Anläßlich der Apple Entwicklerkonferenz hat der Tech-Gigant aus Cupertino angekündigt in das Geschäft der SignIns bzw. digitalen Identitäten vorzudringen. Dieses Segment wird bislang domininiert von Google SignIn und Facebook SignIn. Statt eigene Accounts bei Online-Services anzulegen mit eigenem Benutzernamen und Passwort, haben sich seit Jahren schon diese SignIn-Dienste etabliert. Mittels Google- oder Facebook SignIn meldet man sich beispielsweise bei Onlinediensten und -Händlern an. Für den Kunden ist die Sache sehr bequem. Er kann kontrollieren welche Elemente bei Google und Facebook hinterlegten Daten, Dritten zur Verfügung gestellt wird. Das kann beispielsweise Name, eMail, Adresse etc. sein. Durch diese Dienste kann auf die Erstellung eines eigenen Kontos und damit die x-te Eingabe neuer Benutzerdaten verzichtet werden. Das Geschäftsfeld ist hochkompetitiv.

Neben den Platzhirschen Google und Facebook sind längst andere Anbieter eingestiegen wie z.B. Microsoft über Linkedin SignIn, PayPal SignIn aber auch deutsche Konzerne wie Allianz, Springer, Lufthansa, Deutsche Bank & Co mit ihrem Dienst Verimi oder RTL, Pro7Sat1 und United Internet mit netID. Selbst die Sparkassen und VR-Banken planen einen solchen Dienst in Kooperation mit dem StartUp yes.com. Ein Nachteil sowohl bei Verimi als auch netID ist, daß Kunden sich erst neu onboarden müssen, also sich einen neuen Benutzernamen und Password vergeben. Das Interesse dafür korreliert mit der Akzeptanz der Verfahren, die noch überschaubar ist.

SignIn with Apple

Apple kommt spät ins Spiel, gar zu spät? Google und Facebook dominieren den Markt längst und Kunden nutzen deren SignIn Produkte über eine Vielzahl von externen Seiten im Netz. Die Bequemlichkeit des SignIn kommt aber mit einem nicht zu unterschätzendem Nachteil: Die “Datenkraken” Google und Facebook wissen darüber noch mehr über ihre Nutzer wenn diese sich außerhalb von Google und Facebook bewegen. Welches externe Softwaretool nutzt der Kunde, welches Browserspiel wird wie lange gespielt etc. Wertvolle Daten für die Algorithmen der Tech-Giganten um den Nutzer noch gläserner zu machen und noch gezielter Werbung ausspielen zu können.

Foto: Apple

Apple kommt aber nicht nur mit einem x-beliebigen me-too Produkt auf Basis der AppleIDs. Diese IDs sind die Grundlage für die Personalisierung der 1,4 Milliarden aktiven Applegeräte. Apple, die in den letzten Jahren den Datenschutz als Differenzierungsfaktor gegenüber Google und Facebook herausgestellt haben, adressiert den Schutz der Kundendaten brilliant über neuen Produktfeatures. Anders als andere Dienste ist der Datenschutz nicht das Zentrum oder gar eine sperrige gesetzliche Keule, sondern kommt bequem “nebenher” mit, weil das Produkt den Kunden ins Zentrum stellt und eben dessen eigene Kontrolle. Wie schon bei ApplePay, wo Apple durch die Tokenization nicht mehr die eigentliche Kreditkartennummer des Kunden verwendet, bietet Apple eine Tokenization der eMailadresse. Möchte ein Service die eMaildaten des Kunden, so wird nicht die eigentliche Adresse zur Verfügung gestellt, sondern ein Token, der bei Apple dann in die eigentliche eMail gewandelt wird: “Keep your eMail private”

SignIn with Apple

Dadurch kann der Nutzer herausfinden ob seine eMail vom eingeloggten Dienst später weiter gegeben wurde. Auch ist es möglich einfach die Kommunikation bei unerwünschten Newslettern und ähnlichen abzustellen, indem der eMail Token von der Liste einfach gestrichen wird. Der Kunde behält bequem und einfach die Hoheit und Kontrolle über seine Daten. Einmal mehr hat Apple vom Nutzer her gedacht und einen Dienst, der so schon lange existiert, einfach besser gemacht. MP3-Player gab es schon lange vor dem iPod, Smartphones gab es schon lange vor dem iPhone, Musikdownloads gab es lange vor iTunes und last but not least Mobile Payment gab es lange vor Apple Pay. Apple kam immer spät (manchmal auch sehr spät) hat aber meist das dann bessere, durchdachtere Produkt präsentiert, was dann in aber der Masse erfolgreicher war.

Welche Auswirkungen hat Apple auf die bestehenden BigTech Sign-In Dienste?

Apple muss seinen Dienst erst einmal ausrollen. Dieser kommt mit der nächsten Generation der jeweiligen Betriebssysteme, die aber, anders als bei Android, nach wenigen Tagen schon bei hunderten Millionen Geräten installieret sind. Die eMail Tokenization ist ein sehr gutes Feature als Differenzierung. Ich traue Apple zu, in wenigen Wochen und Monaten einen beachtenswerten Marktanteil vom Kuchen gewonnen zu haben. Dazu hat Apple zum einen eine sehr große und sehr loyale Kundengruppe, zum anderen hat Apple über ihre App-Entwickler auch eine sehr große Anzahl von Anlaufstellen (Apps und Services) über die man einfach Apple SignIn nutzen kann. Insbesondere im Kontext mobiler Apps wird der Vorteil signifikant sein. Vermutlich darf man auch davon ausgehen, daß Apple seine Entwickler freundlich auffordert Sign-In zu unterstützen, wie schon Google und Facebook das machten.

Wird Apple aber Google und Facebook mit ihrem Dienst verdrängen? Sicherlich nicht, denn dazu ist vor allem der Marktanteil im Vergleich zu Android zu klein. Google wird sich entspannt zurücklegen können. Facebook wird vermutlich mehr herausgefordert werden.

Auswirkungen auf Verimi, netID und Co.

Verimi, netID und die vielen vielen anderen ähnlichen regionalen Anbieter sind im hochfragmentieren europäischen Markt seit Jahren schon aktiv. Vor allem Verimi und netID haben eher über großspurige Ankündigungen und schnelle Managementwechsel von sich Reden gemacht, statt mit Produkt-Traktion. Eine alte Regel im Venture Capital besagt, daß ein Produkt 10mal besser sein muß um nicht als me-too unterzugehen. So gesehen sah die Ausgangssituation der fragmentierten regionalen Anbieter nie wirklich gut aus. Sowohl auf der Produktseite als auch auf der globalen Akzeptanz lagen diese eher 10fach hinter Google und Facebook. Mit dem Markteintritt von Apple wird sich dies nicht wirklich einfacher gestalten. Kurios ist in diesem Kontext, daß ausgerechnet netID mit dem Gesellschafter 1&1, zu dem die Massenemail-Anbieter web.de und gmx.de gehören, nicht selbst auf ein solches eMail-Tokenizing Feature gekommen sind.

Verimi versucht primär ins Geschäft von starken Identifikationen einzusteigen z.B. für eGovernment Anmeldungen, KYC etc. Aber wenn man ehrlich ist: Wie oft nutzt ein durchschnittlicher Kunde diese Use-Cases überhaupt? Bei uns im Podcast hat ein Verimi-Geschäftsführer ernsthaft die Steueranmeldung des Hundes oder der Kauf der Immobilie auf Mallorca als Use-Cases propagiert. Der Hunde-Use Case findet, gemessen an der Lebenserwartung des Tieres, vielleicht viermal im Leben des Halters statt. Über die Anzahl der Immobilienkäufe des gemeinen Deutschen auf der Baleareninsel mal ganz zu schweigen.

SignIn with Apple

Ergo: Das Geschäft der starken Identifikation kommt derart selten vor, daß der Anwender dann vermutlich schon längst vergessen hat, daß er sich einmal bei diesem Dienst angemeldet hat. Selbst wenn er das noch irgendwo im Hinterkopf hat, wird bis dahin die Nutzerkennung und das Passwort längst vergessen sein. Hier unterscheidet sich beispielsweise yes.com von Verimi und netID. yes.com umgeht dieses Problem indem sie in jenen Fällen auf das normale Onlinebanking zurückgreifen.
Im Massenmarkt wird es bei Händlern und Onlineplattformen nicht eine Startseite geben mit 25 verschiedenen SignIn-Diensten. Wie auch in anderen Bereichen werden sich drei, vielleicht vier (internationale) Player herauskristallisieren. Werden es fragmentierte lokale Initiativen schaffen sich hier durchzusetzen? Ich bin skeptisch und würde auf die BigTechs als Gewinner setzen.

Fazit

Kommt Apple wirklich zu spät mit ihrem Produkt? Vielleicht ist es gar nicht zu spät, sondern genau passendes Timing. Ihnen ist einmal mehr zuzutrauen, den Markt nochmals zu beeinflussen. Sicherlich werden Google und Facebook SignIn nicht verschwinden, aber die Lage für die Anbieter aus der zweiten Reihe, die bislang ausschließlich mit Datenschutz versuchen zu punkten ist meines Erachtens nun fast aussichtslos geworden. Datenschutz alleine bei einem me-too Produkt hatte in Deutschland noch nie zu Erfolg geführt, wie anhand von StudiVZ, DE-Mail, Paydirekt, und diversen Instant Messagern xmal beweisen wurde. Man stelle sich vor wenn Apple SignIn nach kurzer Zeit noch kombiniert wird mit Apple Pay. Dann hat dieses heute kleine Feature auch massive Auswirkungen auf die Paymentpage und Onlinezahlmethoden wie PayPal und Co.

SignIn with Apple

Die Anbieter von starken Identlösungen dürfen sich auch nicht zurücklegen. Längst unterstützt Apple die Strategie der Integration von offiziellen Ausweisdokumenten in die Endgeräte und wenn dies mit Apple SignIn verknüpft ist, ist auch dieser Markt bei Apple. Der Markt bleibt spannend und es zeigt sich noch einmal: Wer als regionaler Anbieter den Kampf gegen die BigTech Windmühlen aufnimmt, muss davon ausgehen mal schnell weggeweht zu werden, wenn man nicht viel schneller mit unternehmerischem Agieren und viel besseren Produkten sich Marktanteile schnappt.

3 Kommentare

[…] zwei sich streiten freut sich der Dritte. Nach den beiden Analysen der Kollegen Jochen Siegert und Rafael Otero, was ein Sign in with Apple für den Markt bedeutet – oder eben nicht, […]

2. Juli 2019

[…] SignIn with Apple […]

3. Juli 2019

[…] Fall ist. Zuletzt hatten wir unterschiedliche Ansichten beim Thema Apple Sign-In, als ich dessen Marktwirkung als sehr positiv einschätzte und Rafael laut “Veto” rief und die Situation ganz anders wahrnahm. Nun haben wir (warum […]

3. September 2019
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