Advent erwirbt Mehrheitsbeteiligung an Zahlugsanbieter Mangopay

Das französische Fintech Mangopay ist hierzulande noch nicht so bekannt. Das könnte sich ändern, denn der in Paris ansässige Anbieter von Zahlungslösungen für den E-Commerce wurde von dem US-amerikanischen Private-Equity-Investor Advent übernommen. Im Zuge des Eigentümerwechsels wird Advent 75 Millionen Euro an Primärkapital einbringen. Im Zuge der Expansion steht auch Deutschland auf der Agenda.

Dies sei ein wichtiger Schritt auf unserem Weg, ein führender und globaler Anbieter von Zahlungslösungen für Marktplätze und Plattformen zu werden, heißt es zu der Übernahme auf dem Unternehmensblog. Mangopay wurde 2013 als Anbieter für Zahlungslösungen für Marktplätze 2013 gegründet und ermöglicht es über ein White-Label den Kunden, Zahlungen von Verbrauchern zu akzeptieren, Verkäufer einzubinden und Gelder weiterzuleiten.

Nicht die erste Übernahme

Die Plattform war zuvor von der französischen Bankengruppe Crédit Mutuel Arkéa übernommen worden. Sie wird weiterhin eine Minderheitsbeteiligung an Mangopay halten. Die Investition soll dazu beitragen, das Wachstum des Unternehmens zu beschleunigen – mit Fokus auf internationale, vertikale und Produktentwicklung.

Was das konkret heißt? Mangopay-Gründer Romain Mazeries: „Wir werden wir ein ganzes Ökosystem von Dienstleistungen rund um die Mangopay-Bankumgebung anbieten und unsere internationale Präsenz verstärken.“ Dazu zählen in erster Linie zunächst europäische Märkte sowie den Vereinigten Staaten.“ Aktuell sind 30 Prozent der Mangopay-Aktivitäten in Deutschland angesiedelt.

Das Unternehmen mit Hauptsitz in Paris bietet Zahlungslösungen für globale Händler wie Chrono24, Paulcamper, Elopage, Exporo AG, und weitere. Für das Jahr 2022 erwartet das Unternehmen Transaktionen im Wert von 13 Milliarden Euro abzuwickeln. Bereits ab diesem Jahr will Mangopay in der Lage sein, chinesische Händler zu integrieren. Ferner werde man an Zahlungsinfrastrukturen arbeiten, die die Digitalisierung des B2B-Handels und den Aufstieg von Web3-Plattformen unterstützen.

Payment and Banking sprach im Vorfeld mit Romain Mazeries über den Erfolg französischer Fintechs, den harmonisierten Zahlungsverkehr in Europa und über Wettbewerber aus Deutschland

Herr Mazeries, warum holt Frankreich in Sachen Payment aktuell so auf?

Mit 93 Deals und 2,273 Milliarden Euro (+174 Prozent) hat das Fundraising französischer Fintechs im Jahr 2021 erneut alle Rekorde gebrochen. Die Zahl der Deals hat in den letzten drei oder vier Jahren exponentiell zugenommen. Meiner Meinung nach ist Frankreich das europäische Land mit der größten Dynamik in Bezug auf die Gründung und Finanzierung von Start-ups. Dies ist hauptsächlich auf die gleichzeitige Entwicklung von drei Ressourcen zurückzuführen:

Die Entwicklung des Risikokapitals ist der erste Faktor. In diesem Bereich waren wir unter den Letzten in Europa. Der Finanzierungsmarkt in Frankreich lief fast ausschließlich über die Banken, die kaum Start-ups finanzierten. Heute gehören wir zu den Spitzenreitern im Bereich des Risikokapitals. Es wurde von der öffentlichen Hand über die BPI (Banque Publique d’Investissement), aber auch von internationalen Investoren aufgrund der Attraktivität unseres Ökosystems gefördert.

Die zweite Ressource ist die Unterstützung durch Vorschriften oder günstige Regelungen für technologische Innovationen. In Frankreich hat eine Art „Kulturrevolution“ stattgefunden. Unsere Aufsichtsbehörden haben zusammengearbeitet, vor allem die Autorité des marchés financiers (AMF) und die Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR). Unsere Regulierungsbehörden haben außerdem eine Reihe von Mechanismen zur Unterstützung des Sektors geschaffen.

Die dritte und wichtigste Ressource schließlich ist der Markt selbst. Heutzutage wählen die Verbraucher verschiedene Anbieter und wollen ihren Zugang zu Finanzdienstleistungen aktiv gestalten. Fintechs ermöglichen es ihnen, ihre eigenen Zahlungslösungen zu entwickeln. Sie sind sehr viel anspruchsvoller, wenn es um Dienstleistungen und Preise geht, und wollen die besten Nutzererfahrungen machen und das Beste nutzen, was die Technologie zu bieten hat.

All dies hat die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen unternehmerischen Umfelds ermöglicht.

Welches Land sehen Sie weiterhin führend?

Europa hat den Weg für Fintech-Innovationen geebnet, indem es Pionierarbeit bei der Bereitstellung vollständiger Bankdienstleistungen über eine mobile App, bei der Hyperpersonalisierung von Karteninhabern und bei der Entwicklung von Agency-Banking-Funktionen geleistet hat. Im Bereich des Zahlungsverkehrs war Europa Vorreiter bei der Einführung von Chip und PIN, Multi-FX, kontaktlosen Zahlungen und Buy Now Pay Later

Gemessen an der Höhe der Investitionen (laut KPMG 58,1 Mrd. USD im Jahr 2019) oder der Zahl der neu erteilten E-Geld-Lizenzen (394 E-Geld-Institute sind derzeit tätig) ist Europa das Epizentrum der globalen Fintech-Revolution.

Wenn wir jedoch zwei Länder herausgreifen müssen, können wir Großbritannien und die Niederlande hervorheben. Das Vereinigte Königreich ist die Heimat von 72 Einhörnern, und davon sind ein Viertel Fintechs. Außerdem bilden die Niederlande einen der innovativsten Märkte. Die Qualität der IT-Infrastruktur, der gute Ruf der niederländischen Regulierungsbehörden und der Zugang zu hochqualifizierten Talenten ziehen nach dem Brexit immer mehr Finanzdienstleister an. Darüber hinaus haben die Niederlande mit 63 Prozent die höchste Penetration von Mobile Banking in Europa.

Europa, so sagen Sie, braucht einen harmonisierten Zahlungsverkehr …

Der Empfang von Online-Zahlungen scheint einfach genug zu sein, aber für viele Marktplatzbetreiber ist es ein zunehmend komplexes Minenfeld. Händler jeder Größe suchen nach einer vereinfachten Zahlungsintegration, idealerweise nach einer einzigen Lösung, die alle Zahlungsmethoden ihrer Kunden miteinander verbindet. Für Händler ist es schwierig, jeden Zahlungsmarkt unabhängig voneinander zu integrieren, vor allem wenn sie keine Erfahrung in diesem Bereich haben. Daher würde ein einheitliches Zahlungssystem den europäischen Händlern große Vorteile bringen. Allerdings muss die Lösung sofort verfügbar sein, da der Markt eine tatsächliche Echtzeit-Zahlungslösung erwartet.

Sie stellen die Vorherrschaft der US-Kreditkartenkonzerne zunehmend in Frage. Woher nehmen Sie dieses Selbstbewusstsein?

Als wir Mangopay 2013 ins Leben riefen, standen Marktplatzmodelle und die Sharing Economy gerade erst am Anfang. Eine Generation von Unternehmern tauchte auf, die sich in unerforschte Bereiche vorwagte und diese in erfolgreiche Geschäftsmodelle verwandelte.

Vom ersten Tag an haben wir eine Lösung entwickelt, um Marktplätze bei der Überwindung der technischen, geschäftlichen und rechtlichen Hürden zu unterstützen. Unser Ziel war es immer, sie mit robusten Zahlungstechnologien und einer sicheren Zahlungsumgebung auszustatten, damit sie wachsen können.

Wir waren einer der ersten Anbieter einer solchen Lösung und haben einige unserer Kunden, florierende und innovative Plattformen wie Vinted, Malt, Wallapop und Chrono24, seit ihren Anfängen begleitet, indem wir ihnen immer wieder Innovationen und individuelle Unterstützung bei der Abwicklung ihrer komplexen Zahlungsströme geboten haben.

Es ist ein befriedigendes Gefühl, Teil all dieser Geschichten zu sein. Unsere Überzeugung, dass Marktplätze und Plattformen eines Tages die am schnellsten wachsenden Segmente in der E-Commerce-Landschaft sein werden, ist einer der Gründe, warum wir so selbstbewusst sind. Wir glauben, dass wir das nächste europäische Einhorn in der europäischen Zahlungsindustrie sein können.

Welche Anzeichen für diese Entwicklung sehen Sie in Gesamt-Europa?

Vor einigen Jahren wurde der Begriff „Marktplätze“ verwendet, um eine Handvoll Akteure zu beschreiben. Zu den bekanntesten gehören Alibaba, Cdiscount, Ebay, Rakuten oder der französische „Leboncoin“. Seit 2020 ist das Phänomen in ganz Europa verbreitet und die Erfolgsgeschichten häufen sich. Letztes Beispiel: Malt erwirbt Comatch, den deutschen Marktplatz für Beratungsdienstleistungen, um seine europäische Führungsposition auf dem Markt für Freiberufler zu stärken.

Wir sind heute Zeugen einer echten „Plattformisierung“ der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft. Niemand kann die Vorherrschaft digitaler Plattformen über verschiedene Aspekte unseres täglichen Lebens bestreiten. Einem Mirakl-Bericht zufolge ist die Aktivität von Marktplätzen im vierten Quartal 2020 um 81 Prozent gestiegen. Das ist doppelt so viel wie das Wachstum des gesamten globalen E-Commerce im gleichen Zeitraum. Sicherlich haben Unternehmen wie Amazon von der Gesundheitskrise und dem Online-Shopping-Boom profitiert. Aber das Marktplatzmodell ist bei Weitem nicht nur ein Trend: Es ist die Zukunft des Handels. Tatsächlich schätzt Gartner, dass bis Ende dieses Jahres 2022 75 Prozent der Einkäufe über Marktplätze getätigt werden. 

Welchen Mitbewerber sehen Sie in Deutschland als größte Konkurrenz an?

Mangopay wurde mit der Überzeugung gegründet, dass sich die Plattformisierung des E-Commerce beschleunigen und zur Norm werden würde. Das würde zu bedeutenden Veränderungen in der Art und Weise führen, wie wir konsumieren und handeln. Im Jahr 2013 war dies eine ehrgeizige Vision, die heute durch unseren Erfolg der Unternehmer, die uns vertrauen, verwirklicht wird. 

Heute sind wir in einem riesigen und expandierenden Markt tätig. Im Jahr 2020 wurden 1,84 Milliarden E-Commerce-Transaktionen gezählt, 8 Prozent mehr als im Vorjahr. Das macht den Aufschwung des E-Commerce deutlich, dessen Umsatz zwischen 2006 und 2020 um durchschnittlich 18 Prozent pro Jahr gestiegen ist.

Der Markt für Online-Zahlungen befindet sich eindeutig im Aufschwung und dürfte eine glänzende Zukunft vor sich haben. In Europa und in Deutschland sind viele neue Anbieter am Start. Aber wir haben keinen direkten Konkurrenten, der es den Marktplätzen, vom Generalisten bis zum Spezialisten, ermöglicht, komplexe, personalisierte und sichere Zahlungsströme zu schaffen, um den Austausch zwischen ihren Nutzern zu erleichtern.

Zu diesem Thema auch interessant: Vive la France! Französische Fintechs auf dem Vormarsch

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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