Steuert Europa und damit auch Deutschland auf einen Katastrophenwinter zu? Experten sehen angesichts der zahlreichen Krisen einige Anhaltspunkte dafür, dass es in diesem Winter eher ungemütlich wird unter dem Tannenbaum. Und das Thema ist wahrlich nicht neu. War es lange Zeit den Preppern und Anhängern von Verschwörungsmythen vorbehalten, wird heute breit und lebhaft in der Öffentlichkeit diskutiert, welche Szenarien bei einem Blackout eintreten könnten.

Das Netzwerk der Einflussfaktoren ist dabei wahrlich komplex: Eine eskalierende Gasmangellage könnte dazu führen, dass durch den sinkenden Druck die für die Stromnetzstabilität erforderlichen Gaskraftwerke nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Zudem zeichnet sich bereits seit dem Sommer eine winterliche Strommangellage in Frankreich ab. Hier sind die Strompreise auf dem Future-Markt für das vierte Quartal 2022 bereits auf bis zu 1.800 Euro pro Megawattstunde (MWh) gestiegen. Die Stromhändler versuchen eben dorthin zu verkaufen, wo am meisten bezahlt wird. Dafür wurde die europäische Stromversorgungsinfrastruktur jedoch nie ausgelegt.

Auch in Deutschland zeichnet sich eine Strommangellage ab, vor der der deutsche Bundesrechnungshof bereits im März 2021 gewarnt hat. Damals wurde jedoch nur der Atom- und Kohleausstieg in das Urteil einbezogen. Jetzt kommen auch noch eine mögliche Gasmangellage und ein möglicher Kohle-Engpass hinzu.

So bereiten sich die Banken auf einen möglichen Blackout vor

Zunächst geht es vielen Instituten darum, Energie einzusparen, um den steigenden Kosten entgegenzuwirken. Kunden sollen davon so wenig wie möglich mitbekommen. Es geht viel mehr darum, weniger Büros zu nutzen und jeden unnötigen Verbrauch im Backoffice zu vermeiden.

Aber auch den Blackout haben einige Player bereits auf dem Schirm. Die Bank J.P. Morgan, die Tausende von Mitarbeitern in London und Frankfurt am Main beschäftigt, führte nach Reuters-Informationen bereits Simulationen von Stromausfällen durch. Abhängig von der Schwere des Ausfalls könnte die Bank auf Dieselgeneratoren umsteigen, die wichtige Bürostandorte für mehrere Tage am Laufen halten. Dennoch befürchten Experten, dass nur wenige Unternehmen auf längere Stromausfälle von mehr als ein paar Tagen vorbereitet sind. „Das stellt eine ernsthafte Lücke in der Resilienzplanung dar“, sagt etwa Avi Schnurr, CEO des Electric Infrastructure Security Council, einer Denkfabrik, die bei der Vorbereitung auf solche Gefahren berät.


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„Meine größte Sorge sind die Kaskadeneffekte auf die Gesellschaft, wenn Geldautomaten oder bargeldlose Transaktionen ausfallen. Ähnlich verhält es sich mit der Abhängigkeit der Banken von anderen Dienstleistungen wie dem Internet“, ergänzt Gianluca Pescaroli, Professor für Katastrophenresistenz am University College London. Er beriet zuletzt die Londoner Behörden bei der Krisenvorbereitung. Die Banken sollten bereits Vorkehrungen treffen, um sicherzustellen, dass sie auch bei einem längeren Stromausfall zurechtkommen, und Vereinbarungen treffen, dass Transaktionen rückwirkend protokolliert werden, sobald die Systeme wieder online sind, sagte er gegenüber Reuters.

Blackout hätte erhebliche Folgen für die Branche

Die Kaskadeneffekte, auf die Pescaroli anspielt, hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) bereits im April 2011 untersucht. Anlass und Grundlage war die sieben Jahre zuvor durchgeführte Bund-Länder-Krisenmanagementübung (LÜKEX), die erhebliche Schwächen offenbart hatte.

Die TAB-Experten resümierten in ihrem Bericht, dass ein Blackout erhebliche Folgen für alle Branchen haben kann. Banken, Versicherungs- und Vorsorgeeinrichtungen und andere bankähnliche Organisationen hätten sich zwar auf Stromausfälle vorbereitet, doch insbesondere die Kommunikationswege zwischen Banken, Clearing-Organisationen und Handelsplätzen einerseits und den Personen und Unternehmen, die Finanzdienstleistungen nachfragen, andererseits, seien anfällig. Wegen des Ausfalls der Telefonnetze und des Internets bestehe kurz nach einem Blackout keine Möglichkeit mehr, Finanzdienstleistungen abzuwickeln.

Das konkrete Szenario aus Sicht des TAB: „Viele Banken, die nach dem Eintritt des Stromausfalls noch geöffnet bleiben, schließen nach einigen Tagen. Da auch die Geldautomaten ausgefallen sind, droht die Bargeldversorgung der Bevölkerung zu kollabieren. Es ist anzunehmen, dass es hierdurch und durch den Ausfall elektronischer Zahlungsmöglichkeiten in Geschäften und Banken mit der Zeit zu Unmut und teils zu aggressiven Auseinandersetzungen kommt, da es für die Bevölkerung keine Bezahlmöglichkeiten mehr gibt.“

Hoffe auf das Gute, sorge vor für den Notfall

Angst ist nie ein guter Ratgeber. Und Angstmache überlassen wir lieber den anderen. Gleichzeitig sollten die Sorgen der Experten ernst genommen werden. Banken weltweit wären angesichts der komplexen Krisenlage schlecht beraten, jetzt nicht ihre Notfallpläne auf Vordermann zu bringen.

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