Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weitverbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe “Die Gesichter der FinTech-Branche…” beantwortet jeden Monat eine Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegenen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir ab heute in einer ganz eigenen Kategorie kurz portraitieren und vorstellen und haben dazu einen immergleichen Fragenkatalog entworfen. Diesmal beantwortet Volker Steinle von Adyen unsere Fragen.
Volker Steinle ist Country Manager Germany des globalen Zahlungsdienstleisters Adyen und seit 2011 für das Unternehmen tätig. Mit seiner langjährigen Erfahrung im Payment unterstützt er Adyens Kunden dabei, Zahlungsprozesse als wichtigen Teil einer Wachstumsstrategie zu nutzen. Vor seinem Wechsel zu Adyen war Steinle drei Jahre bei TomTom maßgeblich für den Ausbau der Firma zu einer der größten Consumer Brands verantwortlich. Volker Steinle hat einen MBA der Rotterdam School of Management.
Wer bist Du, was machst Du?
Ich bin Volker Steinle, Deutschlandchef der Zahlungsplattform Adyen aus den Niederlanden. Wir arbeiten mit über 4500 Brands zusammen, darunter Facebook, Netflix, Spotify aber auch zunehmend Retailer wie L’Oreal, Burberry. In Deutschland zählen Robert Bosch, Brands4Friends, Delivery Hero, Flixbus, Baby Walz und CTS Eventim zu unseren Kunden. Mit dem Team in Berlin arbeite ich daran, Unternehmen bei ihren Payment-Prozessen zu unterstützen.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Als ich vor knapp acht Jahren zu Adyen kam, war ich im Payment-Bereich sozusagen ein Neuling. Die Tech-Szene hatte es mir jedoch schon von Beginn an angetan. Warum? – Bei TomTom sind wir innerhalb von 3 Jahren von 30 Mitarbeitern auf 1500 Mitarbeitern gewachsen, was verglichen mit alteingesessenen Firmen eine komplett andere Dynamik ergeben hat.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Als es auf einmal vor circa 4 Jahren in Deutschland hieß, dass das Thema FinTech hot ist. Lustigerweise haben wir uns bei Adyen nie als FinTech bezeichnet.
Wie definierst Du FinTech?
Die Medien definieren FinTechs häufig als die „jungen Wilden” in der Finanzbranche. Nach meiner Definition sind sie jedoch viel mehr als das. Adyens Gründer Pieter van der Does hat bereits vor der Gründung von Adyen im Jahr 2006 ein sehr erfolgreiches Payment-Unternehmen, Bibit, gegründet, das 2004 an die Royal Bank of Scotland verkauft wurde. Die erste Welle von Fintechs wurde sozusagen damals von Banken gekauft und eingestampft. Die zweite Welle Fintechs konnte sich durch die weltweite Ausbreitung des Internets breiter etablieren und größere Märkte erreichen. FinTechs sind starke Technologieunternehmen, die sich der Disruption in der Finanzbranche widmen, Geldtransfer und Zahlungsprozesse vereinfachen sowie unseren bisher gewohnten Umgang mit Geld, egal in welcher Hinsicht, überdenken. Allgemein kann man auch sagen, dass FinTechs junge Firmen sind, welche die Technologie des heutigen Standes verstehen und damit neue Produkte in der Finanzbranche schaffen.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Etablierte Unternehmen haben sich über viele Jahre ein gewisses Vertrauen im Markt erarbeitet, das FinTechs sich erst Schritt für Schritt erarbeiten müssen. Dieses Vertrauen spiegelt sich beispielsweise immer mehr bei großen Kreditsummen wider. Banken bieten im Endkundengeschäft einen weiteren Vorteil: Als Institution bündeln sie viele Services unter einem Dach. Bei FinTechs sieht das eher anders aus. Sie spezialisieren sich vielmehr auf ein Kerngebiet, wie zum Beispiel Kredite, Vermögensberatung oder Online-Banking. Der Prozess des “Unbundlings” kann für Kunden jedoch verwirrend sein, da sie sich an viele verschiedene FinTechs wenden müssen, um all ihre einzelnen Bedürfnisse abzudecken. Beispielsweise ist mir noch kein FinTech bekannt, dass das Thema Cash Management in Angriff nimmt, da dies noch klassisches Bankengeschäft ist.
Was kann man von FinTechs lernen?
Was Banken oder etablierte Unternehmen generell lernen können, ist der Customer-Fokus, der bei FinTechs den Kern ihres Schaffens darstellt. Wer sich nicht an den Bedürfnissen des Kunden orientiert und den Mut hat, neue Services zu etablieren, kann langfristig nicht mithalten. Durch die Digitalisierung verändern sich die Bedürfnisse der Kunden enorm, sei es im B2C oder B2B Geschäft. Bei Adyen erklären wir Händlern beispielsweise seit langer Zeit, dass es unheimlich wichtig ist, die Bezahlung im E-Commerce oder am Point of Sale nicht mehr als reines Mittel zum Zweck, sondern als wichtigen Teil der Customer Experience zu betrachten. Des Weiteren sind viele etablierte Legacy Systeme nicht offen und agil genug, um etwas an ihrem bestehenden Geschäft zu ändern. Fintechs haben oftmals kein neues Produkt in den Markt gebracht, sondern einen bestehenden Teil eines Gesamtprodukts genommen und verbessert. Man muss also nicht immer etwas neu erfinden, sondern Sachen besser und einfacher machen.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Digitalisierung fordert schlanke und schnelle Prozesse, ebenso wie die Reduktion von Komplexität. Große Unternehmen verfügen jedoch über eine lange Historie in der sich Prozesse bewährt haben – oder auch nicht. Das Geschäftsmodell hat für eine lange Zeit funktioniert, aus welchen Gründen sollte es nun geändert werden? – Es kostet unheimlich viel Zeit und Mühe sich von einem bestehenden Modell zu entfernen. Oftmals kommt der Antrieb zur Veränderung von den Jüngeren, die Entscheidungen in etablierten großen Konzernen treffen aber oftmals noch die Älteren. Da wird es automatisch in den nächsten Jahren Veränderungen geben. Dann bleibt natürlich die Frage what’s next?
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Wenn’s unbedingt sein muss, dann klassisch: Skilehrer, Strandbar-Besitzer oder Fahrrad-Tourguide.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Fahrkartenkontrolleur bei der Bahn. Vor dem Job habe ich echt Respekt, und ich glaube, nach so einem Tag hat man wirklich was gelernt.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Bier mit meiner Lieblingsband mit Arcade Fire. Und dann in den Club mit Tim Cook und Elon Musk. Frühstück mit dem Bouncer vom Berghain (aber nur, wenn er uns vorher mit Tim Cook reingelassen hat).
Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX). [mehr]