Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist primär geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weitverbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? Heute: Dominik Zühlke von Raisin Bank.

In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Dominik Zühlke unsere Fragen.

Dürfen wir vorstellen: Dominik Zühlke von der Raisin Bank

Wer bist Du, was machst Du?

Ich bin Dominik Zühlke, Chief Product Officer der Raisin Bank. Ich bin 39 Jahre alt. Als CPO sehe ich es als meine primäre Aufgabe, ein möglichst starkes Produkt- und Tech-Team aufzubauen und es dabei zu unterstützen, unsere Produkte kunden- und wertgetrieben zu entwickeln und zu betreiben. Ich bin dabei erster Vertreter der Interessen unserer Kund:innen, aber auch der Menschen, die unsere Produkte bauen. Bei der Kommunikation ist es mir vor allem wichtig, dass alle Mitarbeiter:innen verstehen, warum wir etwas machen und was ihr Beitrag dazu ist.

Eine weitere wichtige Aufgabe sehe ich für mich darin, in unseren Teams ein gemeinsames Mindset zu prägen, wie wir zusammenarbeiten wollen. Dabei kann ich auf unseren Raisin-Prinzipien aufbauen, die wir seit Jahren haben und mit Bedacht weiterentwickeln.

Meine Mitarbeiter:innen sind es gewohnt, dass sie recht schnell in verantwortungsvolle Rollen hineinwachsen. Es macht mir Spaß, mit ihnen tolle, kollaborative Teams aufzubauen, die ähnlich wie in einem Handball- oder Fußballteam diesen besonderen Drive entwickeln, gemeinsam immer besser werden zu wollen. Nicht weil wir alle produktivitätsverrückt sind, sondern weil es einfach Spaß macht, besser zu werden in dem, was man tut. Das ist das Beste an meinem Job, so ein Team aufzubauen und ihm alles mitzugeben, was es braucht, um selbstorganisiert erfolgreich zu sein und Verantwortung zu übernehmen.

Tatsächlich habe ich auch meinen Spaß daran, in die technischen und fachlichen Aspekte abzutauchen und Probleme zu lösen. Das bekommt man nicht mehr weg, wenn man einmal als Entwickler gearbeitet hat, vermute ich.

Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?

Viele meiner Tage starten aktuell mit einem Kaffee in der Hand in einer Videokonferenz mit einer meiner Mitarbeiterinnen oder einem meiner Mitarbeiter. Ich mache meine One-on-One’s gerne morgens damit ich frisch und nicht abgelenkt bin. Dabei geht es häufig um die Arbeit im Team, mit den Kunden oder um konkrete Entwicklungsthemen für diese Person.

Ich versuche, mir morgens mindestens eine Stunde für konzentriertes Arbeiten an technischen Konzepten oder für das Vorbereiten von wichtiger Kommunikation zu nehmen. Hauptsache etwas Aktives, bei dem ich selbst etwas erzeuge.

Der Nachmittag ist oft geprägt von vielen Abstimmungen, Kundengesprächen, Workshops und dem Beantworten von Fragen aus der Bank und der Raisin-Gruppe. Ich lese viel in unseren Slack Chats, Jira und Confluence und versuche Probleme aufzuspüren, die Zeit fressen und die ich vielleicht vereinfachen oder lösen kann. In unserem Unternehmen finden viele Diskussionen in für das ganze Team in öffentlichen Chats statt. Ich liebe diese Transparenz und unsere Bereitschaft, auch schwierige Themen offen und vorbehaltlos zu diskutieren.

Am späteren Nachmittag versuche ich dann immer noch mal inne zu halten und blicke auf meine Prioritätenliste für dieses Quartal. Arbeite ich noch an den richtigen Dingen? Welches Thema will ich noch einmal mit Fokus voranbringen? Sind meine Kund:innen und meine Kolleg:innen entblockt für den nächsten Tag?

Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?

Beruflich hatte ich mit Payment und Banking das erste Mal bei Raisin vor mehr als acht Jahren zu tun. Damals war ich noch mehr auf Tech und Teamführung konzentriert. Ich fand aber unsere Finanzprodukte immer schon schön einfach und ehrlich. Bei der Raisin Bank habe ich in den letzten zwei Jahren enorm viel über Banking und auch über Payments im Speziellen gelernt. Von Accounting über die Vertragsbeziehungen mit unseren Kunden bis hin zu Zahlungsverkehr oder Regulatorik – meine Aufgaben als CPO haben mich überall hingeführt. Da der technische Teil bei mir automatisch nicht zu kurz kommt, ist das ein toller Mix. Ich bin sehr dankbar für die Chance und das Vertrauen meiner Kolleg:innen.

Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?

Das war tatsächlich erst ein paar Monate, nachdem ich bei Raisin angefangen hatte. Einer unserer Gründer erwähnte das Wort und ich dachte mir „ach, so kategorisiert man uns jetzt, aha.“ Ich hatte allerdings damals echt andere Sachen im Kopf, als mir über solche Begriffe Gedanken zu machen. Das war kurz vor dem Start der WeltSparen-Plattform.

Wie definierst Du FinTech?

Ich definiere darunter Unternehmen – Start-ups oder Scale-ups –, die in einem bestimmten Bereich der Finanzwelt aktiv sind und ein modernes Technologieverständnis sowie moderne Arbeitsmethoden einsetzen, um für die Kund:innen etwas Wertvolles zu schaffen, inspiriert durch die Fortschritte in Industrie und Softwareentwicklung der letzten Jahre.

Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?

Das hängt sicherlich von der Größe und dem Reifegrad der Unternehmenskultur des FinTechs ab. Es gibt viele etablierte Unternehmen die eine tolle Mitarbeiterführung und -entwicklung haben. Oder sehr ausgereifte Tech-Stacks, Entwicklungsmethoden und Programme, um ihre Architektur weiterzuentwickeln. Allerdings gibt es sicherlich genauso viele etablierte Unternehmen, die mit all diesen Dingen hadern.

Ich muss vielleicht an dieser Stelle auch erklären, dass die Raisin Bank eine sehr interessante Kombination aus beidem ist. Die Bank gab es schon lange vor Raisin und die Bank ist auch seit dem Launch eine enge Partnerin von Raisin. Von daher ist das Etablierte bei uns schon immer da gewesen. Dazu haben wir Leute eines mutigen, erfolgreichen FinTechs an Bord geholt. Das Ergebnis ist ein interessantes Mischwesen aus etablierter Bank mit viel Banking-Know-how, aber auch mit einem sehr modernen technischen Stack und dem starken Bestreben nach einer diversen und offenen Kultur. Diese beiden Aspekte in unserer DNA machen uns besser.

Was kann man von FinTechs lernen?

Ich glaube, FinTechs sind – durch reinen Überlebenswillen getrieben – sehr gut darin, Prozesse und Regeln zu hinterfragen und zu den zugrunde liegenden Prinzipien durchzubrechen. Manchmal gelingt es dabei, eine neue, einfachere Lösung zu finden. Kund:innen merken und schätzen das. Wenn man eine elegante Lösung findet für etwas, das von Kund:innen bisher als sehr kompliziert wahrgenommen wurde, ist das immer wieder ein toller Moment.

Außerdem haben FinTechs oft eine zunächst paradox wirkende Arbeitsweise, die darin besteht, ein Problem wirklich hart anzugehen und viele Lösungswege schnell auszuprobieren. Sie können aber genauso schnell loslassen, wenn sich ein Weg  als Sackgasse erweist. Volles Commitment also, aber zugleich die Flexibilität, die Richtung zu ändern.

Zudem kann man sicherlich etwas mitnehmen von dem, was wir als Developer Experience verstehen. Man kann technische Lösungen so bauen, dass sie keine Qual für die Leute sind, die die Technik am Ende umsetzen und über Jahre hinweg pflegen müssen. Wenn ich von meinen Kund:innen spreche, dann denke ich nicht nur an die Gründer:innen, Business Developer, Finanzprofis und Banker:innen. Ich meine damit zu mindestens 50 Prozent auch die Entwickler:innen, Produktmanager:innen, Tester:innen, Admins und Mitarbeiter:innen in den Operations-Bereichen, die mit dem, was wir anbieten, zurechtkommen müssen und, die ihre eigenen Ziele und Timelines bewältigen müssen. Da wir selbst technisch denkende Menschen sind, wollen wir nichts bauen, das andere technisch denkende Menschen ärgert. Das gelingt wahrscheinlich nicht immer. FinTechs strengen sich aber auf dieser Ebene besonders an im Vergleich zu den reinen Finanzunternehmen.

Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?

Wenn ich mir vorstelle, mein Job wäre es, eine etablierte Großbank in die Cloud zu heben… puh, ich habe höchsten Respekt für alle, die es versuchen und erst recht schaffen.

Die Zahl der Abhängigkeiten und Altlasten ist in Großunternehmen um einen riesigen Faktor größer als bei FinTechs. FinTechs starten oft bei Null, bauen eine frische, moderne Plattform. Ein paar schaffen es, Kunden zu gewinnen, die anderen packen wieder ein, der Moment kommt aber meist recht schnell. Alle kennen das Risiko zu scheitern und gehen es bewusst ein.

Wenn man es schafft, kann man von Start weg saubere Schnittstellen definieren und sich so vor der Legacy der Kund:innen und Vendoren abschichten. Außerdem müssen FinTechs nicht agil transformieren, wir starten ja bereits mit voller Agilität in die Software-Entwicklung.

All diese Dinge geben uns eine Ausgangsbasis, die ein Großunternehmen nicht so einfach haben kann. Dinge, die über Jahrzehnte gewachsen sind, neu auszurichten, kostet viel Kraft und Ausdauer und den guten Willen aller Beteiligten. Wir reden ja nicht nur von Technik, sondern auch von Menschen, die sich an Systeme und Arbeitsweisen gewöhnt haben. Mit solchen Gewohnheiten zu brechen, ist eine Mammutaufgabe für eine Organisation.

Was macht deinen Job täglich interessant?

Meine Aufgabe bei der Raisin Bank liegt in einem interessanten und schnelllebigen Spannungsfeld aus Kund:innenwünschen und Marktopportunitäten, dem Regulator und dem internationalen Zahlungsverkehrssystem mit seinen Regeln und Vorschriften sowie der Entwicklung unserer Produkte und unserer Mitarbeiter:innen. Hier als CPO zu gestalten und zu vermitteln, ist eine tolle Herausforderung und Aufgabe, die mich sehr erfüllt.

Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?

Ich würde mir auf jeden Fall eine Rolle bei einem Unternehmen suchen, das es sich genauso wie Raisin und die Raisin Bank auf die Fahne geschrieben hat, etwas Positives für unsere Gesellschaft zu tun. So ein Job lässt sich sicherlich in den Branchen Pharma/Health, Renewables oder Sustainability finden. Außerdem bin ich ein Raumfahrt-Nerd.

Worauf bist du stolz?

Ich bin stolz darauf, einen kleinen Teil dazu beigetragen zu haben, Raisin zu einer tollen Firma für unsere Kund:innen und unsere Mitarbeiter:innen zu machen. Da ich nun schon fast zehn Jahre bei Raisin bin, konnte ich live miterleben, wie viele meiner langjährigen Kolleg:innen bei uns eine tolle Karriere gemacht haben. Es macht mich stolz, sie dabei unterstützt zu haben.

Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?

Das sollten wir die Frauen in der Tech-Branche öfter fragen. Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass in vielen Ingenieurberufen Frauen von klein auf nicht gleich gefördert wurden und auch jetzt noch nicht dieselben Chancen erhalten. Ein Bias ist leider eine Gewohnheit und eine Gewohnheit loszuwerden, erfordert aktives, wiederholtes Dagegenhalten. Zudem denke ich, dass das Arbeitsklima gerade im Payment- und Banking-Bereich jahrelang von weißen, mittelalten Männern dominiert wurde.

Ich glaube, dass wir bei der Raisin Bank unseren Teil dazu beitragen, dass dies in Zukunft nicht mehr so ist. Tatsächlich begleitet mich die Frage “Ist diese Einstellung gut für die Diversität unseres Unternehmens?” stets bei Interviews mit potentiellen Kandidat:innen. Denn eine diverse Gruppe aus motivierten, leistungsbereiten Fachkräften ist immer besser als eine Gruppe, die nur eine bestimmte Art von Mensch zulässt. Besonders bei Führungskräften und im Management können FinTechs noch deutlich diverser werden.

Auch wenn diese Frage nicht einfach beantwortet werden kann, möchte ich zumindest etwas dafür tun, dass sich sich das ändert.

Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?

Aus gegebenem Anlass würde ich sehr gerne mal einen Tag bei Biontech in Mainz mitarbeiten. So im gesellschaftlichen Mittelpunkt zu stehen und gleichzeitig noch mit dieser Geschwindigkeit und Konzentration Produkte zu entwickeln, finde ich beeindruckend.

Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?

Mit allen Leuten, von denen ich nicht verstehe, wie sie funktionieren, zum Beispiel mit Angela Merkel oder Elon Musk. Wenn das nicht geht, würde ich gerne mal mit den Leuten vom European Space Operations Center (ESOC) in Darmstadt ein Bier trinken – ist bestimmt eine ganz andere Welt in vielerlei Hinsicht.

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