5 Fehler, die es beim Eintritt in den Fintech-Markt in Deutschland zu vermeiden gilt

In unserer Reihe „Der Deutsche Fintech-Markt im Überblick“ beleuchten wir, welche Chancen das Fintech- und Digital-Finance-Ökosystem in Deutschland für ausländische Start-ups und Banken bietet.

Wer sich in den deutschen Markt wagt, fängt – unabhängig aller Erfahrungen und Erfolgsgeschichten aus dem Heimatmarkt – wieder von Neuem an. Wie alle Märkte hält auch die größte Volkswirtschaft der EU besondere Herausforderungen und Chancen bereit, die sorgfältig analysiert und in die Markteintrittsstrategie einfließen müssen. Leider schenken Unternehmen, die im deutschen Markt Fuß fassen möchten, gerade diesem Aspekt oft zu wenig Aufmerksamkeit und limitieren damit ihre Erfolgschancen.

Wie kann man das Scheitern des Markteintritts also vermeiden? Im Folgenden skizzieren wir die fünf am häufigsten von uns beobachteten Fehler:

1. Das Geschäftsmodell „einfach so“ nach Deutschland übertragen:

Jeder Markt hält seine ganz eigenen Besonderheiten parat, mit denen man sich im Vorfeld auseinandersetzen muss. Um erfolgreich zu sein, sollten diese im Vorfeld gründlich analysiert und die Ergebnisse innerhalb der strategischen Planung berücksichtigt werden. Stattdessen neigen viele Unternehmer allerdings dazu, diesem Schritt zu wenig Beachtung zu schenken und mit dem hiesigen Geschäftsmodell „einfach mal loszulegen“, sei es aufgrund von Budgetrestriktionen oder der trügerischen Sicherheit, die aus den bisherigen Erfolgen im Heimatmarkt resultiert. Gerade letzteres ist oft zu beobachten und sorgt insbesondere in der Finanzindustrie dafür, dass die Expansion nach Deutschland endet, bevor sie richtig begonnen hat.

Die Notwendigkeit gründlicher Vorbereitung beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Strategie. Selbst wenn die Analysen ein Marktpotenzial für das geplante Angebot nahelegen, stellt sich die Frage nach den operationellen Prozessen. Die Prozesse zur Leistungserbringung lassen sich möglicherweise aufgrund rechtlicher Einschränkungen im deutschen Markt nicht 1:1 abbilden und kulturelle Unterschiede erfordern Anpassungen der Organisationsform. Wer in einen neuen Markt eintritt, kann und muss an vielen Stellschrauben drehen. Der Realitätscheck hilft dabei, lokale Besonderheiten besser zu verstehen und teure Fehler zu vermeiden. Wie im echten gilt, es gibt nur eine Chance für den ersten Eindruck, primär wenn man seine noch neue und unbekannte Marke etablieren möchte. Unabhängig davon, welchen Ansatz für den Markteintritt man letztendlich wählt, er sollte nicht auf vagen Annahmen, Anekdoten oder schnell kopierten Geschäftsmodellen und -strategien basieren.

2. Auf ein lokales Management verzichten oder Entscheidungen aus der Ferne treffen:

Wenn Unternehmen wachsen, tun sie dies bevorzugt mit ihrem Kernteam, auch bei der Expansion in neue Märkte. Dies demonstriert Mitarbeiterloyalität. Außerdem genießen erfahrene Mitarbeiter das Vertrauen ihrer Manager, sind innerhalb des Unternehmens vernetzt und sind mit den bestehenden Geschäftsprozessen vertraut. Im Zuge einer Expansion ist dies allerdings von geringem Wert oder sogar ein Nachteil, denn die im ersten Abschnitt beschriebenen Besonderheiten neuer Märkte erfordern den richtigen Blickwinkel. Das gilt vor allem, wenn das für die Expansion verantwortliche Team den neuen Markt nicht oder nur vom Hörensagen kennt und die Versuchung groß ist, dem Unbekannten mit altbewährten Rezepten zu begegnen. Selbst wenn das Team in der Lage ist, schnell aus Fehlern zu lernen, vergeht wertvolle Zeit, bis es über ein adäquates Netzwerk und ausreichendes Know-How verfügt.

Stattdessen empfiehlt es sich, ein Team aus lokalen Mitarbeitern (Interimsmanager, Berater, Outsourcing-Agenturen) für die Expansion aufzubauen, das sich bestens mit den örtlichen Marktgegebenheiten auskennt und bedarfsweise von bestehenden Mitarbeitern unterstützt wird. Ähnliches gilt für das Treffen von Entscheidungen. Hier gilt es, dem Team vor Ort möglichst viel Freiraum einzuräumen und Vertrauen zu schenken, schließlich verfügen sie über die größte Expertise. Unter diesen Bedingungen sind lokale Teams ideale Treiber für Innovationen und die Erschließung von Marktpotenzialen. Leider scheitern hieran viel FinTechs und Banken. Sie setzen stattdessen auf Kontrolle und Top-Down-Entscheidungen aus der Ferne, so dass Potenziale ungenutzt bleiben und der Erfolg der Expansion gefährdet wird.

3. Bestehendes Marketingmaterial wird für den neuen Markt nur übersetzt:

Es kann vorkommen, dass man vor einer Werbeanzeige steht, die einen ratlos zurücklässt. Ein möglicher Grund: Die Webebotschaft ist eine direkte Übersetzung aus einer anderen Sprache. Auch wenn dieses Vorgehen aus Sicht des expandierenden Unternehmens verlockend ist, da es den Geldbeutel schont oder es möglicherweise emotional an einer bestimmten Botschaft hängt, begeht es damit aller Wahrscheinlichkeit nach einen großen Fehler. Gerade die deutsche Sprache ist vielfältig und erfordert Präzision, um eine klare Werbebotschaft zu senden, ohne dabei versehentlich ins Fettnäpfchen zu treten.

Daher sollten Unternehmen unbedingt auf lokale Muttersprachler zurückgreifen, die die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten des deutschen Marktes kennen und darauf aufbauend passende und individuelle Marketingmaterialien entwickeln können. Hinzu kommt, dass der Erhalt der deutschen Sprache innerhalb der Bevölkerung hohen Stellenwert genießt. Wer dies nicht beachtet, wirkt unprofessionell und riskiert das Ansehen seiner noch jungen Marke. Dies gilt es auch dann zu beachten, wenn man bereits in einem deutschsprachigen Markt aktiv ist (Österreich, Schweiz) und nach Deutschland expandiert (oder umgekehrt). Lokalen Dialekten und kulturellen Besonderheiten sollte unbedingt Rechnung getragen werden. Diese existieren ebenso innerhalb Deutschlands. Um Kunden möglichst erfolgreich anzusprechen, kann sich somit auch eine regional unterschiedliche Ansprache lohnen, insbesondere wenn sich die Geschäftstätigkeit zunächst schwerpunktmäßig auf bestimmte Regionen oder auch Zielgruppen beschränkt.

4. An der regulatorischen Analyse sparen:

Wie bereits im ersten Teil unserer Serie erwähnt, ist Compliance im deutschen FinTech-Markt essenziell. Auch wenn das europäische Passporting den Zugang zum deutschen Markt erleichtern kann, ist dies nicht in jedem Fall möglich und von einer einheitlichen, europäischen Regulierung auszugehen, kann sich als Traum erweisen. Nach dem bösen Erwachen steht möglicherweise die Erkenntnis, dass das Geschäftsmodell in der geplanten Form nicht umsetzbar ist. Gleichzeitig sollte man den Horizont nicht ausschließlich auf Finanzmarktregulierung begrenzen. Selbst wenn in dieser Hinsicht sämtliche Hindernisse bekannt und adressiert sind, stellen hauptsächlich Datenschutz und Verbraucherschutz hohe Anforderungen an Unternehmen. Dies kann wiederum zusätzlichen Prozessaufwand im Tagesgeschäft nach sich ziehen.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Interpretation von europäischen Regularien durch nationale Aufsichtsbehörden unterschiedlich ausfallen kann. Eine positive Entscheidung von einer europäischen Aufsichtsbehörde bedeutet nicht zwangsläufig, dass die deutschen KollegInnen dieser Beurteilung folgen. Dies gilt vor allem für neuartige Geschäftsmodelle. Daher ist es dringend empfohlen, die regulatorischen Feinheiten zu kennen sowie die Beantragung von Lizenzen oder Freigaben rechtzeitig in die Wege zu leiten.

5. Annehmen, BaaS-Anbieter würden auf einen warten:

Mit Blick auf regulatorische Anforderungen ist festzustellen, dass Banking-as-a-Service- und Embedded-Finance-Anbieter, eine große Erleichterung beim Testen und Einführen neuer Produkte sind. Der deutsche Markt ist hier keine Ausnahme. White-Label-Banking, Zahlungsverkehr, Kryptowährungen uvm., der deutsche Markt hält in dieser Hinsicht einiges bereit. Es handelt sich um einen großen Markt mit viel Potenzial. BaaS-Anbieter erzielen Umsätze, indem sie unter Nutzung ihrer BaFin-Lizenzen Finanzdienstleistungen im Auftrag ihrer Kunden erbringen. Da eben jene Lizenzen gleichzeitig ihr wertvollstes Gut sind, sollte man nicht davon ausgehen, dass BaaS-Provider nicht wählerisch wären. In erster Linie gilt es für sie, die eigenen Lizenzen nicht zu gefährden und folglich sollte man sich darauf einstellen, im Rahmen einer Kooperation mit BaaS-Providern strenge Auflagen erfüllen zu müssen. Deshalb gilt es, sich bei einer Kooperationsanbahnung gründlich vorzubereiten und die relevanten Facetten des Geschäftsmodells präsentieren zu können. Ansonsten kann es bereits daran scheitern, überhaupt in tiefergehende Gespräche einzusteigen. Zudem lohnt sich, rechtzeitig verfügbare BaaS-Anbebot und die zu erwartenden -konditionen zu studieren. Letzteres ist besonders relevant, um frühzeitig die Tragfähigkeit des Business Case sicherstellen zu können.

Einige dieser Punkte kommen Ihnen bekannt vor? Dann verpassen Sie nicht den nächsten Artikel unserer Serie. Im kommenden Monat beschäftigt er sich mit Tipps und Strategien für den erfolgreichen Markteintritt.

In der Reihe bereits erschienen:

Headerbild: Bildnachweis: fstop123

Autor

  • S. Elif Kocaoglu-Ulbrich ist Gründerin und Geschäftsführerin von Contextual Solutions, einer 360-Grad-Strategieberatung mit Sitz in Berlin, die sich hauptsächlich an Fintechs richtet. Als selbstständige Beraterin unterstützt sie internationaler Experten Start-ups und Banken bei der Evaluierung und Entwicklung von Ideen, Geschäftsmodellen sowie Monetarisierungsoptionen, der Erstellung von Strategien und Produkten sowie der Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder. Elif ist außerdem Autorin und Bloggerin.

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