Das ist der eigentliche Grund warum PayPal ins Geschäft mit Bitcoin und Co. einsteigt

Das ist der eigentliche Grund warum PayPal ins Geschäft mit Bitcoin und Co. einsteigt

Die Bitcoin Marktbewertung ist mal wieder in aller Munde. Von Oktober bis heute hat sich der Bitcoin von €10.000 auf ein Allzeithoch von über €30.000 gesteigert und verharrt im Moment auf weiter sehr hohem Niveau. Als wichtigster Auslöser für dieses Bullenrennen wird der geplante Einstieg von PayPal in den Cryptogeldhandel genannt, den PayPal am 21. Oktober des letzten Jahres verkündete. 

Interessant in diesem Kontext ist, dass die Ankündigung zwar von der Kryptoszene begeistert aufgenommen wurde. Der eigentliche Grund für den Einstieg wurde aber irgendwie nicht so stark durchdrungen, wie ich anhand einer Payment & Banking-Diskussion in Clubhouse zu Crypto selbst feststellen musste. Selbst Menschen aus der Finanzdienstleistungs-Industrie haben den Treiber in der Diskussion falsch interpretiert. Was war also der eigentliche Grund für den Move von PayPal?

(Payment & Banking Clubraum bei Clubhouse)

Schauen wir uns erst einmal an, was PayPal in seiner Pressemitteilung selbst zu dem Thema sagt, dann das sagt schon viel aus. Es hilft oft ungemein einmal mehr als nur eine Überschrift und nicht nur die Coverage von Pressemitteilungen in anderen Medien zu lesen :)

  • Service für PayPal-Nutzer zum Handel und Halten von Cryptowährung (Bitcoin, Ethereum, Bitcoin Cash und Litecoin).
  • Nutzung im ersten Schritt für US PayPal-Kunden. Erweiterung auf das P2P-Verfahren Venmo und international Expansion für globale Nutzer von Paypal im 1. Halbjahr 2021 geplant.
  • Cryptowährung als zusätzliche Akzeptanz für die 26 Millionen PayPal Händler.
  • Sofortige Umrechnung der gehaltenen Cryptowährung in Fiat-Währung zur Bezahlung im PayPal Netzwerk ohne weitere Gebühren.
  • Keine zusätzlichen Gebühren für den Händler, wenn Kunde mit Cryptowährung bezahlt (Hinweis: Im Vergleich zu den ohnehin erhobenen PayPal-Gebühren).
  • Cryptowährung als eine weitere Funding-Source bei PayPal neben Karte, Lastschrift etc.
  • Ziel “Aufbau des Verständnisses und die Adoption von Cryptowährungen” und “Erkundung und Investments in die nächste Generation von Finanzdienstleistungs-Infrastruktur”.
  • PayPal erhält eine zusätzliche Lizenz vom New York State Department of Financial Services als Grundlage für den Einstieg.

Im allgemeinen Marktverständnis (und auch in unserer Diskussion in Clubhouse) ist aber offensichtlich nur hängen geblieben, dass PayPal jetzt einen niederschwelligen Einstieg in Kauf und Halten von Cryptos ermöglicht. Wenn dem wirklich so wäre, stellt sich aber die Frage des “warum”? Es gibt etliche regulierte Marktplätze auf denen Kunden ohne dedizierte Vorkenntnisse Bitcoin & Co kaufen und halten können. Auch kann man längst bei einigen die Cryptowährungen mit Paypal bezahlen. Wo wäre also der Sinn von PayPal als Late-Mover jetzt auch noch in das Business einzusteigen? Wo kann PayPal sich da wirklich abheben gegen z.B. eine Coinbase die gerade einen IPO mit einer Marktbewertung von $75Mrd planen

Das ist der eigentliche Grund warum PayPal ins Geschäft mit Bitcoin und Co. einsteigt

Der eigentliche Grund für den Einstieg ist aber ein ganz anderer. Der Grund ist der größte Kostenblock in der PayPal P&L und heißt “Transaction Expense” und “Transaction losses” im Geschäftsbericht von PayPal und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Kerngeschäft von PayPal. Dieser Kostenblock ist vergleichbar mit den Filialen der Retailbanken. Wenn an den Kosten gedreht wird, dann dort.

Ein kleiner Blick in die 2019er Bilanz und dort in die P&L von PayPal verrät: 2019 generierte PayPal einen Nettoumsatz (Net Revenue) in Höhe von $17,7 Mrd. und ein operatives Ergebnis (Operating Income) vor Steuern in Höhe von $2,7Mrd. Die Differenz von $15Mrd. sind die operativen Kosten (Operating Expense). $6,7 Mrd. davon, also 44 % aller operativen Kosten sind „Transaction Expense“ und es kommt noch einmal $1,38 Mrd. „Transaction losses“ dazu. In Summe machen die Transaktionskosten und Transaktionsabschreibungen z.B. durch Betrug 54 % aller operativen Kosten von Paypal aus. Unabhängig von einem Umsatzwachstum liegt hier also ein riesiger Hebel für PayPal die Profite zu steigern: Kostensenkungen bei den Transaktionskosten und Abschreibungen.

Was genau die Transaktionskosten sind und wie diese sich zusammensetzen erklärt PayPal in ihrem Geschäftsbericht selbst sehr gut, weshalb ich es einfach nur übersetze: 

Transaction Expense sind primär die Aufwendungen, die wir übernehmen für die Akzeptanz der Zahlmethoden des Kunden als Quelle der Geldmittel. Diese Kosten inkludieren Gebühren für die Zahlungsabwickler und andere Finanzinstitute um Geldmittel von der Kredit/Debitkarte oder dem Bankkonto des Kunden einzuziehen oder für die Nutzung anderer Gelder, die schon in der digitalen Geldbörse gehalten werden. Transaktionskosten beinhalten ebenso Entgelte für Partner, um solche Transaktionen zu ermöglichen.

Das ist der eigentliche Grund warum PayPal ins Geschäft mit Bitcoin und Co. einsteigt

Wir bezeichnen die Allokation der verschiedenen Finanzierungsquellen als unseren ”Funding Mix“. Die Kosten für eine Kredit- oder Debitkarte ist generell höher als die Kosten für den Einzug von einem Bankkonto oder von bestehenden internen Quellen wie Guthaben auf dem PayPal Konto, Guthaben auf dem Venmo Konto oder die PayPal Kreditlinie. Wir erweitern kontinuierlich die Verfügbarkeit und Angebot alternativer Quellen der Finanzierung an unsere Kunden. Aus diesem Grund verändert sich die Zusammensetzung der Quellen, was sowohl die Erhöhung als auch Reduzierung der Transktionskosten zur Folge haben kann.”

Transaktionskosten und -Abschreibungen machten im Jahr 2019 0,95 % und 0,19 % des Zahlungsvolumens von PayPal aus. In Summe hat PayPal also 1,14 % reine Kosten je abgewickeltem Euro ausschließlich für die Gebühren der Zuführung von Geldern ins PayPal-Konto durch die Kunden. Zusätzlich kommen dann noch die Gebühren für den Overhead/Personal, Kundensupport, Marketing, Technologie und Entwicklung etc. So gesehen müssen Transaktionsentgelte gegenüber dem Händler deutlich über 1,14 % im Durchschnitt liegen, möchte PayPal Profite generieren. Das durchschnittlich eingenommene Transaktionsentgelt im Jahr 2019 lag bei 2,5 % ($17,8Mrd Net Revenue aus $711,9 Mrd TPV/Total Payment Volumen).

Soweit der Blick in den 2019er Geschäftsbericht von PayPal. Möchte PayPal nun an der Profitabilitätsschraube drehen, sind die Transaktionskosten der stärkste Hebel und hier schließt sich der Kreis zum Thema Cryptowährungen. Der Einstieg in Cryptowährungen bringt für PayPal drei sehr spannende Ansatzpunkte den Hebel zu bewegen:

Das ist der eigentliche Grund warum PayPal ins Geschäft mit Bitcoin und Co. einsteigt

1) Von Funding-Kosten zu Funding-Erträgen
Wie oben ausführlich beschrieben muss Paypal für jede Transaktion mit Geldeingang ins PayPal-Ökosystem signifikant Gebühren bezahlen. Mit dem Einstieg ins Cryptothema liegt nun erstmals ein Paradigmenwechsel vor. PayPal muss keine Transaktionskosten mehr tragen, sondern kann erstmals Erträge generieren! Für den Kauf von beispielsweise Bitcoin zahlt der Endkunde einmalig eine Gebühr an PayPal. Diese, davon kann man ausgehen, beinhaltet eine Marge für PayPal und damit liegt erstmals eine Funding-Methode vor, für die PayPal Erträge erhält, wenn der Kunde (Crypto)Geld ins PayPal-System einbringt. Werden die Bitcoins dann, wie in der Pressemitteilung erhofft, als Zahlmethode für Käufe bei PayPal genutzt generiert PayPal weiter die Erträge vom Händler (siehe oben im Durchschnitt 2,4 % des Transaktionsbetrags) kann aber auf die knapp 1 % Transaktionskosten verzichten. PayPal hat die Vorzeichen gedreht und verdient sogar an der Transaktion erstmals bei beiden Seiten. Also sowohl Kunde zahlt eine Gebühr (Kauf der Bitcoins über PayPal) als auch der Händler zahlt sein übliches PayPal Entgelt.

2) Cryptowährung bleibt länger im PayPal-Ökosystem
Bekanntlich ist Bitcoin, anders als von Satoshi Nakamato geplant, keine valide Zahlmethode für den Massenmarkt. Das hatte ich hier im Blog schon 2017 anhand der, bis heute anhaltenden Skalierungsprobleme von Bitcoin erklärt. Bitcoin kristallisiert sich vielmehr als Asset-Klasse heraus und in der Bitcoin/Crypto-Community ist “Hodl” ein gängiges Phänomen, also das Halten der Assets statt der Nutzung zur Zahlung. Wir dürfen daher davon ausgehen, dass Cryptowährungen wesentlich länger im PayPal-System gehalten werden als Dollar, Euro, Pfund oder andere Währungen, die von Händlern oder Endkunden schnell wieder bei PayPal “abgehoben”, also auf das eigene Bankkonto überwiesen werden. Je länger eine Fundingmethode in PayPal gehalten wird, desto besser für Paypal. Der oben beschriebene Effekt um von Fundingkosten zu Fundingerträgen zu kommen wiederholt sich kaskadierend immer und immer wieder, je häufiger Cryptowährung innerhalb des PayPal-Systems umgeschlagen werden. Die Skalierungsprobleme des Bitcoins gelten dann auch nicht, da PayPal gegenüber der Bitcoin-Blockchain vermutlich als ein einziges Wallet agieren wird. Ob nun Nutzer A oder B gerade die Cryptowährung halten, wird gar nicht in die Blockchain übertragen.

3) Transaktionsincentive für Endkunden: Zahle nur €98 statt €100 
PayPal hat seinen Fundingmix über die letzten 20 Jahre immer weiter optimiert. Nutzer aus Deutschland kennen das: Wenn ein Bankkonto hinterlegt ist nutzt Paypal dieses viel lieber zum Einzug der (für Paypal günstigeren) Lastschrift, statt die ebenso hinterlegte Kreditkarte. Egal welche Zahlmethode hinter PayPal vom Kunden aber verwendet wird, der Transaktionsbetrag ist immer gleich. Muss der Kunde €100 per PayPal zahlen gibt PayPal die unterschiedlichen Transaktionskosten nicht an den Kunden weiter. Also es gibt kein Angebot der Steuerung des Zahlungsmixes über Auf- oder Abschläge. Denkbar wäre theoretisch, dass der Kunde nur €99 zahlen müsse würde er per Lastschrift das PayPal-Konto ausgleichen oder gar €101, wenn er mit seiner, für PayPal teureren, American Express Karte zahlen möchte.

Das ist der eigentliche Grund warum PayPal ins Geschäft mit Bitcoin und Co. einsteigt

Da Paypal nun erstmals mit einer Fundingmethode des Kunden Erträge generiert und man gleichzeitig erwarten kann, dass die Cryptowährung öfters im Paypal-System verbleibt, kann Paypal auch erstmals Crypto als Fundingmethode incentivieren. Beispielsweise muss der Kunde dem Händler €100 bezahlen für seine Ware, nutzt er als Zahlmethode Bitcoin würde ihm umgerechnet nur €98 berechnet. Zum einen kann PayPal einen Teil der niedrigeren Transaktionskosten an den Kunden weiter geben und sich so auch im härter werdenden Wettbewerb mit anderen digitalen Zahlungsanbieter wie Apple Pay Online, Google Pay Online, Amazon Pay, Facebooks Libra aber auch auf europäische Hoffnungen wie EPI ein starkes Argument entgegensetzen. Auf der anderen Seite kann Paypal die Ersparnis gleich wieder ausnutzen damit der Kunde gleich Cryptowährung kauft, was wiederum zu neuen Erträgen führt. Je nach Preisgestaltung ist auch hier ein höherer Ertrag pro Transaktion für PayPal erzielbar.

Die oben dargestellten drei Aspekte stellen ein perfektes Ökosystem mit positiven Netzwerkeffekten dar und damit einen signifikanten Wettbewerbsvorteil im härter werdenden Wettbewerb um digitale Zahlmethoden. Schafft PayPal es ein solches zusätzliches Ökosystem für Cryptowährungen zu etablieren, wirkt dies geradezu wie ein Staubsauger für Cryptos ins PayPal System hinein. So gesehen ist der Wertanstieg des Bitcoins durch den PayPal-Move vielleicht auch noch gar nicht voll in den Kursen antizipiert.

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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