von Jonas Gross, Michael Blaschke und Alexander Bechtel
Bitcoins Vor- und Nachteile werden immer wieder heiß und kontrovers diskutiert. In diesem Diskurs werden Vor- und Nachteile meist eher trennscharf und unidirektional voneinander aufgeführt. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Dass je nach Kontext, Interpretation und Perspektive bestimmte Vorteile von Bitcoin auch Nachteile sein können – und Nachteile auch Vorteile – wird im Diskurs typischerweise vernachlässigt. So wird der hohe Energieverbrauch beispielsweise häufig als ausschließlicher Nachteil dargestellt, obgleich dieser in großem Maße zu Bitcoins Sicherheit beiträgt. Ein Bitcoin-Feature, das für einen Betrachter ein Nachteil ist, kann für einen anderen Betrachter hingegen einen Vorteil darstellen. Dieser Verschmelzung von Vor- und Nachteilen gehen wir im Folgenden anhand drei häufig diskutierter Nachteile (oder Vorteile?) Bitcoins nach.
Energieverbrauch
Einer der größten Kritikpunkte an Bitcoin ist sein immenser Energieverbrauch. Nach Schätzung des Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index verbraucht Bitcoin mit 118 Terawattstunden pro Jahr derzeit sogar mehr Strom als die Niederlande. Dieser hohe Energieverbrauch hängt mit Bitcoins Konsensmechanismus Proof-of-Work zusammen, bei dem – stark vereinfacht gesprochen – sogenannte Miner mathematische Rätsel lösen müssen.
Die Rätsel können nur durch Ausprobieren gelöst werden, was durchschnittlich alle 10 Minuten der Fall ist. Dieses Ausprobieren kostet erhebliche Rechenleistung und verbraucht folglich Strom. Zur Einordnung: Bis ein valider Block zur Blockchain hinzugefügt wird, werden derzeit durchschnittlich 86 Milliarden Versuche zur Lösung des Rätsels benötigt.
Der Proof-of-Work-Konsensmechanismus ist allerdings bewusst auf diese Art und Weise ausgestaltet. Er sorgt dafür, dass theoretisch jede Partei mit einem internetfähigen Gerät als Validator der Bitcoin-Transaktionen agieren kann. Dies ermöglicht einen hohen Grad an Dezentralität und Resilienz, sodass das Bitcoin-System auch dann problemlos funktioniert, wenn Validatoren ausfallen, betrügerisch agieren, bzw. nicht verfügbar sind. Diese Resilienz ist ein entscheidender Vorteil gegenüber zentralisierten Systemen, wie dem aktuellen Bankensystem. Hier funktioniert das System nur dann einwandfrei, wenn die Bank, die eine Zahlung abwickelt, auch verfügbar ist. Darüberhinaus sorgt der Proof-of-Work und die damit verbundenen Energiekosten zur Lösung des Rätsels dafür, dass das Bitcoin-System zu einem der sichersten Systemen der Welt zählt.
Warum? Um das Bitcoin-System zu knacken, müsste eine Partei mehr als 50% der Rechenleistung im Bitcoin-System übernehmen. Hierfür müssten basierend auf aktuellen Daten alleine Hardware-Anschaffungen von rund acht Milliarden US-Dollar getätigt werden – und das ohne die substanziellen Kosten für Elektrizität. Folglich ist der hohe Energieverbrauch der Preis für die Erschaffung eines dezentralen, resilienten und sicheren globalen Zahlungssystems.
Transparenz
Nicht nur beim Thema Energieverbrauch gehen die Meinungen auseinander. Auch die Themen Privatsphäre und Transparenz von Bitcoin spalten die Gemüter. Doch warum eigentlich Transparenz? Ist Bitcoin nicht komplett anonym? Bitcoin wird tatsächlich oft als anonymes Zahlungsverkehrssystem bezeichnet. Dabei ist es vermutlich das transparenteste Zahlungsverkehrssystem der Welt. Jede einzelne Bitcoin-Transaktion ist für immer und ewig in der Bitcoin-Blockchain gespeichert und für jeden einsehbar. Es lassen sich zwar keine Klarnamen finden – d.h. eine Suche nach den Transaktionen von Max Mustermann wird keine Ergebnisse liefern – allerdings finden sich sehr viele Metadaten zu einzelnen Transaktionen, wie beispielsweise Betrag und Zeitpunkt einer Zahlung. Des Weiteren ermöglicht die Pseudonymität der Bitcoin-Blockchain die Erstellung einer Zahlungshistorie einer jeden Bitcoin-Adresse.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Eigenschaften der Bitcoin-Blockchain große Vorteile für Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit der Verfolgung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat. Die Verknüpfung der On-chain-Zahlungsdaten mit Off-chain-Informationen wie beispielsweise dem Zahlungsbetrag und Zeitpunkt eines Drogenkaufs im Darknet ermöglichte es illegale Transaktionen aufzudecken. So gelang es dem FBI, den Gründer und Betreiber von Silk Road zu identifizieren. Silk Road war ein Online-Marktplatz, der u.a. den Kauf und Verkauf von illegalen Drogen im Wert von rund einer Milliarde USD abgewickelt hat. Als Zahlungsmittel wurde hierbei v.a. Bitcoin verwendet.
Mittlerweile gibt es eine Reihe professioneller Dienstleister, die sich auf die forensische Analyse der Bitcoin-Blockchain spezialisiert haben und dabei helfen, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und andere illegale Transaktionen aufzudecken. Das bedeutet natürlich gleichzeitig – und damit kommen wir zum Nachteil – dass Bitcoin nur sehr bedingt echte Privatsphäre zulässt. Man muss also einiges dafür tun, um seine Privatsphäre zu schützen.
„Bitcoin lässt nur sehr bedingt echte Privatsphäre zu.“
Es gibt seit längerem Bestrebungen, die Anonymitäts-Features von Bitcoin zu verbessern, beispielsweise durch Coin Mixers oder das Schnorr/Taproot Update. Tatsächlich gibt es allerdings andere Kryptowährungen, die deutlich anonymer sind als Bitcoin, wie beispielsweise Z-Cash oder Monero.
Selbstsouveränität
Eine weitere Herausforderung ist, dass es mit Verantwortung verbunden ist, Bitcoin zu halten. Von den den bislang rund 19 Millionen geschürften Bitcoins (Stand: April 2021), sind gemäss einer Schätzung von Chainalysis.com 3,7 Millionen verloren. Das entspricht am 25. April 2021 einem Gegenwert von rund 153 Milliarden Euro. Diese Situation ist unter anderem auf verlorene Private Keys (private Schlüssel) zurückzuführen, alphanumerische Zeichenfolgen, die das Senden und Empfangen von Bitcoins validieren und vor Zugriffen durch Unbefugte schützen. Geht ein Private Key verloren, gehen auch die damit verbundenen Bitcoins für immer verloren – denn es nicht möglich, Private Keys zurückzusetzen. Somit sind Private Keys wichtiger als etwa ein Passwort für ein Bankkonto, das zurückgesetzt werden kann.
Auch werden unterschiedliche Angriffsmethoden verwendet, um Zugang zu Bitcoins zu erhalten. Diese sogenannten Exploits, die von einfach bis hoch entwickelt reichen, zielen auf alle Schwachstellen ab, die einer jeweiligen Speichermethode inhärent sind. Wenn Bitcoin-Besitzer unachtsam mit ihren Wallet-Kennwörtern umgehen, können sie von Hackern angegriffen werden. Diejenigen, die Depot-Lösungen von Drittanbietern verwenden, setzen ihr Bitcoin-Vermögen den Sicherheitsprotokollen aus, die von solchen Diensten übernommen wurden. “Not your keys, not your coins” (“Nicht dein Schlüssel, nicht deine Münzen”) ist eine beliebte Maxime im Krypto-Space. Sie dient dazu, vor den Risiken zu warnen, die mit der Speicherung von Kryptowährungen bei Drittanbietern verbunden sind.
In der Tat gibt es Hacks von Krypto-Börsen, bei denen Cyberkriminelle in schlecht gesicherte Plattform-Geldbörsen eingebrochen sind, um Kundengelder zu stehlen. Als Beispiel kann der Hack der ehemals weltweit größten Krypto-Börse Mt Gox angeführt werden. Im August 2013 wurden noch rund 60 Prozent des weltweiten Bitcoin-Handelsvolumens über die Plattform vermittelt.
Im Jahre 2014 hat das Unternehmen 750.000 Bitcoins seiner Kunden und etwa 100.000 eigene Bitcoins verloren. Sieben Prozent aller Bitcoins wurden im Laufe der Jahre aufgrund der Sicherheitsprobleme von Mt Gox gestohlen.
Dieselben Funktionen, die Bitcoin so wertvoll machen (darunter Berechtigungslosigkeit, Zensurresistenz, Beschlagnahmeresistenz), machen es demnach auch für böswillige Akteure attraktiv. Sind die geschilderten Herausforderungen jedoch unter Kontrolle, bietet Bitcoin seinen Eigentümern dafür Souveränität über ihr Geld. Der Satz “Be Your Own Bank” („Sei deine eigene Bank“) beschreibt die Macht und Eigenverantwortlichkeit, die Bitcoin seinen Eigentümern ermöglicht. Anonymität bleibt dabei ein beliebtes Feature von Bitcoin, denn Bitcoin ermöglicht den Benutzern zumindest theoretisch mehr Autonomie über ihr eigenes Geld als Fiat-Währungen. Benutzer können steuern, wie sie ihr Geld ausgeben, ohne sich an eine zwischengeschaltete Behörde wie eine Bank oder eine Regierung zu wenden. Gehen also Private Keys nicht verloren und werden Krypto-Börsen nicht gehackt, bietet Bitcoin tatsächlich die Chance, selbstsouverän seine eigene Bank zu bauen.