Durch fehlende Investitionen und Liquiditätsverlust werden viele Start-ups und auch andere Unternehmen sterben.
R.E.M. wussten es: It’s the end of the world as we know it. Die Corona Pandemie ist eine globale Herausforderung, die der Wirtschaft und der Gesellschaft in den kommenden Jahren viel abverlangen wird. Auch und gerade die Welt des Bankwesens und der Finanzindustrie ist nicht immun gegen das Virus.
Immer mehr Konferenzen werden abgesagt, Home Office Regelungen zum Schutz der Mitarbeiter eingeführt, viele Banken, Fintechs und Techniker arbeiten schon seit einiger Zeit aus der Ferne, Einschränkungen durch Reiseverbote und sämtliche Vorsichtsmaßnahmen von oberster Stelle und aus Eigenverantwortung. Die Börsenkurse befindet sich im freien Fall, manche Industriezweige stellen gar ihre Produktion komplett ein, der Ruf nach Mindestlohn ist lauter denn je und viele Arbeitgeber beantragen Kurzarbeitergeld, um Lohnausfälle zu minimieren.
Kurzum: Wir befinden uns in einer Situation, die es so noch nicht gab.
Jede Art der Einschätzung erscheint komisch,
da nun versucht wird, etwas nie Erlebtes zu analysieren. Doch natürlich
ist es nahe immer auf 9/11 und die Finanzkrise 2008 zu schauen, da es
Momente waren, die alle haben innehalten lassen und die (Geschäfts-)
Welt dauerhaft verändert haben.
Wie bewerten die Payment & Banking-Experten die aktuelle Situation? Wer könnte innerhalb der Branche zu den Verlierern der Krise gehören, wer jedoch könnte gar gestärkt auch der aktuellen Lage hervorgehen und welche Maßnahmen sind zu treffen?
Heute mit den Einschätzungen von Nicole Nitsche, Kilian Thalhammer und Maik Klotz.
Nicole Nitsche
Covid-19 ist da: in unseren Köpfen, in unserem Handeln – im realen Leben, unvorhergesehen und ungewollt. Die Politik auf der ganzen Welt ergreift nun außerordentliche Maßnahmen, um seine Bedrohung einzudämmen: It’s the end of the world as we know it!
Die Welt des Bankwesens und der Finanzindustrie ist nicht immun gegen das Virus. Immer mehr Konferenzen werden abgesagt, zum Schutz der Mitarbeiter Home Office Regelungen eingeführt, viele Banken, Fintechs und Techniker arbeiten schon seit einiger Zeit aus der Ferne, Einschränkungen durch Reiseverbote und sämtliche Vorsichtsmaßnahmen von oberster Stelle und aus Eigenverantwortung. Die Börse befindet sich im freien Fall.
Alles trivial im Vergleich zu den direkt von der Krankheit Betroffenen.
Doch wer ist eigentlich betroffen, unabhängig von einer humanen Direktinfektion?
Das gesamte Finanzökosystem ist erschüttert. Banken und Kreditgenossenschaften auf der ganzen Welt müssen mit den Auswirkungen von Covid-19 umgehen und man sollte sich die Frage stellen wie es angesichts der neuen Wettbewerbslandschaft und den Entwicklungen weitergeht? Von Börsenschwankungen und Milliardenverlusten bei Fluggesellschaften, Hotels, Transporterlösen bis hin zum Mangel an Medikamenten, Seife oder iPhone-Ersatz – der Ausbruch des Coronavirus fordert seinen Tribut in vielen Bereichen des Geschäftslebens.
Es zeichnet sich ab, dass die Weltwirtschaft erst einmal schrumpfen wird, bevor sie sich erholt. Die Hoffnungen auf eine sofortige Erholung werden wahrscheinlich zunichtegemacht und die Branche steht vor krassen Entscheidungen
Experten sprechen bereits von einem „Handel unter Quarantäne“. Und Analysten schätzten, dass Covid-19 jedes Quartal Handelsverluste in Höhe von 320 Milliarden Dollar verursacht. Da sich die wirtschaftlichen Nebenwirkungen von Covid-19 in den kommenden Wochen erst so richtig entfalten werden, werden wir sehen, dass einige Fintech- oder Finanzunternehmen betroffen sein werden, wieder andere Unternehmen oder Lösungen werden an Zugkraft gewinnen.
Wenn die Märkte einbrechen, sind die Anleger verunsichert. Das Problem der Banken: Wenn ein Kunde einmal aus den Märkten ausgestiegen ist, wird er wahrscheinlich nicht oder nur sehr langsam zurückkehren. Daher sind die Provisionseinnahmen rückläufig.
Ein weiteres Problem für die Vermögensverwaltung ist die Kreditvergabe, die in der Branche eine stetige Einkommensquelle darstellte. Ein Absturz kann noch zu einem Margenausgleich führen, und das zwingt sie wiederum, entweder Barmittel einzustampfen oder Vermögenswerte zu verkaufen. Die große Frage ist, ob die Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltend waren oder ob sie jetzt mit größeren Ausfällen konfrontiert sind?
Banken, Vermögensverwalter und andere Finanzdienstleistungsunternehmen kämpfen hart um die Aufrechterhaltung der Geschäftskontinuität. Sie haben damit begonnen, die für den Betrieb wichtigen Teams aufzuteilen. Was dies für ein äußerst komplexes Unternehmen bedeutet, ist schwer vorstellbar. Systeme, Verwaltung, interne Kommunikation, Managementfunktionen sind einem Stresstest ausgesetzt – aber operatives Chaos ist das Letzte, was Banken brauchen. Außerdem gilt es jetzt tatsächlich mal auf die digitale Transformation zu setzen. Technische Lösungen wie die Videotelefonie, oder digitale Kundenbetreuer sind in Zeiten von Tröpfcheninfektionen willkommene Werkzeuge. Aber die notwendigen Investitionen und das Kapital, das für die Entwicklung solcher Dienste benötigt wird, sind knapp. Ein Rückgang der Einnahmen wird das Problem noch verschärfen. Die Banken werden mit Sicherheit einen Budgetmangel haben, um die digitale Transformation voranzutreiben.
Auch Mastercard und Visa haben bereits ihre Prognosen für das Umsatzwachstum im ersten Quartal 2020 und die Verkaufserwartungen für das zweite Quartal gesenkt. Sie gehen derzeit von einem Rückgang um 2 bis 3,5 Prozentpunkte aus.
Der Grund für die Kürzung? Grenzüberschreitende Zahlungen und Angst. Wenn ein Flug gestrichen wird, bedeutet dies meist, dass die über 300 Passagiere ihre Kreditkarten nicht mehr für Reisen und reisebezogene Ausgaben verwenden werden. Multipliziert man nun diesen einzelnen Vorfall mit der Anzahl der gestrichenen Flüge, der geschlossenen oder den verschobenen Veranstaltungen der Branche und fügen Sie der Gleichung nochmal mehrere Wochen Quarantäne hinzu. Als Ergebnis ergeben sich einige ansehnliche Verluste.
Auch weitere Akteuren im Zahlungssektor könnten leiden. PayPal hat bereits bestätigt, dass die internationalen E-Commerce-Aktivitäten durch den Coronavirus beeinträchtigt wurden, was wiederum die Umsatzerwartungen des Unternehmens senkt.
Die Menschen werden in den nächsten Wochen weniger bis gar nicht mehr auswärts essen. Tatsächlich könnte dies Unternehmen, die einen Großteil der zahlungsbezogenen Einnahmen haben, hart treffen. Weniger Transaktionen bedeuten weniger Gebühren.
Auch die Robo-Berater Fintech-Startups, die ihr Geld mit dem Aktienhandel verdienen, werden ebenfalls mit dem freien Fall der Börse nach unten gezogen.
In der derzeitigen Krise muss man aber sicher zwischen noch kleinen Fintech/Start-ups und den großen Playern unterscheiden, die beispielsweise in Asien viel dafür tun, um die aktuelle Lage zu verbessern.
Fintech-Giganten wie Tencent, Baidu und Ant Financial gehören zu den Unternehmen, die tief in die Tasche greifen, um den von dem Ausbruch betroffenen Menschen zu helfen – sie bieten Händlern, die in Krankenhäusern wegen des Virus behandelt werden, Krankenhäusern, die medizinisches Material benötigen, und Wissenschaftlern, die an einem Impfstoff arbeiten, finanzielle Unterstützung an. Die MYBank von Ant Financial kündigte vor kurzem Rabatte auf Darlehen für Unternehmen im Zentrum des Ausbruchs in der Provinz Hubei an, wobei die ersten drei Monate zinsfrei für einjährige Darlehen sind und für den Rest der Laufzeit ein Rabatt von 20 % gewährt wird.
Diese positiven Maßnahmen können durchaus dazu beitragen, die finanziellen Auswirkungen von Covid-19 zu mindern, indem sie sowohl dringend benötigte Finanzspritzen bereitstellen als auch der lokalen Wirtschaft helfen, sich so schnell wie möglich wieder zu erholen. Dies sollte auch für unsere Wirtschaft und für die Politik gelten!
Egal in welchen Winkel der Welt wir gerade schauen, wir werden alle die Zähne zusammenbeißen und letztendlich versuchen müssen solidarisch gestärkt aus diesen Zeiten rauszugehen.
Kilian Thalhammer
Man muss unterscheiden zwischen FIntechs/Start-ups und der Finanzbranche an sich – schaut man sich ersteres an, ist das Problem v.a. das fehlende Kapital. Die meisten Start-ups können aus eigener Kraft sich nicht finanzieren. Es braucht externe Quellen – da wird im Moment zurückgehalten und in Deutschland ist die VC Szene v.a. auch wegen der steuerlichen Benachteiligung eher schwach.
Das fehlt – und in Kombination mit der guten germanischen Risikoaversität – kann dies zu echten Problemen in der Fintech Branche werden. Was kann man tun? – es hängt von der Ausgangslage ab – hat man ein Modell, dass sich im “Winterschlafmodus” für ein paar Monate zu reduzierten Kosten weiterfahren lässt – feel free… ansonsten voller Fokus auf Fundraising – Geld ist da – man muss nur mehr suchen (und bald ist Ostern).
Zwei Sachen werden spannend:
- Entstehen aus den stattlichen Förderprogrammen ggf. neue Produkte/Firmen – oder bleiben diese bei Banken oder großen Corporate einfach “hängen” ?
- Entsteht am Markt ein neuer verstärkter Bedarf – z.B. an Subprime SME Krediten – welchen v.a. die Incumbents nicht bedienen wollen/können?
Beides ein klares “Ja”!
Maik Klotz
R.E.M. wussten es: „It’s the end of the world as we know it“. Die Krise ist existenziell, was sich auf unterschiedlichen Ebenen bemerkbar macht. Junge Fintech Start-ups, die gerade in der Gründungsphase stecken, auf kein großes Investment zurückgreifen können, haben ein massives Problem. Das ist kein exklusives Fintech-Thema, sondern betrifft jedes Start-up. Manch gute Idee rafft der Virus dahin, bevor es richtig losgehen konnte. Auf operativer Ebene sieht man die Probleme bei Fintechs wie großen Unternehmen gleichermaßen: Home-Office, Video-Konferenzen, Kinderbetreuung ohne Kita ist für alle herausfordernd.
Auch kann diese Krise entlarvend sein, denn man wird am Ende feststellen, dass es den ein oder anderen “Frühstücksdirektor” nicht braucht und gerade für große Organisationen kann das auch eine Chance sein, Agilität für sich zu entdecken.
Es werden viele Menschen ihren Job verlieren, Selbstständige leiden schon jetzt massiv unter dem Thema. Auch klassische Consulting-Leistung ist im Moment weniger gefragt. Das alles kann und wird sich nach der Krise ändern, die Frage ist wie lange wird sie dauern und wird der Staat ihnen helfen können? Ich habe persönlich mehr Fragen als Antworten.
Im ersten Teil antworteten: Miriam Wohlfarth, André M. Bajorat und Jochen Siegert