In den letzten Tagen bin ich an mehreren Stellen über die Frage gestolpert, welche Rolle Ordnungspolitik auf die Innovationskraft eines Standortes nehmen kann. Um diese Frage zu klären, zunächst kurz erläutern, was unter Ordnungspolitik landläufig verstanden wird.
Oxford Languages sagt dazu: „Gesamtheit der politischen Maßnahmen, mit denen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaft (1) festgelegt oder verändert werden.„
Eine ähnliche Definition, aber ähnliches findet sich bei Gabler:
„Summe aller rechtlich-organisatorischen Maßnahmen, durch welche die Träger der Wirtschaftspolitik über eine entsprechende Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung die längerfristigen Rahmenbedingungen, z.B. Eigentumsrechte, Geldordnung sowie Haftungsregeln, für den Wirtschaftsprozess innerhalb einer Wirtschaftsordnung setzen. Im Gegensatz zur Prozesspolitik greifen die Träger der Wirtschaftspolitik im Rahmen der Ordnungspolitik nicht unmittelbar in die Wirtschaftsabläufe ein.
Vielmehr werden die Rahmenregeln (Wirtschaftsverfassung) so gesetzt, dass wirtschaftliche Aktivitäten zur Erreichung von wirtschaftspolitischen bzw. gesellschaftlichen Ziele (z.B. einer präferenzgemäßen Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen) beitragen. Die Logik der Ordnungspolitik besagt, dass der Staat die Spielregeln (Rahmenregeln), die privaten Akteure die Spielzüge (Wirtschaftsprozess) innerhalb dieser Spielregeln gestalten soll(en).„
Innovationen, neue Produkte von Start-ups und Finanzierungsrunden werden häufig als Ordnungspolitik wahrgenommen. Aber ist das eigentlich zulässig? Ist Ordnungspolitik dieser Logik folgend nicht vielmehr die Wirtschaftsverfassung?
Ein wenig scheint mir die Ordnungspolitik wie der fruchtbare Boden zu sein, in dem Pflanzen (Unternehmen) mit Dünger (Geld) gut gedeihen können. Doch ohne die richtigen, passenden rechtlichen Rahmenbedingungen ist weder viel Geld noch die beste Idee keine ausreichende Antwort.
Warum ist die Ordnungspolitik so relevant?
Zur Veranschaulichung dienen exemplarisch zwei Themen aus den letzten Jahren, in die neue Rahmenbedingungen qua Ordnungspolitik gesetzt wurden. Auffällig bei beiden Beispielen ist, dass die Themen als solche bereits zuvor, jedoch unreguliert, „da“ waren. Erst in einem zweiten Schritt wurden sie reglementiert und eine Verfassung folgte auf die „Gesetzlosigkeit“. Diese Beispiele sind:
- Open Banking mit der Regulierung PSD2
- sowie digital Assets oder kurz Krypto, mit verschiedenen Regulierungen in Deutschland wie dem eWPg und der Krypto-Verwahrlizenz
Das Beispiel Open Banking
Bekanntlich ist Open Banking nicht mit der Einführung der PSD2 im Jahr 2019 entstanden. Es hat in Deutschland eine Historie, die in die 80er-Jahre zurückreicht. Mehr als 30 Jahre wurde Open Banking im Markt gelebt und in weiten Teilen geliebt. Das, bis die Europäische Union auf die Idee kam, das Thema einheitlich zu gestalten. Es hatte zur Folge, dass Vorreiter wie Deutschland 2-3 Schritte zurück machen mussten.
Die Ordnungspolitik schaffte in diesem Beispiel zwar auf der einen Seite Rechtssicherheit für alle Parteien, zerstörte aber durch die inhaltlichen Rückschritte fortschrittliche und marktführende Lösungen. Während viele deutsche Unternehmen ab 2019 mit den Folgen der neuen Regeln zu kämpfen hatten, nutzten internationale Anbieter den Fortschritt durch PSD2 in anderen Ländern, um zu wachsen. Im Ergebnis hat Deutschland in diesem Beispiel seinen Vorteil aus der Welt vor PSD2 nicht in die Open Banking Welt übertragen können.
Das Beispiel Krypto
Sehr weitblickend hat Deutschland bereits in der letzten Legislatur eine Blockchain Strategie verabschiedet. Es hat sich zudem entschieden, nicht auf europäische Verordnungen zu warten, sondern als eines der ersten Länder der Welt elektronische Wertpapiere und „digital“ Assets in Gesetze einfließen zu lassen.
Das eWPG sowie die Krypto-Verwahrverordnung sind aktuell Beispiele für Gesetze, die Innovationen fördern können. Deutschland hat es in den letzten Monaten geschafft, als sicherer Hafen für Krypto-Business zu werden. Das mit der Folge, dass Marktführer in Deutschland entstehen. Weltweite Anbieter und Banken beantragen hier ihre ersten Lizenzen.
Es ist noch zu früh, um final zu bewerten, welchen Einfluss diese schlaue Ordnungspolitik mittel- und langfristig für den Standort haben wird oder welchen Einfluss weitere Regelungen aus Brüssel haben werden. Als Zwischenfazit kann man aber sicher sagen, dass der Weg der frühzeitigen und guten Gesetzesregelungen ein Wettbewerbsvorteil für den Standort Deutschland darstellt.
Fazit:
An den beiden Beispielen lässt sich ablesen, was die Unterschiede zwischen guter und weniger guter Ordnungspolitik sind:
- Gute Ordnungspolitik schafft Klarheit und Möglichkeiten – sie motiviert, Regeln zu nutzen und diese als Vorteil zu verstehen.
- Gute Ordnungspolitik ist die große Kunst, Weitsicht gepaart mit der nötigen Paranoia Missbrauch zu erahnen. Ich wünsche mir noch mehr davon.
- Weniger gute Ordnungspolitik beschränkt und motiviert, Alternativen zu suchen. Der Zustand ist in der Regel schlechter als vor der Regelung.
Ein Gedanke zum Schluss: Vielleicht war PSD2 auch gar keine Ordnungspolitik, sondern Prozesspolitik oder besser, Marktregulierung.