Dürfen wir vorstellen: Kurosch Daniel Habibi von Carl
Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Kurosch Daniel Habibi unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegnen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir in einer ganz eigenen Kategorie kurz porträtieren und vorstellen und haben dazu einen immer gleichen Fragenkatalog entworfen. Diesmal beantwortet Kurosch Daniel Habibi unsere Fragen. Kurosch ist Gründer & Co-CEO von Carl, der Plattform für mittelständische Unternehmensverkäufe.
Wer bist Du, was macht Du?
Mein Name ist Kurosch und ich bin Gründer und Co-CEO von Carl. Wir sind Europas größte Transaktionsplattform für Unternehmensverkäufe im Mittelstand und helfen dabei, das Nachfolgeproblem vieler kleiner und mittlerer Betriebe zu lösen. Wir sind in 2016 gestartet und haben mittlerweile ein hervorragendes Team von rund 35 Leuten in Berlin aufgebaut, die gemeinsam mit uns an dieser Mission arbeiten. Nebenbei bin ich zudem Fintech-Sprecher des Bundesverbands Deutsche Startups.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Ich hatte mich schon recht früh für Wirtschaft interessiert und mit vielleicht 14 Jahren meine ersten Aktien gekauft. Das Interesse hat sich gehalten und über mein BWL-Studium an der WHU sowie verschiedene Stationen, u.a. im Investmentbanking bei J.P. Morgan, habe ich dann immer mehr Einblicke in den Bereich gewonnen.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Schwer zu sagen. Das ist vermutlich schon einige Jahre her! Letztlich ist das ja aber auch “nur” ein Begriff, im Kern geht es ja um die Digitalisierung eines unfassbar großen Wirtschaftssektors. Dass das passieren würde – auf kurz oder lang – hatte sich ja bereits schon lange abgezeichnet, bevor es dafür den Begriff gab.
Wie definierst Du FinTech?
FinTech ist jegliche Technologie, die dazu dient Abläufe im Finanzwesen besser oder effizienter zu gestalten. Wie Marc Andreessen ja sehr treffend mit „Software is eating the world“ festgestellt hat drückt Software immer tiefer in alle Bereiche unseres Lebens hinein, bis diese gar nicht mehr von „Tech“ zu unterscheiden sind. In gewisser Weise wird dadurch alles zu Software und Software zu allem. Die Digitalisierung des Finanzwesens findet ja auch über alle Bereiche hinweg statt, vom klassischen Bankengeschäft mit Privat- und Firmenkunden, über das Investment Banking, Asset Management, die Zahlungsinfrastruktur, Versicherungswesen bis hin zum Währungssystem.
Da stehen wir auch erst am Anfang und viele spannende Technologien werden darin Anwendung finden. Ich glaube, dass wir irgendwann auch nicht mehr von FinTech, sondern „nur noch“ von Finanzwesen sprechen werden, da die Technologie keine gesonderte Komponente im Geschäftsmodel mehr darstellt, sondern eng mit allen Abläufen verwoben sein wird.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Ein großer Vorteil, den die großen Finanzunternehmen haben und – wenn sie es richtig machen – auch aktiv nutzen, ist die unglaublich große Ressourcen- und Kundenbasis sowie die einhergehenden Vertriebsmöglichkeiten. Durch diesen Kundenzugang gekoppelt mit relevanten Budgets kann in recht kurzer Zeit enormer Druck hinter Initiativen gebracht werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese auch strategisch von Relevanz sind. Was ich jedoch häufiger sehe, ist dass es am Mut fehlt das auch zu tun. Sich nur oberflächlich mit Technologie zu schmücken funktioniert nicht und rächt sich langfristig, man muss es damit schon ernst meinen. Wenn genau so viel Fokus auf die Digitalisierung gesetzt worden wäre wie auf den Vertrieb der Riester-Rente, dann hätte es Apple Pay nie gegeben.
Was kann man von FinTechs lernen?
Wie die meisten Startups haben auch FinTechs nur eine Existenzberechtigung, wenn sie über Technologie Wert heben. Das erzeugt einen ganz anderen Fokus darauf, dort wirklich Fortschritte zu machen. Langfristig mag für große wie kleine Firmen das Gelingen der Technologisierung überlebenswichtig sein, bei kleinen Firmen ist das aber auch kurzfristig der Fall, da es keine „Cash Cows“ gibt, die man noch melken könnte. Das sorgt dann für den nötigen strategischen Fokus auf das Thema.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Rein historisch waren die Finanzdienstleister, von Banken über Versicherungen bis hin zu Börsen und Zahlungsdienstleistern, recht früh dabei Computer einzusetzen. Da die Eintrittshürden in diese Märkte aber vergleichsweise hoch sind wurde aber irgendwann aufgehört dort aggressiv weiter zu machen. Zudem wurde es immer schwerer diese Legacy-Systemen weiter zu entwickeln. Erst mit zunehmendem Wettbewerbsdruck, teils von branchenfremden Akteuren wie den „Big Tech“ Unternehmen, teils von FinTech Startups, hat das Thema wieder mehr Bedeutung gewonnen. Was in dieser Konstellation natürlich nicht hilft, ist dass die Anreizsysteme in Konzernen dazu verleiten Besitzstandswahrung zu betreiben und lieber inkrementell zu arbeiten.
Manchmal braucht es aber einen radikalen Neuanfang und die zwölf Kernbanksysteme in COBOL müssen durch eine von Grund auf neue, einheitliche Software-Architektur ersetzt werden. Nicht jeder CTO oder CEO kann und will das wirklich. Global betrachtet sind gerade europäische Banken durch Regulierung auf der einen Seite und Niedrigzinspolitik auf der anderen noch einmal einem besonderen Zangengriff ausgesetzt.
„Die zwölf Kernbanksysteme in COBOL müssen durch eine von Grund auf neue, einheitliche Software-Architektur ersetzt werden.“
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich wollte schon immer unternehmerisch arbeiten. Würde ich es nicht in diesem Bereich und an diesem Thema tun, wäre ich es vermutlich in einem anderen. Es macht einfach zu viel Spaß Dinge in die Praxis umzusetzen.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Bridgewater. Ich finde den Gedanken spannend, wie ein Unternehmen so viel Technologie entwickelt und einsetzt, das aber quasi komplett nach innen gerichtet tut. Nach außen hin ist Bridgewater ein „normaler“ Asset Manager, im Kern aber stark technologisiert. Da rein zu schauen fände ich sehr spannend.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Mit Nassim Taleb. Ich hatte schon einmal die Gelegenheit mich in etwas größerer Runde bei einem Glas Wein mit ihm zu unterhalten. Taleb ist nach wie vor für mich einer der prägendsten Denker unserer Zeit, weit über die Finanz-Szene hinaus – und ein sehr unterhaltsamer Gesprächspartner.