Eine Personalmeldung aus dem Hause Element führt uns zu Gedanken über das Schwimmen ohne Badehose und damit zu möglichen Problemen der Insurtech-Welt. Denn der Wellengang geht zurück. Und das kann überraschende Einsichten mit sich bringen.

Der Wechsel an der Spitze eines Unternehmens sorgt immer für Aufmerksamkeit. Insbesondere, wenn dieser, sagen wir mal, etwas unerwartet kommt. Während diese Zeilen entstehen, pfeifen es die medialen Spatzen es bereits von ihren Dächern. Der CEO der Element Insurance AG wird (voraussichtlich schon zur Mitte des Monats) das Unternehmen verlassen. Christian Macht hat dies auch inzwischen bestätigt und will sich erst einmal seiner Familie widmen. Das ist sein gutes Recht, dennoch wirft das schon Fragen auf. 

Geplanter Wechsel – wirklich?

Ein solcher CEO-Posten schlaucht und fordert die Stelleninhaber:innen. Darunter leidet auch das Familienleben, denn in Spitzenpositionen ist das mit der Work-Life-Balance eben einfacher gesagt, als wirklich getan. Soweit klingt der Abgang von Macht auch verständlich. Und könnte ja tatsächlich geplant sein, wenn da nicht …

Die Personalmeldung aus dem Sommer wäre: Denn im Juli wechselte mit Astrid Stange eine Top-Versicherungsmanagerin zu Element. Die Pressemitteilung dazu positionierte Stange und Macht geradezu als neues Dream-Team: „Gemeinsam mit Christian Macht wird sie die nächste Wachstumsphase des Unternehmens vorantreiben.“

Wenn also bereits zu diesem Zeitpunkt das Ende von Christian Machts Amtszeit festgestanden haben sollte, dann war die Personalie Stange ungeschickt formuliert. 

Viel wahrscheinlicher erscheint somit, dass die nun dementierten Gerüchte, der Wechsel habe nicht ganz so viel mit der Sehnsucht nach Familienleben zu tun gehabt, zutreffen dürfte. Eine Auseinandersetzung mit Investoren im Hintergrund hatte der „Versicherungsmonitor“ vermutet. Schließlich sind die Zeiten alles andere als rosig – auch für Element.

Wer hat denn seine Badehose vergessen?

Ob es jetzt stets eine gute Idee ist, den Anlagetipps von Warren Buffett zu folgen, sei mal dahingestellt. Aber im Laufe seines Lebens hat der Mann eine ganze Reihe von Aussprüchen herausgehauen, die locker eine Sammlung von Aphorismen füllen. 

Zugeschrieben wird ihm etwa: „Only when the tide goes out do you discover who’s been swimming naked.“ 

Für die ausgelösten Bilder im Kopf können wir nichts. Aber eines ist sicher: Das Wasser zieht sich immer stärker zurück. Bei den Fintechs hat sich bereits ein Strudel (schon wieder eine Wasser-Metapher) gebildet, der die Bewertungen vieler Start-ups in den Keller gehen lässt und neue Fundings tröpfeln (sorry) nur noch.

Da bildet die Insurtech-Welt aktuell keine Ausnahme mehr. Die Zeiten sind hart und das Geld der Investoren sitzt nicht mehr so locker. 

Zum Zeitpunkt der Ernennung von Astrid Stange hatte Element so grob bereits 66 Mio. Euro an Fundings eingesammelt. Macht aber jährlich auch Millionen Verluste. Ein öffentliches Signal, wie es etwa Solaris gegeben hat, dass Profitabilität jetzt vor Wachstum kommt, gab Macht nicht. 

Solche Erklärungen fehlen indes auch von einem anderen Verlustbringer wie Lemonade. Dass hier die Investoren langsam nervös werden, ist verständlich. Denn wenn am Jahresende schon kein Gewinn in Sicht ist, dann zumindest doch wenigstens ein Exit.

Nur wer soll sich all die „Digital-“ oder „Neo-Versicherer“ ans Bein binden, deren Kundenanzahl teilweise gerade das Niveau von größeren Maklerpools erreicht haben?

„Nur eine Frage der Zeit…“ ?

Nun mal weg von Element, dessen Idee einer Versicherungsfabrik ja vernünftig ist, dem es nur eben an Gewinn und Traktion fehlt. Hin zu Wefox: Mit einer kolportierten Post-Money-Bewertung von 4,5 Mrd. Dollar im Rahmen des 400 Mio-Fundings hat das Insurtech nach eigener Wahrnehmung wahrscheinlich schon den begehrten Status des „too big to fail“ erreicht. Anders lässt sich die jüngste vollmundige Ankündigung von Boss Julian Teicke kaum interpretieren, für den es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis Wefox die Nummer eins werde. 

Das ist hinlänglich unbestimmt. Vermutlich müssen die Kapitalgeber da schon noch ein Quäntchen Geduld aufbringen. So feierte sich Wefox ja im Sommer (zumindest ein wenig) für 2 Mio. Kund:innen. Eine beeindruckende Marke, ohne Frage. Aber etwas mehr Geschwindigkeit wird da nötig sein, wenn die Geldgeber den Status der Nummer eins noch in ihrer Lebensspanne feiern wollen. 

Im Jahr 2020 hatten zumindest 24,6 der befragten deutschen Haushalte zumindest eine Police bei der Allianz. Möglicherweise bezieht sich die Nummer 1 aber auch auf Beitragssummen? Auch da wäre der Weg doch noch beschwerlich, denn die Allianz AG Deutschland konnte da 2021 38,77 Mrd. Euro verbuchen.

Die Frage nach der Profitabilität kommt

Aktuell streiten sich Volkswirtschaftler aller Orten ja noch um die Frage, welches Land sich bereits in einer Rezession befindet. Auf keinen Fall ist die wirtschaftliche Situation zumindest in den USA und Westeuropa gerade so, als hätten die Konsument:innen keine anderen Gedanken und Sorgen als Versicherungen.

Wie im Fintech-Sektor werden sich also die Investoren auch im Versicherungsbereich ihre Risiken genauer anschauen und vermutlich auf Profitabilität achten (müssen). 

Eher fein raus dürften alle die kleinen Insurtechs sein, die sich von Anfang an als Lösungsanbieter für die Versicherungsgesellschaft positioniert haben. Denn, wenn es ganz hart wird, dürfen sie schlicht auf eine Übernahme durch eine arrivierte Gesellschaft hoffen. 

Schwieriger wird es in dieser Hinsicht eher für die Starups, die den Full-Stack oder Assekuradeur-Weg eingeschlagen haben. Und somit erscheint zumindest der Abgang von Christian Macht eher ein Zeichen für Ungeduld von Investoren. 

Aus Sicht der arrivierten Versicherer hat zumindest Allianz-Chef Oliver Bäte jüngst das Warten auf den großen Durchbruch oder Knall der Neo-Versicherer für beendet erklärt. „Kein Insurtech hat die Branche revolutioniert, aber wir haben viel von Lemonade gelernt“, hat ein Branchenmedium seinen Vortrag zusammengefasst.

Aber vielleicht überraschen uns Wefox und die anderen „Neo-Versicherer“ noch mit Dingen, die wir uns nicht vorstellen können. Der Wasserstand ist jedenfalls noch nicht tief genug, um endgültig zu entscheiden, ob mit oder ohne Badehose im Wasser geschwommen wird. 

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