In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Melanie Gabriel von Yokoy unsere Fragen.
Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?
Dürfen wir vorstellen: Melanie Gabriel von Yokoy.
Wer bist Du, was machst Du?
Ich bin Melanie Gabriel, Mitgründerin und CMO des Schweizer FinTech Unternehmens Yokoy. Yokoy automatisiert das Ausgabenmanagement für mittlere und Großunternehmen mit künstlicher Intelligenz, indem es das Spesenmanagement, die Rechnungsverarbeitung und intelligente Firmenkreditkarten in einer einzigen intuitiven Plattform vereint.
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
Einen klassischen Tag gibt es so nicht. Da die Tage in einem Start-up meist lang sind, versuche ich möglichst oft am Morgen vor der Arbeit Sport zu machen. Anschließend fängt der Tag mit einem kurzen Stand-up Meeting mit meinem Team an. Alles ab da bis zum Abend ist abhängig von den Prioritäten, die grad anstehen.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Die Payment- resp. Bankenwelt sah ich lange Zeit nur als riesigen und trägen Koloss, dem ich nicht wirklich was abgewinnen konnte. Erst das Aufkommen von FinTechs wie Stripe, Revolut, Wise oder Robinhood haben meine Neugierde gepackt und mich seitdem nicht mehr losgelassen.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Das war wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Open-Banking-Bewegung und der Erkenntnis, dass Banken vor allem Datenbanken sind und dieser Zustand eigentlich schon lange anhält. In der Schweiz haben die Großbanken als erste Privatunternehmen Mitte der 1950er Jahre angefangen, ihre Buchhaltung zu computerisieren. In jüngster Vergangenheit hat sich in der Banken-Informatik aber etwas Grundlegendes verändert: Die Banken mussten ihre Datenbanken öffnen. Man nennt das Open Banking. In der EU wird diese Öffnung durch gesetzliche Vorgaben geformt, in der Schweiz setzt man auf die Marktkräfte. Ich sehe hierzulande bei den großen Banken in Sachen Open-Banking eine gewisse Zurückhaltung. Zu dieser Einschätzung kommt auch eine aktuelle Studie des Institute of Financial Services Zug (IFZ), das der Hochschule Luzern angehört. Es sind eher die jungen FinTech-Firmen, die das Open Banking voranbringen.
Wie definierst Du FinTech?
FinTech ist ein Teilbereich der Informatik. Es geht darum, Lösungen zum Nutzen der Finanzbranche und ihrer Kunden zu entwickeln. Von diesen Lösungen wird erwartet, dass sie innovativ sind und herkömmliche Prozesse und Dienstleistungen grundlegend verändern.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Ich sehe die etablierten Firmen nicht unbedingt im Vorteil. Dass eine Firma länger am Markt präsent ist, heißt nicht, dass sie ihren Kunden auch bessere Services bietet. Ein großes Potenzial sehe ich jedoch in der Zusammenarbeit zwischen etablierten Playern, die über das Netzwerk, eine starke Brand und das Knowhow verfügen, während FinTechs die Innovationskraft und Flexibilität einbringen.
Was kann man von FinTechs lernen?
Innovationskraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Es ist nicht zwingend so, dass Ausgaben für Hard- und Software eine Produktivitätssteigerung mit sich bringen. Denn es geht bei der Digitalisierung nicht einfach nur um Hard- und Software, sondern auch um Organisationsstrukturen und um Geschäftsprozesse. Es geht auch um Menschen. Wenn man einen ineffizienten Prozess digitalisiert, hat man einen digitalisierten Prozess, der ineffizient ist. Wenn ein Handwerksbetrieb, in dem von Hand Autos zusammengebaut werden, elektrisches Licht einführt, heißt das nicht, dass er nun besser bestehen kann gegen eine Autofabrik, bei der elektrischer Strom ein Förderband antreibt, das die Grundlage bildet für eine hocheffiziente, arbeitsteilige Produktion.
Große Firmen tun sich oft schwer mit der Digitalisierung, nicht weil es an Geld oder an technischem Fachwissen fehlt, sondern weil die Organisationsstrukturen und die Geschäftsprozesse sehr komplex sind. Und weil die Computertechnik manchmal nicht in der Lage ist, sich diesen Bedingungen anzupassen. Es kann manchmal sinnvoll sein, in Hinblick auf eine Digitalisierung Prozesse und Strukturen zu verändern. Manchmal ist das aber nicht möglich, und dann muss die Informatik flexibel sein.
Was macht deinen Job täglich interessant?
Abwechslung. Kein Tag sieht wie der andere aus. Wenn man so schnell wächst wie wir, sieht mein Job heute nicht mehr so aus wie noch vor ein paar wenigen Monaten und wird in einigen Monaten wieder komplett anders aussehen. Das bedeutet auch, dass man sich ständig neue Dinge beibringen, noch höhere Berge erklimmen und kreative Wege für neue Probleme finden muss – als unendlich neugieriger Mensch ist das genau mein Ding.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Wenn es im FinTech bleibt, wäre es wohl etwas im Bereich Financial Literacy & Empowerment. Außerhalb von FinTech finde ich den Bereich HealthTech unglaublich spannend und sehe vor allem im Bereich FemTech noch unglaublich viel brachliegendes Potenzial.
Worauf bist du stolz?
Auf das Yokoy-Team und darauf, dass wir es geschafft haben ein bereits relativ diverses Team aufzubauen. Luft nach oben gibt es natürlich immer noch. Diversität meine ich nicht nur in Bezug auf Geschlecht (mehr als 30 % sind bei uns Frauen) sondern auch bezüglich Alter, Abilität, sozialer und ethnischer Herkunft oder dem Bildungshintergrund.
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Die Gründe dafür sind komplex, sie reichen von fehlenden Vorbildern, Sozialisierung, strukturellen Hürden bis hin zu Vorurteilen bei allen Beteiligten. Mittlerweile gibt es zum Glück einige Initiativen, die Kindern Tech-Themen spielerisch vermitteln. Es gibt Tools, die Firmen helfen, inklusive Job-Ads zu schreiben, es gibt Organisationen wie z.B. WE SHAPE TECH, bei der ich im Board bin, die mehr Menschen mit diversen Hintergründen für die Tech-Branche begeistern wollen und es gibt glücklicherweise ganz viele tolle Frauen in der Tech-Welt, die andere inspirieren und als Vorbild agieren.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Bei Oatly oder Klarna im Marketing.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Mit Anne Boden, der Gründerin von Starling Bank. Ich habe vor kurzem ihr Buch “Banking on it” gelesen und hätte noch 1000 Fragen zu ihrem unglaublich inspirierenden Werdegang.