Warum die Apple Card schneller nach Deutschland kommen kann als viele glauben

Warum die Apple Card schneller nach Deutschland kommen kann als viele glauben

Wir sind uns beim Team von Paymentandbanking.com in vielen Punkten zu Entwicklungen des Marktes oft sehr einig. Umso schöner für die Leser, wenn dies ab und an nicht der Fall ist. Zuletzt hatten wir unterschiedliche Ansichten beim Thema Apple Sign-In, als ich dessen Marktwirkung als sehr positiv einschätzte und Rafael laut “Veto” rief und die Situation ganz anders wahrnahm. Nun haben wir (warum eigentlich immer bei Apple-Themen?) eine ähnliche Situation. Maik glaubt daran, dass wir die Apple Card so schnell nicht in Deutschland sehen werden. Ich sehe es grundlegend anders und wette, dass bei einer internationalen Expansion des Produktes außerhalb der USA wir auch in Deutschland spätestens 2021 die Apple Card sehen werden.

Apple Card als Bestandteil der zukünftig wichtigen Services-Strategie von Apple

Der Geschäftsbereich Abo-Services, in den die Apple Card fällt, wächst via iCloud, Apple Music und Apple News seit Jahren. Im letzten Quartal hat Apple erstmals, auch dank seiner Dienstleistungssparte, die Abhängigkeit von den iPhone-Verkäufen reduziert. Bei fallenden Umsätzen der iPhone-Sparte konnte Apple einen über alle Geschäfts-bereiche kumuliert steigenden Umsatz berichten.

Warum die Apple Card schneller nach Deutschland kommen kann als viele glauben

Mit alleine 13% stieg der Umsatz der Services-Sparte auf $11,5 Milliarden in dem Quartal. Die Strategie von CEO Tim Cook scheint aufzugehen und wird durch die für Jahresende angekündigten Dienste wie Arcade und TV+ vermutlich noch beschleunigt.

Apple geht beim Services-Angebot, wie viele andere US-Firmen, nach einem ähnlichen globalen Playbook vor: Launch von Produkten in den USA und bei Erfolg eine schnelle Internationalisierung ohne wesentliche Änderungen. Die Karte scheint ein Erfolg zu werden. Laut Apple ist das US-Kundeninteresse “terrific” und Forbes berechnete die Gesamterträge aus dem US-Kartenprogramm für Apple und seine Partnerbank mit $5 Miliarden alleine bis 2020. Wenn sich diese frühen Indikatoren bestätigen, wird Apple eher früher als später versuchen das Programm zu internationalisieren. Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas ist mit Sicherheit sehr weit oben auf der Expansionsliste.

Vergleich Apple Pay & Apple Card: Internationalisierung

Apple ist sehr erfahren darin, Produkte und Dienstleistungen mit einer Abhängigkeit von externen Partnern zu internationalisieren. Das iPhone wurde in enger Partnerschaft mit Mobilfunkanbietern internationalisiert. Bei Apple Music und Apple TV musste Apple die lokalen Inhalte bzw. Lizenzen über Medienpartner gewinnen, bevor die Expansion möglich war. Bei Apple Pay dauerte die Expansion jenseits der US-amerikanischen Landesgrenzen jedoch ungewöhnlich lange. Apple Pay wurde in den USA über eine gleichzeitige Kooperation mit allen relevanten Großbanken 2014 in einem “Big Bang” gestartet.

Warum die Apple Card schneller nach Deutschland kommen kann als viele glauben

Etwa im UK, in Australien, der Schweiz und zuletzt auch in Deutschland hat diese Strategie nicht funktioniert. Apple lernte daraus und veränderte seinen Ansatz in das bekannte Vorgehen in Wellen über eher innovative erste Banken pro Land. Mittels PR und Kundeninteresse bis Kunden-abwanderungen knackte Apple selbst die härtesten Widerstände der letzten Kooperationsbanken wie z.B. Barclays in UK, der Australischen NAB Bank, der Schweizer Credit Suisse sowie bei uns die Sparkassen und VR Banken. Für die Apple Card wird nur ein Bankpartner als Herausgeber benötigt. In ganz Europa durch das Passporting sogar theoretisch nur eine einzige Bank.

Im Gegensatz zu den langwierigen multiplen Verhandlungen sowie der Koordination von Kommunikation und Produktanbindung mit vielen Banken bei Apple Pay ist die Apple Card also ungleich schneller internationalisierbar und umzusetzen.

Co-Brand-Programme: viele Vorteile

Sehr erfolgreiche Co-Brand-Programme kommen meist von Marken mit hohem, oft wiederkehrendem Kaufvolumen der eigenen Kunden (z.B. in Deutschland bei den Co-Brands von Amazon, Lufthansa, Miles & More, Deutsche Bahn und anderen) oder durch die Kombination von bestehenden Rewards- bzw. Kundenkarten mit Zahlungsfunktion (z.B. in Deutschland bei den Karten des ADAC, Payback und anderen). Diese Angebote stiften Mehrwerte für die besonders loyalen Kunden über der Eliminierung eines Stücks Plastiks aus der Geldbörse.

Ein weiterer Vorteil liegt in höheren Rabatten, Cash-Backs oder Rewardspunkten bei der Zahlung mittels der Co-Brand-Karte beim Markenpartner selbst. Apple ist selbst eine sehr große Akzeptanzstelle von Zahlungen und somit ein fast idealer Co-Brand-Markenpartner für ein solches Kartenprogramm. Zahlungen werden akzeptiert

  • beim Verkauf der Apple Hardware plus Zubehör in den eigenen Apple Stores
  • über monatliche Belastungen der Abos von Services wie iCloud und Apple Music
  • bis hin zu den mobilen In-App-Zahlungen

In dieser speziellen Konstellation ist es für die Nutzer meist auch völlig irrelevant, dass die Co-Brand-Kreditkarte eine geringere Akzeptanz als die normale Debit-Bankkarte, z.B. bei Bäcker / Metzger / Frisör, aufweist. Entsprechend sind die Diskussionen, wie beispielsweise zur Debit-Akzeptanz bei Apple Pay, bei einer Apple Card völlig irrelevant.

„Die Diskussionen, wie beispielsweise zur Debit-Akzeptanz bei Apple Pay, sind bei der Apple Card völlig irrelevant.“

Der Kunde hat alleine schon signifikante Mehrwerte durch den Einsatz beim Co-Brand-Partner. Ein Blick in die Geschäftsberichte der Banken als Herausgeber hinter den Zahlungskarten in Deutschland von Amazon, Lufthansa, ADAC & Co. belegt, dass Millionen deutsche Kunden sich längst für diese Form der Karten entschieden haben.

Zu erwartende Cashbacks

Kann Apple die gleichen Cashback-Sätze in Deutschland bzw. Europa anbieten, die sie schon in den USA haben? Früher wurden die Rewardspunkte/Cashbacks primär aus der Karten-Interchange, also dem Einsatz des Plastiks, bestritten. Seit der MIF-Regulierung hat sich für europäische Banken die Interchange auf 0,3% des Kaufbetrags reduziert. Mit dieser Interchange-Reduktion wurde oft das Ende von Co-Brand-Programmen bzw. deren Boni für die Endkunden vorhergesagt. Das Gegenteil ist jedoch eingetreten.

Oft unterstützt der Co-Brand-Partner die Cashbacks und Rewards finanziell oder diese werden von anderen Erlösen der Karte (Zins oder Gebühren) quersubventioniert. So lag der 2% Tankrabatt der ADAC-Kreditkarte schon immer höher als die deutsche Karteninterchange bei Tankstellen. Die Amazon-Kreditkarte gibt in Deutschland 0,5% Cashback auf alle Kartenumsätze und 2% auf alle Amazon-Käufe. Die erst 2018, lange nach der MIF-Regulierung eingeführte Amazon-Prime-Visakarte spendiert sogar 3% Cashback beim Amazon-Shopping. Die Cashback-Beträge bei Amazon in Deutschland sind prozentual gar nicht so weit weg vom “Hochinterchange”-Land USA. Dort gibt es pauschal 3% auf Amazon und Wholefood Market-Umsätze, 2% in Restaurants / Tankstellen / Drogerien und 1% bei sonstigen Karteneinsätzen. Wenn Amazon es mit seiner Partnerbank weiter schafft, Cashbacks in Europa anzubieten, die über der Interchange aus dem Karteneinsatz liegen, wird Apple das selbstredend auch anbieten können.

Kosteneinsparungen möglich

Ich stelle die These auf, dass eine deutsche Version der Apple Card, wie in den USA, 3% Cashback auf Bezahlungen bei Apple anbieten wird. Für den sonstigen Karten-einsatz werden wir mindestens 0,5% sehen. Sollte es Apple gelingen, ihre loyalsten Kunden von den eigenen itunes/app-Store-Gutschein-karten an den Einzelhandelskassen auf die eigene Co-Brand-Karte zu switchen, profitiert Apple sogar von signifikanten Kosteneinsparungen. Die Vollkosten für die Distribution dieser vorausbezahlten Karten im Handel liegen für Apple weit über 3% des Nennbetrags. Berück-sichtigt man weitere wiederkehrende Aktionsrabatte wie die von Apple selbst angebotenen 15% Zusatzguthaben des Aufladebetrags, liegen die Kosteneinsparungen signifikant über einem pauschalen Cashback.

Warum die Apple Card schneller nach Deutschland kommen kann als viele glauben

So lässt sich sehr einfach ein Cashback-Programm querfinanzieren, völlig unabhängig von jeglicher Interchange.

Eine “kostenlose” Kreditkarte, also ohne jegliche Jahresgebühr wie es die Apple Card in den USA darstellt, wird immer mal wieder wieder von Bankern im deutschen Markt als unmöglicher Business Case dargestellt. Trotz vieler Skeptiker hatte die KarstadtQuelle Bank in den 2000er Jahren in Deutschland schon bewiesen, daß sich Kartenportfolien ohne jegliche Jahresgebühr profitabel betreiben lassen. Dieses Modell wird bis heute in manchen Portfolien von Barclaycard, ING, DKB, Comdirect, N26, Revolut und anderen prominenten Kartenherausgebern angewandt. Entsprechend gibt es eigentlich auch keinen Grund dafür, daß die Apple Card in Deutschland ohne Jahresgebühr an den Markt gehen kann. Vielleicht sehen wir jedoch auch abgeschwächte Form in einer umsatzabhängigen Befreiung der Jahresgebühr.

Apple-Card-Launch für Banken und Sparkassen weniger dramatisch als befürchtet

Für Apple ergeben sich also bei den üblichen Co-Brand-Elementen (Cashback sowie keine/geringe Jahresgebühr) keine sonderlichen Probleme. Andere Co-Brand-Programme globaler Marken haben dies in Deutschland längst gezeigt. Wie sieht in diesem Kontext dann die Situation für hiesige Banken und Sparkassen aus? Werden Kundenbeziehungen, die von Banken gerade erst per Apple-Pay-Marketing-kampagnen ins Apple-Ökosystem eingebracht werden, dann einfach von Apple weggeschnappt?

Der eine oder andere Banker hat dies unter Schnappatmung sofort unterstellt. Nun ja, erst einmal muss man den Vertretern in den Kreditinstituten zurufen, dass die Kundenbeziehung und die Daten nicht der Bank, sondern dem Kunden gehören. Der Kunde ist mündig und das wird in den Türmen der Banken und Sparkassen leider viel zu oft vergessen. Außerdem war der Kunde meist vorher schon ein sehr zufriedener Nutzer im Apple-Ökosystem und brachte die Karten seiner Hausbank erst danach ein, statt umgekehrt über das Apple-Pay-Angebot seiner Bank plötzlich ein Apple-Nutzer zu werden.

„Der Kunde ist mündig und das wird in den Türmen der Banken und Sparkassen leider viel zu oft vergessen.“

Den Vertretern der Kreditinstituten, die Apple auch mal gerne in Reden als “Lord Voldemort”, den dunklen Antagonisten des Helden Harry Potter, bezeichnen, sei zugerufen: Genauso wie Amazon, Lufthansa, TUI, Deutsche Bahn, Payback, eBay, ADAC und viele andere nationale oder globale Co-Brand-Partner die eigentliche Hausbankverbindung nicht “weggeschnappt” haben, passiert es auch nicht von Apple mit der Apple Card. Apple ist nur ein weiterer Anbieter in einer Nische, der dafür sorgt, dass die ganz besonders loyalen eigenen Kunden eben die Karte des Co-Brand-Partners einsetzen. Schon seit Jahrzehnten und nicht erst mit einem möglichen Deutschlandstart einer Apple-Karte müssen sich Banken und Sparkassen überlegen, wie attraktiv ihre Standardkarten im Wettbewerb mit Co-Brandkarten überhaupt sind.

Fazit:
Top, die Wette gilt: Apple Card kommt viel schneller nach Deutschland als Apple Pay

In einer Zusammenfassung können wir also festhalten: Es gibt eigentlich keinen wirklichen Grund, der Apple davon abhalten sollte schnell die Apple Card zu internationalisieren und auch nach Deutschland zu bringen. Ich bin daher davon überzeugt, dass nach einem erfolgreichen US-Start der Apple Card in Cupertino schnell die Maschinerie der Internationalisierung gestartet wird. Deutschland als größte und kaufkräftigste europäische Volkswirtschaft ist dann mit Sicherheit sehr weit oben in der Prioritätenliste bei Apple. Es ist offen, ob Apple Europa über mehrere oder nur einen Bankpartner angehen wird. Es wird spannend zu sehen, welcher Bankpartner von Apple den Zuschlag bekommen wird. Last but not least ist eigentlich nur noch fraglich, ob wir die Karte schon 2020 oder erst 2021 in den Händen halten dürfen.

UPDATE 30.09.19 Apple CEO Tim Cook ist bei seinem aktuellen Besuch in Deutschland auf die Internationalisierung der Apple Card nach Deutschland eingegangen. „Wir wollen die Karte gerne überall anbieten. Bankprodukte müssten allerdings Land für Land eingeführt werden, weil Banken und Vorschriften überall unterschiedlich seien. Aber wir wollen damit auch nach Deutschland kommen.

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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