Immobilienfinanzierer sammeln Geld von Menschen ein, indem sie ihnen eine einmalige Investmentchance versprechen. Crowd-Investing ist zwar nicht illegal – aber moralisch schwierig.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Crowd-Finanzierung hat viel Geld verbrannt

Liebe Leserinnen und Leser, heute möchte ich mich einer besonderen Form der Abzocke widmen. Sie kennen sie vielleicht aus Funk und Fernsehen, von der Verwandtschaft, die darauf hereingefallen ist oder von dem supernervigen Kollegen, der ihnen seit Jahren versucht zu erklären, warum gerade das hier eine großartige und wirklich einmalige Investmentchance ist. Sie ist nicht illegal, das muss man vorn wegschieben. Und nein, ich rede nicht von einem Multi-Level-Marketing, sondern von etwas, was in meinen Augen viel schlimmer ist: Immobilienfinanzierung, welches das Wort „Crowd“ auch nur touchiert oder gar im Namen trägt. Crowd-Funding. Crowd-Investing. Bei Immobilien-Projekten nur kurze Synonyme für den Satz: „Wir sind absolut unwürdig einen Kredit zu bekommen, aber wir verschweigen euch das und bringen euch damit gern um euer Geld. Kussi“

Ich muss zugeben: Der Aufstieg des Crowd-Fundings und Crowd-Investings in den vergangenen Jahren ist ein wenig an mir vorbeigegangen, ganz besonders der im Immobilienbereich. Als ich dann in der Wirtschaftswoche las, dass aktuell allein bei Crowd-Immo-Investments rund 500 Millionen Euro im Feuer stehen, war ich baff. Klar habe ich mal eine Schwarmfinanzierung für irgendein halbgeiles Kartenspiel unterstützt, das ich mir dann ein paar Jahre lang schöngerechnet habe. Vereinzelt habe ich sicherlich auch mal mit einem Crowd-Investing von irgendwelchen nachhaltigen Produkten geliebäugelt, es aber schlussendlich verworfen. Zu langwierig, zu teuer, zu riskant. Aber Crowd-Investing mit Nachrangdarlehen für ein unfertiges Immobilienprojekt, das dann gerade einmal sieben bis acht Prozent Zinsen pro Jahr bringt? Holy moly. Das mag zwar im legalen Bereich liegen – moralisch ist es aber die unterste Schublade. Denn so etwas anzubieten bedeutet, die auszunutzen, die zu naiv und gutgläubig mit ihrem Geld umgehen. Und wer auf die Schwachen eintritt, hat keinen Schutz verdient.

Wer die Crowd fragt, hat schon verloren

Wenden wir uns diesem satanischen Produkt doch einmal genauer zu. Die Idee klingt doch erst einmal so verlockend wie der Apfel im Garten Eden: Viele Menschen tun sich zusammen, um zu schaffen, was ein Einzelner nicht stemmen kann. Sie finanzieren Projekte, nachhaltige Windparks, ja, ganze Häuser. Fuck, wäre Bob der Baumeister real, er würde euch einen Linkedin-Post mit vielen Raketen schreiben. Und klar, das muss ich hier festhalten: Nicht jedes Crowd-Funding ist dumm und unnütz. Aber jedes Crowd-Investing im Immobilienbereich bietet immerhin die Chance, genau das zu sein. Denn der einzige und wirklich der einzige Grund, warum jemand sich an irgendetwas mit „Crowd“ bei Immobilien versucht, ist der, dass normale Geldgeber ihm oder ihr keinen Cent geben wollen – und er deshalb die berühmt-berüchtigte „Crowd“ fragen muss. Aus Gründen.

Zum Ersten sind die Projekte alle irre riskant. Zum Zweiten bekommen Investoren in der Regel kein Geld zurück, wenn es schiefgeht, weil sie irgendwelche halbgaren Nachrangdarlehen erstanden haben – im schlimmsten Fall sogar über die Blockchain. Und Drittens gehen diese Projekte erschreckend häufig in die Binsen.

Die Gier ist größer als das Hirn

Nachdem wir nun also festgestellt haben, dass viele dieser Investments absoluter bis relativer Müll sind, die für genauso viel Spaß sorgen wie die Postbank-IT-Migration, müssen wir uns mal Anbietern, Plattformen und Unternehmen zuwenden, die das verkaufen wollen. Ganz ehrlich, liebe Anbieter, wenn ihr mich anruft, lache ich euch aus. Andere, gut informierte Finanzkenner werden das auch tun. Doch was ist mit denen, die darin die große Hoffnung gesteckt haben, auf eine bessere Zukunft, auf ein Leben in finanzieller Stabilität und nicht die nötige Kenntnis hatten? Solche gutgläubigen Menschen haben auf den etwas seriöseren Plattformen vielleicht noch den Hinweis auf den Totalverlust gesehen. Haben vielleicht erahnt, dass all das hier den Bach runtergehen könnte. Doch sind wir ehrlich: Hält so etwas die Menschen ab, wenn sie schon einmal Geld gerochen haben? Nein, das tut es nicht. Und die Anbieter wissen das ganz genau.

Die Gretchenfrage bitte

Natürlich ist Crowd-Investing bei Immobilien selten illegal. Doch was ich nicht verstehen kann, ist, wie man guten Gewissens solche Projekte verkaufen kann. Entweder man ist selbst so naiv zu glauben, dass das eine gute sei – oder man nimmt in Kauf, dass die naiven Verbraucher und Investoren ihr Geld verlieren. Und ja, die Menschen haben natürlich eine Mitschuld, wenn sie ihr Geld für so mickrige Zinsen in Projekte mit möglichem Totalverlust stecken. Doch muss man sie deshalb ausnehmen wie eine Weihnachtsgans?

Unternehmer, Gründer, Plattformbetreiber und weitere Geier dieser Welt, die ihr Geld mit „Crowd“-irgendwas finanzieren. In diesem letzten Absatz seid Ihr gefragt. Stellt euch doch bitte beim nächsten Angebot zwei Fragen: Würdet Ihr selbst euer ganzes Geld zu diesen Konditionen investieren? Und würdet Ihr es auch eurer geliebten Mutter schmackhaft machen wollen, wenn es dabei um ihre Rente, Zukunft, ja, ihr Leben geht? Natürlich schmeißt Ihr jetzt im Kopf die Argumente hin und her und wollt laut protestieren: Natürlich, das ist eine einmalige Chance und selbstverständlich ein solides Investment. Aber wenn Ihr heute Abend schlafen geht, denkt noch einmal darüber nach – und schreibt mir gern ein paar süße Zeilen, wie Ihr geschlafen habt. Die drei besten Einsendungen gewinnen einen Gutschein für ein Nachrangdarlehen. Geiler wird es nicht.

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