Das war schon eine kleine Sensation letzte Woche: GW 1-GW 2002-2009/0002Hinter diesem Geschäftszeichen der “Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht” (kurz BaFin) verbirgt sich möglicherweise mehr als auf den ersten Blick klar wird.
Zur kurzen Historie:
Im März 2014 hatte die BaFin mit dem Rundschreiben 1/2014 das Video-Legitmitationsverfahren in Deutschland erlaubt. Eine sehr wichtige und auch richtungsweisende Entscheidung, da Hürden für den aus Geldwäschegründen so wichtigen KYC (Know your Customer) Prozess deutlich reduziert und Medienbrüche weitestgehend überflüssig gemacht wurden. Die BaFin und damit Deutschland, war an der Stelle europaweit Vorreiter für die Erneuerung einer wichtigen Basistechnologie für digitale Modelle.
Schnell setze sich die Technologie durch – und nicht, wie manchmal fälschlich angenommen, nur bei neuen Playern, sondern oft FinTechs wie z.B. N26, und auch bei den meisten traditionellen Banken wie ING, Deutsche Bank oder DKB.
Dann aber kam, rund 2 Jahre später, mit einem erneuten Rundschreiben ( 4/2016 vom 10. Juni 2016) die große Ernüchterung auf allen Seiten. Die Hürden im Video-Prozess wurden mit diesem neuen Rundschreiben so hoch gelegt, dass der Prozess nahezu ad absurdum geführt wurde und alle Beteiligten im Markt sich einig waren, dass der Fortschritt aus dem Jahr 2014 nahezu komplett aufgefressen wurde.
Dieser Protest und die damit einhergehend lauten Stimmen aus dem Markt führten dann im Juli zu einem Aussetzen des Rundschreibens seitens der BaFin und nachfolgend zu einer Unklarheit über die Zukunft des Video-ID Verfahrens bis zum Montag letzter Woche.
Mit dem neuen Rundschreiben wurden die Anforderungen an das Verfahren geschärft, aber in einem Rahmen, in dem das eigentliche Ziel eines digitalen KYC mit wenigen Hürden erhalten bleibt.
Sicher habe ich in der Historie das eine oder andere vergessen, aber wichtig erscheint mir vor allem das Ergebnis und der Weg dorthin: Zuhören und adaptieren!
Etwas das wir bei paymentandbanking in den letzten Monaten und Jahren intensiv begleiten und verfolgen, dass Näherrücken aller Beteiligten in der Industrie, scheint Früchte zu tragen.
Gab es am Anfang der sogenannten “FinTech-Bewegung” fast gar keinen Austausch zwischen Etablierten und neuen Playern, so kam es in Folge zu ersten Berührungen auf Konferenzen und Empfängen. Nun aber scheinen viele eine Arbeitsebene gefunden zu haben und dabei nicht mehr nur über, sondern vor allem konstruktiv miteinander zu sprechen.
Dies alles wird für mich deutlich, an der Historie von Video-Ident, welches in der heutigen Form ohne die neuen Player wie ID Now oder WebID zum einen gar nicht da wäre und zum anderen ohne die es wohl auch zu keiner Aufhebung des Rundschreibens 4/2016 gekommen wäre.
Weitere Zeichen dieses Wandels in der Zusammenarbeit sind darüber hinaus:
Die Mitgliedschaft von FinTechs im BdB
Das FinCamp im BMF im Jahr 2016
Die erste BaFin Tech Konferenz im Jahr 2016
Der neu geschaffene FinTech Beirat im BMF
eine neue Einheit in der BaFin und aktiver Austausch mit neuen Anbietern
Schnelle Banklizenzen für Solaris und n26
und vor allem die die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Banken und FinTechs im Alltag.
Vielleicht bin ich zu euphorisch, aber ich sehe immer mehr konstruktives Auseinandersetzen, Zuhören und Verstehen neuer Modelle statt ein nach Hinten schauen der Industrie und das ist gut so, da die nächsten Themen bereits vor uns liegen und auch nach konstruktiven und auf gegenseitigem Verständnis basierenden Lösungen rufen:
Nutzung von echten Cloud Infrastrukturen
MIFID 2 und Robo Advisor
praktische Umsetzung der PSD2 und Kontoinformationsdienste darüber hinaus
Datenschutz – Datensouveränität
Vereinheitlichung im EU-Kontext
etc.
Schön auf den Punkt brachte die neue Nähe, der geschätzte Kollege Jörg Howein von Solaris auf Twitter: @J_Howein: “Wir sind doch alle #GWG-Nerds : twittern ein BaFin-Rundschreiben und freuen uns über selbiges ;-)”
André M. Bajorat ist seit fast 30 Jahren in der deutschen Digitalwirtschaft zu Hause. Über die Stationen SK Online, Star Finanz, giropay und Number Four kam er 2012 als Business Angel zu figo. Das Unternehmen führte er von 2014 bis September 2019 als CEO von einer b2c App zu einem von der BaFin regulierten Banking as a Service Provider. Seit 2020 ist er Teil des deutsche Bank Konzerns und seit Mitte 2022 Managing Director bei einem deutschen Assetmanager.
Er ist zudem Gründer und Herausgeber des erfolgreichen Branchen-Portals paymentandbanking.com, Podcaster, Investor (figo, Finleap, Loanlink, Sparkdata, Weddyplace, nufin, portify, moss, compa, brygge, embeddedcapital, PlanetA, Naro), Mitglied im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums, aktives Mitglied im Bitkom, Herausgeber des Buches “Köpfe der digitalen Finanzwelt” und international gefragter Speaker. Inhaltliche Schwerpunkte sind Banking, Payment, FinTech, API-Banking, digital Assets und Crypto.
Außerdem ist er Mit-Initiator und Ausrichter der Wahl zum „FinTech des Jahres” sowie der Eventreihen Bankathon, Payment Exchange, Banking Exchange und Transactions.io.
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