Das deutsche Lieferkettengesetz soll laut Entwicklungsminister Gerd Müller ein „Meilenstein zur Durchsetzung der Menschenrechte in globalen Lieferketten“ sein – ein hehrer Anspruch. Es soll, wie es die Regierungskoalition in Deutschland jüngst beschlossen hat, Unternehmen dazu verpflichten, in allen Phasen ihrer Produktions- und Lieferkette im Ausland die Umwelt- und Arbeitsrechtsbedingungen einzuhalten. Gut auch für Anleger. Nun muss noch ein verhängnisvoller Trend verschwinden.
Das bedeutet: Durch das Lieferkettengesetzt soll immer transparent sein, wo eine Ware herkommt, wie sie produziert wird und von wem. Es geht um Umwelt-, um Sozialstandards. In einem Wort: Um Nachhaltigkeit. In diese Richtung zielt auch das Urteil eines niederländischen Gerichts. Das hatte zuletzt den Ölkonzern Royal Dutch Shell verurteilt, seinen Kohlendioxidausstoß zügiger und ambitionierter zu senken als es das Unternehmen selbst vorsah.
Die Finanzindustrie macht mit – aber …
Angepeilt hatte der Konzern bisher eine Senkung um 20 Prozent bis 2030. Das Gericht fordert eine Reduktion der Emissionen aus Öl- und Gasförderung und auch aus dem folgenden Verbrauch um 45 Prozent – Vergleichsmaßstab ist 2019. Urteil und Gesetz machen eines deutlich: Die Staaten machen Druck in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Die Finanzindustrie zieht mit. Was die Sache aber nicht einfacher macht.
Grün ist nicht grün genug
Nachhaltige Investments sind gefragt. Allein für das erste Quartal dieses Jahres protokolliert der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) 254 Milliarden Euro, die entsprechenden Fonds zugeflossen sind. Weltweit sollen es bis 2025 53 Billionen Euro sein, rund 43,5 Billionen Euro.
Schöne grüne Welt? So einfach ist es nicht. Immerhin geht es längst nicht mehr nur um den Aspekt der Umwelt. Nachhaltigkeit bedeutet im Kern, dass Unternehmen auf drei Kriterien bei ihrer Arbeit achten: Auf die Umwelt, das Sozialgefüge und das eigene unternehmerische Wohlverhalten. Dafür hat sich das Kürzel ESG eingebürgert.
Darüber hinaus ist es gar nicht so einfach zu erkennen, wie nachhaltig ein Unternehmen arbeitet. Vor dieser Aufgabe stehen auch Profiinvestoren. Viele lagern diesen Job zumindest zum Teil aus, indem sie externe Experten einschalten. Deren Aufgabe: Nachhaltige Unternehmen aus dem Aktienuniversum herausfiltern – zum Beispiel, indem sie Nachhaltigkeitsratings verleihen. Und nur unter denen kann der Finanzexperte auswählen. Die Frage indes bleibt, wie breit die Maschen des Filters sind. Der best-in-class-Ansatz beispielsweise fischt jene Unternehmen als nachhaltig heraus, die im Vergleich zur Konkurrenz in Sachen ESG punkten – was aber nicht zwingend bedeutet, dass diese Unternehmen auch absolut betrachtet nachhaltig sind. Andere Investoren wiederum schließen von vornherein bestimmte Wirtschaftssektoren als nicht nachhaltig aus.
Lieferkette heißt: Alle Verzweigungen eines Unternehmens kennen
Was sich leicht liest, ist eine Kärnerarbeit. Denn sie bedeutet, über alle Verzweigungen innerhalb eines Unternehmens Bescheid zu wissen. Beispiel gefällig: Der norwegische Staatsfonds hat sich seit langem die nachhaltige Geldanlage auf die blauweißrote Fahne geschrieben. Doch Anfang 2009 erklärte er, sich von Beteiligungen an Textron und Barrick Gold getrennt zu haben. Textron, weil das Unternehmen auch Streumunition herstelle, Barrick aus Umweltgründen.
Wenn also professionelle Investoren nicht immer das nachhaltig richtige Händchen haben, ist das für Privatanleger noch schwieriger.
Ist das Lieferkettengesetz eine saubere Sache?
Dazu kommt der Effekt des so genannten Greenwashings. Dahinter verbirgt sich der Befund, dass manche Unternehmen sich gezielt grüner geben als sie eigentlich sind – eben ein wenig grüne Tünche auftragen.
Präziser ist dabei eigentlich der Begriff „Sustainabilitywashing“, denn es geht um ein nachhaltigeres Gewand, um E, S und G. Und in jedem dieser Felder ist es für Unternehmen verlockend, gut dazustehen. Immerhin erklären 58 Prozent der Konsumenten laut InRiver, sie würden ihr Kaufverhalten zugunsten nachhaltiger Produkte überdenken.
Greenwashing ist es auch, was nachhaltige Investoren am meisten fürchten, zeigt eine Erhebung von Quilter Investors.
Bei Geldanlage steht mehr auf dem Spiel
Doch während es beim Verbraucher nur um eine verkorste Kaufentscheidung geht, eines T-Shirts etwa oder eines Toasters, steht bei der Geldanlage mehr auf dem Spiel. Denn nachhaltige Anlagen liefern den Investoren neben dem guten Gewissen auch noch einen ganz greifbaren Vorteil. Studien etwa vom Indexanbieter MSCI haben gezeigt, dass nachhaltige Unternehmensführung die Risiken einer Anlage senkt. Mehr noch: Mit einem guten Nachhaltigkeitsrating gehen oftmals höhere Dividenden und eine höhere Profitabilität einher.
Es lohnt sich also, nachhaltig zu wirtschaften. Zumal Europas 750-Milliarden Euro schwerer Aufbauplan eben auch in Richtung Nachhaltigkeit drängt und der Idee mit dem Lieferkettengetz weiteren Schwung verleihen dürften. Nachhaltigkeit – ein hehrer Anspruch? Sicherlich. Aber längst auch viel mehr.