Deutschland, dein Payment-Debakel

Deutschland, dein Payment-Debakel

Die Chancen im Bereich Payment haben deutsche Geldhäuser erst ignoriert, dann verschlafen und jetzt sind alle dick im Geschäft, nur die hiesigen Firmen nicht. Das ist beschämend.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden?
Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

In wenigen Monaten zum wertvollsten Fintech Europas: Das ist die Geschichte, die aktuell über “Checkout” erzählt wird, ein britisches Start-up, das einige Jahre lang mehr oder minder unter dem Radar flog, dann viele Millionen von Investoren eingesammelt hat und Tadaaaaa, heute eine Bewertung von 15 Milliarden US-Dollar hat (12,4 Milliarden Euro). Liebe Commerzbanker, nur zur Einschätzung: Das ist mehr als doppelt so viel wie das ehrwürdige Bankhaus mit gelbem Logo aktuell an der Börse wert ist.

Besonders schmerzhaft für die deutsche Payment- und Bankingszene dürfte aber zweifelsohne sein, mit welchem Geschäftsmodell das Start-up mal eben so eine Bewertung eingestrichen hat: mit Payments. Das Unternehmen ist nur der nächste Zahlungsdienstleister, der das Geld macht, das die deutschen Konzerne nicht haben wollten. Das fällt ihnen jetzt zu Recht auf die Füße.

Deutschland, dein Payment-Debakel

Deutschland ist leider kein Payment-Spektakel, sondern ein Payment-Debakel

Schon die Rückschau ist schmerzhaft: Easycash hat die Deutsche Bank ebenso wie die Deutsche Card Services verkauft, Concardis ist längst nicht mehr in deutscher Hand. Die Sparkassen halten nur Minderheitsanteile an ihrer ehemaligen Payment-Hoffnung, die heute Payone heißt, und haben damit nur noch sehr begrenztes Mitspracherecht. Und da rede ich noch gar nicht über das viele, viele Geld, das in vermeintliche Lösungen wie Paydirekt und andere geflossen ist – und dort versickerte wie Regen im Schlamm.

Deutschland ist, zumindest aus der Vogelperspektive, eher ein Payment-Debakel, denn ein Payment-Spektakel. Natürlich gibt es noch den ein oder anderen Anbieter, Unzer aka Heidelpay beispielsweise, PPRO oder Computop, doch wer davon spielt schon in einer Liga mit den wirklich großen Anbietern? Eigentlich niemand und das hat Gründe, die sich ausmerzen lassen – vorausgesetzt man handelt sofort und ausnahmsweise mal effektiv.

Den Boom um die Payment-Anbieter hätte man vorhersehen können

Deutschland, dein Payment-Debakel

Denn zum einen gibt es dank des Onlinebooms einen gigantischen Markt, der besetzt werden will. Zum anderen werden die Geschäfte – so das Virus will – wieder öffnen, Zahlungen anbieten und ihre aktuellen Deals überprüfen wollen. Investoren sind ein guter Indikator für renditeträchtige Trendthemen.

Aktuell schmeißen quasi alle mit Geld nach den Zahlungsanbietern: Stripe wird aktuell mit 70 Milliarden US-Dollar bewertet, Adyen notiert an der Börse bei mehr als 60 Milliarden Euro. Und sagen Sie jetzt nicht: Huch, damit konnte keiner rechnen. Das wäre in die Tasche gelogen!

Will die deutsche Szene das noch einmal aufholen, muss sie jetzt handeln. Und das schnell und ohne die Fehler zu machen, die sie in der Vergangenheit gemacht hat. Das bedeutet, es braucht eine saubere, kundenorientierte Lösung, die schnell und mit viel Vertriebskraft in den Markt gepumpt wird – und bei der nur einer und wirklich einer das sagen hat. Gemeinsame Lösungen mit zig Meinungen am Tisch sind genauso effizient wie Mobile-Payment-Lösungen mit einem Pager.

Die European Payment Initiative macht alte Fehler

Dann muss die Lösung natürlich kanalübergreifend funktionieren (Online, POS, MPOS) und die Eigentümer dürfen mit möglichen Nachinvestitionen nicht geizen. Läuft es dann einmal, heißt es warten, warten, warten. Wer bei der erstbesten Gelegenheit für ein paar Millionen Euro verkauft, wird nie den Milliardenmarkt erobern, den andere gerade bespielen.

„Wer bei der erstbesten Gelegenheit für ein paar Millionen Euro verkauft, wird nie den Milliardenmarkt erobern, den andere bespielen.“

Und bitte, bitte, bitte, liebe Großbanken, nach all den Fehlschlägen und großen Ankündigungen, aus denen nie etwas wurde: Bitte kündigt doch nicht den nächsten großen Wurf an, der exakt die Probleme wiederholt, die es schon gab. Die Rede ist von der  European Payment Initiative, dem neuen Wunderkind unter den Initiativen, die nächste mit Milliarden überschüttete, transnationale Hoffnung. Im Prinzip sieht es dabei so aus: Banken pumpen extrem viel Geld in ein System, das nicht weniger sein soll als ein neuer Standard, ein Stich gegen die Lösungen aus den USA und natürlich europaweit gedacht. Was, hat da jemand Paydirekt gesagt? Zeit für den Checkout, liebe Damen, liebe Herren – im besten Sinne natürlich.

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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