5 Thesen, wie Worldline wieder auf die Beine kommen kann

Risikoreiche Zahlungen, eine veraltete Plattformstruktur, negative Cashflows: Die Liste der Probleme bei Worldline ist lang. Diese fünf Maßnahmen braucht es, um den angeschlagenen Payment-Riesen wieder nach vorne zu bringen. 

Mittlerweile kann man es nicht mehr als eine kurze Schwächephase bezeichnen: Nach den schweren Vorwürfen in der Presse zu ehemaligen Geschäftsbeziehungen aus risikoreichen Milieus beim Payment-Riesen Worldline im Juni sackte dessen Aktienkurs zeitweise um 50 Prozent ein. Nach dem #dirtypayments Crash konnte sich die Aktie nur ein wenig erholen.  

Doch mittlerweile notiert die Marktkapitalisierung wieder deutlich unter einer Milliarde und nahe des Crash-Tiefs vom Juni. Insbesondere wenn man die Aktienentwicklung und Marktkapitalisierung von Worldline mit Adyen vergleicht, dem niederländischen Erfolgs-Fintech, zeigt sich, dass die Herausforderungen bei Worldline wohl deutlich gravierender sind, als „nur“ die Probleme im High-Risk Payment Segment. Das sind die Probleme und meine Thesen, wie Worldline wieder selbständig auf die Füße kommen kann.

These 1: Neue Besen kehren gut:

Mit der massiven Vernichtung von Shareholder Value und Marktkapitalisierung sowie dem damit verbundenen Vertrauensverlust der Investoren ins Management war ein Wechsel dessen schon vor einiger Zeit überfällig. Unter anderem mit dem Rücktritt von CEO Gilles Grapinet und der Ernennung von Pierre-Antoine Vacheron als CEO, einem neuen CFO und CTO, sowie neuen Heads of Merchant Services und Personal wurde das bereits teilweise umgesetzt. Aber insbesondere im Payments-Bereich reicht es meines Erachtens nicht, einen Neustart nur beim C-Level zu machen. Gleiches müsste mindestens auch auf die operativen Payment-Heads der Landesgesellschaften und die Ebene darunter ausgeweitet werden. Denn sie sind besonders für die strukturellen Defizite des Unternehmens verantwortlich.

These 2: Cashflow stabilisieren:

Worldline ist – soweit keine Überraschung – ein harter Restrukturierungsfall. Worldline schreibt im Moment keine Gewinne und die stark negativen Cashflows müssen schnellstens gestoppt werden. Dafür bräuchte es radikale aber aus meiner Sicht notwendige Schritte: so müsste man nicht-kern-Aktivitäten abstoßen, unprofitable oder mäßig profitable „Hobby“-Aktivitäten, die nur vom Wesentlichen ablenken einstellen, sowie klare und harte KPI-Vorschriften an die Business-Heads stellen. Leider wird man auch um Entlassungen nicht herumkommen, um die Kostenbasis zu reduzieren.

These 3: Konsolidierung der Payment-Infrastruktur:

Worldline sollte auch die eigene Produktpalette vereinfachen: Hier verwaltet und betreibt man mittlerweile einen undurchsichtigen und kostenintensiven Dschungel unterschiedlichster (teilweise völlig veralteter) Payment-Plattformen, die in den letzten Jahren durch verschiedene Übernahmen im Konzern gelandet sind. Das verhindert, dass Worldline von der eigentlichen Stärke der Zahlungsbranche profitieren kann: Den Skalenerträgen. Denn die Anforderungen an eine Zahlung unterscheiden sich in den verschiedenen europäischen Ländern nur minimal. Warum hier nicht schon viel früher eine Konsolidierung auf eine einzige moderne technische Infrastruktur abgeschlossen wurde, erschließt sich nicht. Alternativ wäre der Bau einer komplett neuen State-of-the-Art Platform mit einem vorgeschalteten Payment-Orchestrator sinnvoll, damit die bestehenden Händlerintegration nicht angefasst werden müssen. Denn wenn der Händler ohnehin eine neue technische Integration machen muss, geht er meist zu einem Wettbewerber. Mit diesem Schritt wäre Worldline zwar reichlich spät dran, könnte mit einer schnellen strategischen Kursänderung aber trotzdem noch aufholen. 

These 4:  Modernize the Product

Wie sehr Worldline Marktanteile verloren hat, lässt sich nicht nur am Aktienkurs ablesen, sondern auch am verarbeiteten Payment-Volumen. Im Jahr 2022 habe ich bereits in einer Infografik verdeutlicht, dass die innovativen Fintech-Grownups (Adyen und Stripe) den etablierten Payment-Platzhirschen wie Worldline schon große Marktanteile abgenommen haben. Seitdem ist die Schere im verarbeiteten Zahlungsvolumen (TPV) noch deutlicher auseinander gegangen, auch zulasten von Worldline. Im Jahr 2020 waren Worldline, Adyen und Stripe mit abgewickelten Zahlungsvolumen zwischen jeweils 250 bis 300 Milliarden Euro noch auf Augenhöhe. Im Jahr 2024 haben Stripe und Adyen den ehemaligen europäischen Platzhirsch Worldline mit einem beinahe dreimal so hohen abgewickelten Zahlungsvolumen deutlich über der Billion-Marke vergleichsweise „verzwergt“. Der Grund: Die innovativeren Tech-Player Adyen und Stripe haben offensichtlich das deutlich bessere Produkt-Setup für die Payment-Abwicklung und damit signifikant Großkunden und Volumen gewonnen. Ein modernes, kompetitives Produktangebot ist bei Worldline überfällig. 

These 5: Außenauftritt: Eine Marke, ein Produkt, ein Vertrieb

Ähnlich wie bei den verschiedenen Tech-Plattformen tritt Worldline gegenüber dem Händlerkunden nicht als ein Unternehmen, eine Marke auf. In Deutschland kennen nur wenige den Namen des europäischen Payment-Riesen, weil Worldline noch immer als Joint Venture mit den Sparkassen unter dem Namen „Payone” unterwegs ist – ein Fehler. Auch hier müsste aus meiner Sicht eine weitere Konsolidierung in der Corporate Governance und Straffung von Parallelstrukturen stattfinden. Denn Worldline wird als Marke über Ländergrenzen mit verschiedenen Namen zu wenig sichtbar. Ayden und Stripe haben dagegen einen klaren Produkt-,Tech- und Markenkern, und das über Länder und Kontinente hinweg. Worldline als Unternehmen mit einer Marke und einem Vertrieb, der für alle Produkte des Unternehmens verantwortlich zeichnet, egal in welchem Land und Kanal, wäre ein wichtiger Schritt nach vorne. Alles andere ist anachronistisch und hilft nur den direkten Wettbewerbern.   

Das Fazit

Wird Worldline diese massiven Herausforderungen schultern können? Leider wurden in der Vergangenheit Probleme, als diese schon sehr offensichtlich waren, nicht rechtzeitig oder nur halbherzig angegangen. Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn jetzt schon ist Worldline bei dem Aktienkurs ein günstig bewertetes Asset für eine Übernahme etwa durch Private-Equity-Unternehmen. Worldline ist also spät dran, hat aber noch Chancen mit einem schnellen und umfassenden Kurswechsel aufzuschließen.

Autor

  • Jochen Siegert ist Co-Founder von Payment & Banking, Unternehmer, Investor und erfahrener Experte für digitale Transformation. Er schaut zurück auf knapp 25 Jahre Erfahrung in Einführung und Management von Innovationen / digitalen Finanzprodukten. Jochen begleitete senior Führungspositionen bei globalen Paymentanbietern, Fintechs und Banken.

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