Kryptowährungen wie der Bitcoin sollten einmal ein Gegensatz zum Finanzsystem sein, ein dezentrales Netzwerk, das den Menschen gehört und nicht Lobbyisten und Milliardären. Das Scheitern dieser Vision bedroht auch deutsche Kryptofirmen. Jetzt ist Panik angebracht.
Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.
Denken Sie jetzt nicht an Öl: Die größten Produzenten haben sich vergangene Woche zusammengesetzt und beschlossen: So wie bisher geht es nicht weiter. Zuvor hagelte es heftige Kritik von einem mächtigen Lobbyvertreter, dann einen runden Tisch und am Ende wurden wieder neue Preise ausgerufen. Klingt nach Öl-Kartell und anderen Finanzhaien? Falsch gedacht! Die Rede ist nicht von der OPEC, dem größten Öl-Kartell der Welt, das im Verbund die Preise und Bedingungen der Produktionen diktieren kann. Das wäre ja diese böse Corporate-Welt, nein, nein. Es geht vielmehr um die Kryptowährung Bitcoin, deren Miner nun als Verband agieren (Hallo, Kartell!), um Stromfresser Bitcoin endlich sauber zu bekommen und um Elon Musk – na klar, wen sonst?
Ein Tweet kann Milliarden verbrennen
Ja, meine Damen und Herren, das ist lustig. Und nein, das ist leider kein Witz, auch wenn ich herzlich laut gelacht habe. Denn wenn die dezentrale, unregulierte Kryptowelt, die fernab des bösen Finanzsystems für Gerechtigkeit und das Wohl der Welt sorgt sorgen will (drunter gehts nicht), einen Verband bekommt, die wichtigste Kryptobörse jetzt fleißig Lobbyisten einstellt und Milliardär Elon Musk gleichzeitig in nur einer Woche per Tweet einfach ein paar Milliarden Euro verbrennen kann, dann zeigt mir das nur eins: Der Traum von dezentralen Kryptowährungen wie dem Bitcoin ist tot. Denn mal ehrlich: Da ist ja jedes mittelgroße Unternehmen dezentraler aufgestellt, weiter weg von Finanzhaien und der Aktienkurs weniger anfällig für das, was der Großaktionär (aus Katar) sagt (looking at you Deutsche).
Die Kryptogemeinde ist abhängig von zentralen Figuren – welch eine Ironie
Ich meine, Musk kann sogar einen milliardenschweren Kryptobörsenbetreiber dazu treiben, eine total lächerliche Spaß-Währung ins Portfolio zu nehmen.
Frage: Wie abhängig wollt ihr sein, liebe Kryptofans?
Antwort: Ja.
Und dann ein Verband für Miner: Das ist ein Lobbyverband, eine zentrale Stimme, die in Washington genau so schleimen wird wie jeder Banklobbyist – das ist schließlich die Jobbeschreibung. Ja, eine Community ist schön und gut und ihr könnt euch weiter einreden, Krypto würde die Welt verändern und das alles “to the moon” geht, aber über euer Vermögen bestimmen ein paar reiche Miner (in den USA) und Tweets von Finanzhai Elon Musk.
Investoren und Business Angel sollten aufpassen, in was sie da investieren
Das Ganze ist aber nicht nur eine Lappalie, bei der ein paar Privatanleger munter ihr Geld verdienen oder eben verbrennen. Denn mit den Muskschen Tweets wachsen auch die Risiken für Fintechs und Banken jeden Tag. Die schwindelerregenden Bewertungen der hippen Krypto-Szene könnten schon bald in sich zusammenfallen. Bei Coinbase konnte man das schon sehen: Ein Drittel des IPO-Preises hat die Aktie bereits eingebüßt und eine Erholung scheint nicht so recht in Sicht. Das sollte Krypto-Start-ups in Deutschland und gerade die Investoren der Start-ups mehr als beunruhigen. Ich würde sogar sagen: ein wenig Panik ist angesagt.
Das hat einige Gründe. Zunächst: Mit jedem Tweet des völlig erratischen Musk schwindet das Vertrauen in Bitcoin als solide Geldanlage und damit werden Regulierer auf den Plan gerufen. Beschneiden diese die Kryptowährungen hart, werden die kaum noch interessant sein für Anleger. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass staatliche Digital- oder Kryptowährungen den aktuellen den Rang ablaufen und im Zuge dessen Staaten andere Kryptowährungen sogar verbannen. Und dann ist da noch die Zinspolitik: Steigen die Zinsen auch auf Sparkonten wieder, sind Kryptowährungen nur eine Anlageklasse unter vielen, vor allem eine eher verzichtbare. Hart wird diese Erkenntnis für die Kryptobörsen.
Die Tweets von Elon Musk grenzen an Marktmissbrauch, doch die Börsen schweigen
Dass es schließlich so weit kommt, daran wird Elon Musk einen entscheidenden Anteil haben. Denn so wichtig er für den Aufstieg war, so schädlich ist er nun für den Fortbestand. Dass er mit seinen Tweets nach wie vor Kurse springen und fallen lassen kann, grenzt bereits an Marktmissbrauch. In Deutschland kann die Aufsicht den Handel mit Aktien aussetzen, wenn sie den Verdacht darauf hat.
Und an den Kryptobörsen? Schweigen! Denn so unreguliert sind sie, so wenig schützen sie den einzelnen Investoren und so einfach kann Milliardär Elon Musk die Vermögen von vielen Privatanleger hochschrauben und runterdrücken wie er lustig ist. Wer wollte sich hier noch einmal von der Finanzelite entkoppelt?
Ein unversöhnliches Fazit darf nicht fehlen
Am Ende, liebe Kryptojünger, die ihr bis hierhin wutentbrannt gelesen habt, ist dieses tolle “Ecosystem” mit seinen “decentralised Playern”, die “Revolution” im “Payment pushen”, eben doch nur Alter Wein aus neuen Schläuchen und spätestens wenn die Börsen, Start-ups und andere Kryptofirmen deswegen hart reguliert werden, ist es auch vorbei mit dem Traum von den ganz großen Bewertungen und Deals in der Krypto-Fintech-Welt. Bis dahin, liebe Investoren, wünsche ich fröhliches Geld verbrennen. Und liebe Miner, vergesst nicht, dass es bald einen Betriebsrat braucht.