenprodukt YOMO. Auch das jüngst gemeldete Investment der Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken in den Identitätsdienst Yes, gehört zu den bemerkenswerten Entwicklungen. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Projekte einiger Einzelkämpfer, wie zum Beispiel die Sparkasse Siegen, die schon vor Jahren zusammen mit Bluecode einen Feldversuch an der hauseigenen Uni Mensa startete, sondern mit der “Mastercard Red” eine echte Konkurrenz zur girocard testet: eine Debit-Mastercard (DMC), bei der Umsätze tagesaktuell vom Girokonto gebucht werden. Auch einige Gehversuche bei der Unterstützung von Sprachassistenten wie Alexa & Co der Volks- und Raiffeisenbanken gehen in die richtige Richtung.

Machen diese Lichtblicke eine Bank “innovativ”? Sicher nicht. Genauso wenig ist eine Bank innovativ, wenn sie einen Dienst wie Apple oder Google Pay unterstützen. Aber eine Verweigerung gegenüber solchen Themen, führt ganz sicher nicht beim Kunden zum Eindruck, bei einer Bank, welche neue technologische Entwicklungen ignoriert, gut aufgehoben zu sein. Schaut man sich die Entwicklungen der letzten 10 Jahre an, dann waren es eben nicht die Retailbanken welche die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft richtig eingeschätzt haben:

  • Die erste Banking App im Appstore kam von Outbank, iControl und Co.. Erst sehr viel später setzten Banken auf Apps.
  • Multibanking wurde über Jahrzehnte ignoriert, das Gleiche gilt für einfache Features wie zum Beispiel eine automatische Kategorisierung von Umsätzen.
  • Statt auf Kreditkarte oder Maestro zu setzen, pusht man die Insellösung Girocard
  • Im Bereich der Online-Bezahlverfahren hat man erst PayPal freien Lauf gelassen, um dann, ein Jahrzehnt zu spät, mit viel Anstrengungen paydirekt ins Leben zu rufen. Der Erfolg lässt bekanntermaßen auf sich warten.
  • Mobiles Bezahlen wurde erst gänzlich ignoriert um, statt zum richtigen Zeitpunkt auf Google oder Apple zu setzen, was eigenes zu machen.
Wie viel Innovationsfreude gibt es bei den Retailbanken?
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Inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet und die sogenannten Challenger Banken bieten immer mehr nutzenstiftende Funktionen und damit wird auch der Takt vorgegeben. Für die traditionellen Retailbanken führt das zu einem immer größeren Abstand zum Kunden. Der hat inzwischen mitbekommen, dass das Gras auf der anderen Seite des Flusses nicht nur grüner ist, sondern auch besser schmeckt. Es gibt Gründe warum sich Banken wie N26, Solaris, Revolut oder bunq immer größerer Beliebtheit erfreuen. Und diese Gründe fangen bei der Antragsstrecke an, gehen weiter, wenn es um Kontofunktionen geht und hören nicht auf, wenn man sich die Gebührenstruktur anschaut. Das Gros der Bestandskunden der großen Retailbanken scheint das alles hinzunehmen – vielleicht auch mangels Wissen um Alternativen. Die Gefahr aber ist, dass irgendwann ein Kontowechsel so einfach wird wie der Wechsel zu einem Stromanbieter. Wenn so etwas als Werbung zur Prime Time im TV läuft, könnte es spannend werden.

Ausnahmen

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Photo by Ian Schneider

Es gibt sie, die Retailbanken, die anders agieren. Und das berühmte Zitat: “Unter den Blinden ist der Einäugige der König”, würde dem Sachverhalt nicht gerecht werden.

Auch wenn bei diesen Ausnahmen sicher noch Luft nach oben ist. Trotzdem darf nicht unerwähnt bleiben, dass z.B. die DKB schon immer und sehr früh die Nähe zu Fintechs gesucht hat, um gemeinsam voneinander zu lernen. Auch die digitale Offensive der Deutschen Bank hat gezeigt, dass eine große Bank auch anders kann. Die Integration von Apple Pay in die Deutsche Bank App ist hervorragend gelöst. Auch die Fidor Bank zeigt mit Produkten wie der “Fidor SmartCard” oder der Zusammenarbeit mit Bitcoin.de wie offen und interessiert eine Bank an Zukunftsthemen sein kann. Oder Wirecard, die mit Produkten wie boon genau die Lücke schließen, die andere Banken erst aufgemacht haben. Ein weiteres Beispiel ist Kontist, welche ein einzigartiges Produkt für Selbstständige geschaffen haben und damit auch noch ein echtes Problem lösen. Das sind zwar nicht die einzigen Beispiele, genau diese zeigen aber, dass es eben auch anders gehen kann.

Fazit

Das alles ist nichts Neues. Das alles haben wir auch immer wieder betont. Und trotzdem wundert es, wie manche Entscheidungen getroffen werden und vor allem warum sie so getroffen werden? Nachvollziehbar ist das nicht immer…

Unter www.wirmachendasmitdenfaehnchen.com haben wir eine Online-Petition gestartet, von der wir jetzt schon wissen, dass sie kontrovers aufgenommen wird.

Und trotzdem möchten wir den Versuch wagen und schauen ob wir gemeinsam etwas erreichen können. Es geht nicht nur um den fehlenden Support eines mobilen Bezahlverfahrens. Es geht um etwas sehr viel Generelleres. Das große Ganze. Und darüber möchten wir mit allen Beteiligten an einem Roundtable diskutieren. Braucht es dazu eine Unterschriftenliste? Nein. Schadet es? Sicher nicht.

Autor

  • Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail mit starkem Fokus auf „mobile“. Seit vielen Jahren berät Maik Unternehmen zu kundenzentrierten Innovationsmethoden und der Fokussierung auf den Nutzer. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche portraitiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Imker.Maik ist Co-Founder von Payment & Banking und ist im Team mitverantwortlich für Marketing, Strategie und Events, insbesondere der Transactions.io

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