Das 2016 in Lyon gegründete Agicap hat seine Series B Fundingrunde in Höhe von 82 Millionen Euro abgeschlossen. Angeleitet wird die Runde von Greenoaks mit Unterstützung durch die bestehenden Investoren BlackFin Capital Partners und Partech Partners. Die Bewertung steigt damit auf über 500 Mio. US-Dollar an.
Seit Ende 2020 sind die Franzosen auch mit einem Büro in Berlin vertreten. Der hiesige Markt soll mit dem aktuellen Funding das Zugpferd des Unternehmens werden. Immerhin gilt Deutschland als das Land mit der höchsten Anzahl an KMUs. Im Jahr 2018 gab es in Deutschland laut IfM Bonn rund 3,47 Millionen kleine und mittlere Unternehmen.
Excel ist der größte Konkurrent
Doch rund 25.000 Unternehmen gehen jedes Jahr pleite, weil Kunden zu spät gezahlt haben. Die Pandemie hat das Sterben der KMUs sogar noch verschärft. Doch obwohl die Liquidität im Mittelpunkt jeder Unternehmensentscheidung steht, sind Probleme zum Teil auch hausgemacht. Denn „90 Prozent oder mehr Unternehmer nutzen für ihre Liquiditätsplanung nach wie vor Excel“, sagt Stephan Krehl, der seit Oktober 2020 als Country Manager für den deutschen Markt bei Agicap verantwortlich ist. Gleichzeitig ist Excel damit auch „unser größter Konkurrent“, sagt er weiter.
Das Problem mit den Tabellen: Sie sind zeitaufwändig, die Fehlerquote beim Datenübertrag hoch und vor allem wird es ab einer gewissen Größe trotz geschicktem Kopfrechnen schwer, mögliche Zahlungsausfälle gegenzurechnen und zu überbrücken.
Agicap bietet Saas-Modell im Abo
Hier setzt Agicap von Sébastien Beyet, Clément Mauguet und Lucas Bertola an. Das Unternehmen bietet KMUs ein Cashflow Management-Produkt im Abo-Modell an, mit dessen Hilfe die Unternehmen ihre Finanzen in Echtzeit im Blick haben können: Bankkonten werden durch Banking-APIs verknüpft, so dass Unternehmer Echtzeitanalysen des Cashflows übermittelt bekommen, denn gerade im Mittelstand fehlen oft die Ressourcen, das Wissen, aber auch die Werkzeuge, Liquidität aktiv zu steuern.
Die Series B Funding Runde erfolgt nur ein Jahr nach der 15 Millionen Euro Series A Runde, angeführt von Partech Partners. Die vorangegangene Seed-Runde wurde seinerzeit angeleitet von BlackFin Capital Partners. Mit dem öffentlichkeitsscheuen Investor Greenoaks aus San Franzisko haben sich die Franzosen nun einen überaus interessanten VC an Bord geholt.
Skalierbare Unternehmen im Visier von Greenoaks
Greenoaks investierte zuvor bereits Deliveroo, Robinhood, Counpang, Brex, Airtable, Discord, Gorllias sowie zuletzt Vivid Money und beweist damit ein extrem gutes Näschen für wachstumsgetriebene Unternehmen. Das dürfte mehr als ein Zeichen sein. Alles in allem konnte Agicap insgesamt 99 Millionen Euro einsammeln.
Agicap ist aktuell in Spanien, Italien und den Niederlanden aktiv. Österreich wird von Deutschland aus gesteuert. Das frische Kapital soll nun dazu dienen, das Wachstum in Europa voranzutreiben. Zehn weitere stehen schon auf der Liste. „Agicap ist ein rasant wachsendes Unternehmen. Wir werden vor allem in Deutschland, aber auch an unseren anderen Standorten enorm ins Recruiting investieren, um unsere Lösung weiterzuentwickeln“, sagt Krehl.
Das Berliner Team soll sich bis Jahresende mehr als verdoppeln, bis Ende 2022 auf rund 200 Mitarbeiter wachsen. Ziel ist es, den Berliner Standort zur größten nationalen Niederlassung zu machen. Gesucht sind vor allem Mitarbeiter im Vertrieb.
Bislang Mitbewerber noch in der Nische
Das Recruiting zeigt die Marschrichtung. Insgesamt 3000 Kunden zählt Agicap über alle Märkte hinweg derzeit. Über die genaue Anzahl hierzulande macht Krehl jedoch keine Angaben. Klar aber ist, dass es mehr werden sollen. „Das Wachstum im letzten halben Jahr hat gezeigt, dass wir schnell skalieren können“, sagt Krehl selbstbewusst, „und das war ein ganz wesentlicher Grund für die Investmententscheidung.“
Interessant ist es, dass der Markt der Saas Cashflow-Lösungen hierzulande noch ein Nischenmark ist. Mit Commitly, Tresio aus der Schweiz, Planguru oder dem 2020 gestarteten Berliner Unternehmen flowpilot gibt es zwar eine Reihe Startups, die in diesem Segment aktiv sind, doch der große Durchbruch bliebt für sie alle bislang aus. „Das Thema klingt zunächst total simpel“, sagt Krehl, „ist aber im Endeffekt hochkomplex.“