Seit dem 1. Januar 2020 gilt in Deutschland die Bonpflicht und Einzelhändler und Gastronomen müssen für jede Transaktion einen Kassenbon ausgeben. Das führt zu Jammern auf hohem Niveau, denn die Bonpflicht kam genauso überraschend wie die Umsetzung der PSD2 Richtlinie oder Weihnachten denn schon seit Dezember 2016 war bekannt was drei Jahre später passieren würde. Statt die Zeit zu nutzen und einen digitalen Standard für Bons zu schaffen herrscht in der Branche schlechte Laune. In den sozialen Medien werden täglich neuen Bilder von mit Kassenbons überfluteten Bäckern und Apotheken gepostet. Es scheint als ob das Ende der Welt wie wir sie kennen gekommen ist. Und sogar die selbsternannten Digitalversteher, die FDP, schickt lieber Solidaritätsschreiben (aka Wahlkampf) anstatt etwas zu ändern. Dabei ist die Bonpflicht vor allem eines: eine vertane Chance beim Thema Kundenbindung und Digitalisierung.
Was ist die Bonpflicht überhaupt?
Der Name ist Programm. Ab dem ersten Januar muss der Einzelhandel unabhängig von der Größe des Warenkorbs oder der Summe, einen Kassenbon ausdrucken. Die Intension hinter dem 2016 verabschiedeten Gesetzt ist die Reduzierung des Steuerbetrugs in Deutschland. Es geht also um Geld, um viel Geld. Genau genommen sollen so eine Milliarde Steuern mehr eingenommen werden. Kein Wunder also das hier gerade kleinere Einzelhändler als auch Gastronomen Sturm laufen. Denn nun muss für jedes gezapfte Bier oder verkaufte Brötchen, Semmel, Schrippe ein Kassenbon ausgegeben werden, womit der Kauf entsprechend erfasst wurde und nachvollziehbar ist. Ob der Kunde den Bon einrahmt oder wegwirft ist egal, die elektronische Erfassung ist das wichtige was auch bedeutet das auch ein digitaler Kassenbon erlaubt ist. Die Bonpflicht gilt nur, wenn elektronische Aufzeichnungssysteme verwendet werden zum Beispiel elektronische Kassensysteme, iPad Kassen, etc. Offene Kassen (aka Geldkassette), wie sie bei Schützenfesten, Dorffesten oder Flohmärkten zum Einsatz kommen sind nicht betroffen. Auch kann man sich von der Bonpflicht befreien lassen. Und zwar dann, wenn Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen erfolgt, zum Beispiel Massenveranstaltungen wie Musikfestivals, Karneval etc. Diese Ausnahme muss bei der zuständigen Behörde beantragt werden und ist nicht universell. Steuerpflichtige müssen die persönliche Härte und Unzumutbarkeit nachweisen, ansonsten gilt die Bonpflicht. Und ist es egal ob der Bon dann ausgedruckt, oder auf digitalem Weg versendet wird.
Bonpflicht als Chance
Die Bonpflicht hätte die Chance sein können es dem E-Commerce gleich zu tun und endlich den Kunden besser kennen zu lernen. Die Chance mittelgute Loyalty Programme abzulösen und den Kunden eine einheitliche Lösung anzubieten, die den Kassenbon endlich in digitaler Form anzubieten. Eine Chance die keine Interessenvertretung oder die Politik wahrgenommen hat. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks beispielsweise, welcher ca. 11.000 Betriebe als Mitglieder zählt, hat im November 2019 (zwei Jahre nach dem das Gesetzt verabschiedet wurde) in seiner Pressemitteilung gefordert den “„Bon- und Müllwahnsinn sofort beenden!“.
In das gleiche Horn bläst die Freie Apothekerschaft: „Die Bevölkerung wird durch die Bonpflicht als Finanzkontrolleure missbraucht“ meint Vorstandsmitglied Reinhard Rokitta.
Das man die zwei Jahre hätten nutzen können, um eine elektronische Alternative voranzutreiben und gleichzeitig damit ein einheitliches Kundenbindungsprogramm zu forcieren, Fehlanzeige.
Es tut schon weh zu sehen, welche verpasste Chance die Bonpflicht ist.
Maik Klotz
Wenn man bedenkt wie viel Geld die Branche noch immer für Print-Werbung ausgibt tut es schon weh zu sehen, welche verpasste Chance die Bonpflicht ist. Man stelle sich vor welcher Werbekanal ein elektronischer Kassenbon mit sich bringt. Mit Einverständnis des Kunden hätte man sogar den Warenkorb kennen und damit gezielte Angebote platzieren können. Es braucht nicht viel Phantasie, um die Möglichkeiten eines digitalen Kassenbons herauszuarbeiten. Das was hier exemplarisch für den Bäcker gilt, gilt für alle. Auch für die ganz großen Händler: es gibt kein Händlerübergreifenden digitalen Kassenbon. Was es gibt sind einige wenige Insellösungen wie bei zum Beispiel Netto, Lidl oder Edeka. Aber welcher Kunde will sich für jeden Händler für ein eigenes System anmelden? Die These: die wenigsten Kunden wollen das.
Dabei hätte die Welt so schön sein können. Einzig eine Plattform, auf der meine Kreditkarte (wegen mir Girocard) mit meiner E-Mail verknüpft ist, braucht es. Als Kunde kann ich festlegen welche Infos ich an den Händler weitergeben möchte (beispielsweise Warenkorb für persönliche Angebote, Stempelkarten). Sobald eine Kasse erkennt, dass die Karte mit einer E-Mail verknüpft ist, wird kein Kassenbon mehr ausgedruckt. Ja, Alu-Hut-Träger werden das hassen. Aber das schöne ist: eine Option ist noch lange kein Zwang. Und eben eine solche Option, ein solches System fehlt. Und natürlich braucht es auch eine Kassenintegration, aber Payback hat es ja auch irgendwie geschafft in die Kasse zu kommen. Apropos Payback: warum haben die eigentlich nicht die Gunst der Stunde für sich erkannt? Startups wie Epap wollen das Thema jedenfalls für sich besetzen.
Bonpflicht in Deutschland – Fazit
Traurig aber wahr, die Bonpflicht ist ein weiteres Beispiel vertaner Chancen. Darüber zu jammern hilft niemanden und am wenigsten den Konsumenten. Denn den hätte man eine echte Alternative an die Hand geben können und mit einem elektronischen Kassenbon endlich einen richtigen Schritt in Richtung Digitalisierung gehen können. Denn eine einheitliche, digitale Alternative kann am Ende den auf Thermopapier gedruckten Kassenbon überflüssig machen. Ein Trost bleibt, denn die ersten Einzelhändler nutzen die Gelegenheit um komplett auf Cashless umzusteigen.