20 Jahre Girl’s Day: Fintech ist keine reine Männerdomäne mehr – Teil 2

two women smiling in front of computer monitor

Pünktlich zum heutigen Girls Day haben wir uns in der Payment- und Banking-Branche umgehört und wollten wissen, wie sehr sich die Fintechs ihrer Verantwortung in Sachen Nachwuchsförderung, insbesondere für Mädchen und junge Frauen, stellen. Und welchen Beitrag sie dazu leisten, den Frauenanteil in ihren Unternehmen zu stärken. Bereits in Teil 1 unseres Interviews fühlten wir unseren Gesprächspartnern auf den Zahn. Unsere Interviewpartner:

Dr. Lea Schroeder, Vice President Talent & Culture bei Raisin
Chris Plantener, Gründer und Geschäftsführer von Kontist
Dr. Lea Maria Siering, Chief Risk Officer bei Finleap connect
Franziska Teubert, Geschäftsführerin Bundesverband Deutsche Startups
Nina Pütz, CEO von Ratepay
Susanne Leiding, Business Development Managerin Retail Banking der DKB

Lea Schroeder von Raisin beispielsweise hält berufliche Orientierung für unverzichtbar. Deshalb sollte entsprechend schon jungen Menschen Einblick in die spannende (Berufs-)Welt der Finanztechnologie gegeben werden. Und auch die übrigen BranchenvertreterInnen gaben Einblicke in ihre Initiativen und Bemühungen zur Förderung des (weiblichen) Nachwuchses: von den Initiativen „Diversity Community“ und „WomanX“ bei Finleap Connect bis hin zur Initiative #startupdiversity vom Bundesverband Deutsche Startups.

Und wir haben weiter gefragt. Lest hier Teil 2 unseres großen Interviews mit weiteren wichtigen, themenrelevanten Fragen und spannenden Antworten.

Setzt ihr auf weibliche Nachwuchsförderung?

Lea Schroeder: „Weibliche Nachwuchsförderung hat für Raisin einen hohen Stellenwert. Wir achten schon bei Stellenausschreibungen auf eine inklusive und für Frauen attraktive Formulierung. Unser Team fördern wir über unser Talent Programm, verschiedene Trainings speziell für Frauen bis hin zu unserem Female Empowerment Forum.“ 

Nina Pütz: „Wir engagieren uns in Initiativen wie der Hacker School. Es geht darum, jungen Menschen, besonders Mädchen zwischen 11 und 18 Jahren, das Thema Programmieren näherzubringen und sie dafür zu begeistern. Erst kürzlich haben wir wieder eine Hacker School Initiative gemeinsam mit der DKB und der Solarisbank gestartet. Das Interesse war riesig.“

Nina Pütz

Susanne Leiding: Klar! Die Begleitung und gezielte Förderung von Frauen in und für Führungspositionen ist uns sehr wichtig. Dafür gibt es verschiedenste Maßnahmen und Initiativen, wie z. B. ein Cross-Mentoring-Programm, das Frauennetzwerk TogetHER oder auch eine LGBTQ+-Community. Denn es ist das klare Ziel der DKB, Frauen zu  bestärken und zu inspirieren – auch und gerade weil der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht werden soll.

Susanne Leiding

Abgesehen von diesen spezifischen Förderinitiativen befähigen und ermutigen wir auch generell über unsere systematische Nachfolgeplanung Frauen in der DKB zur Übernahme von (Top-)Management-Positionen. Auch bei der Entwicklung von Potenzialträger*innen für die oberen Führungsebenen achten wir auf das Geschlechterverhältnis.

Aktuell sind es ehrlich gesagt immer noch überwiegend Männer, die sich eigeninitiativ als Kandidaten für eine Entwicklung auf die oberen Führungsebenen melden. Die Gründe hierfür wollen wir noch besser verstehen. Darum wird mit Frauen innerhalb der DKB in verstärkten Austausch dazu gegangen, was verbessert werden kann oder muss, damit der Schritt in die Führungsebene für unsere weiblichen Kolleginnen gleichermaßen attraktiv ist wie für die männlichen.

Brauchen wir mehr und sichtbarer Vorbilder, die ihnen Mut machen, und Eltern, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer, die den Jugendlichen helfen, einengende Klischees zu hinterfragen? Und einhergehend dessen, brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen?

Lea Schroeder: „Wir brauchen vor allem Vorbilder für Frauen, die zeigen, dass Beruf und Familie auch in Führungspositionen vereinbar sind. Führungskräfte bei Raisin gehen mit gutem Beispiel voran und unterstützen Menschen mit Familie aktiv, zum Beispiel durch Mentoring und hoher Flexibilität für eine bessere Vereinbarkeit.“ 

Nina Pütz: „Ich stimme allen Punkten zu. Vorbilder sind mit die beste Bildung, denn sie zeigen uns auf, was möglich ist, und das setzt eine unglaubliche Motivation frei. Wenn Mädchen sehen, dass starke Frauen in Führungspositionen existieren und sie mit diesen sympathisieren, schrecken sie auch weniger davor zurück, diese Laufbahn einzuschlagen.“

Lea Maria Siering: „Auf jeden Fall, das sollte überhaupt keine Frage sein, ob wir es brauchen. Die Frage sollte eher sein, wie man das erfolgreich in unserer Gesellschaft umsetzen kann. Wichtig sind sicherlich Vorbilder – Menschen, die in diese Bilder nicht passen: der männliche Sekretät und Putzmann, die weibliche CTO, der männliche Erzieher und die weibliche CEO. In Bezug auf Führungspositionen ist hier sicher eine gesetzliche Quote eine Art Hebel, mit dem man die Entwicklung beschleunigen kann. Ebenso Überlegungen, das 14-monatige Elterngeld nur dann zu zahlen, wenn auch der Mann 7 Monate Elternzeit nimmt. Nur so kann sich eine gleichberechtigte Gesellschaft bilden.“

20 Jahre Girl’s Day: Fintech ist keine reine Männerdomäne mehr - Teil 2
Franziska Teubert

Franziska Teubert: „Studien zeigen, dass diverse Teams langfristig erfolgreicher sind. Für uns ist es daher eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, Frauen zu fördern und diverse Teams auch in Führungspositionen zusammenzustellen.“

Warum sollte die Wirtschaft und die Gesellschaft viel mehr dazu beitragen auf wahre Potenziale und Talente zu setzen, und tradierte Rollenklischees aufzubrechen?

Lea Schroeder: „Im aktuellen ‚War for Talents‘ können es sich die Unternehmen nicht mehr leisten, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten. Politik und Unternehmen müssen es schaffen, attraktive Arbeitsbedingungen für Frauen und Mütter zu kreieren, um die tatsächliche Vereinbarkeit von ‚Kind und Karriere‘ sicherzustellen.“ 

Chris Plantener: „Die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft haben gar keine andere Wahl, ansonsten verlieren wir in den nächsten Jahren unseren Wohlstand. Unsere Welt wird immer vernetzter und digitaler bei gleichzeitigem Fachkräftemangel; in Deutschland müssen wir dringend darüber nachdenken, wie wir die Transformation von der Industrie- zur Wissensgesellschaft besser hinkriegen. Dazu gehört ganz klar, dass wir Talent und Potential den Vorrang geben vor formalen Abschlüssen, Hierarchiestufen und überholten Rollenbildern.“

Was brauchen junge Menschen eure Meinung nach für eine selbstbestimmte Berufs- und Studienwahl?

Chris Plantener: „Jungen Menschen sollte viel eindrücklicher aufgezeigt werden, wohin sich unsere Arbeitswelt in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt, und dass sie in einer digitalen, vernetzen Welt sowieso immer dazulernen müssen. Abschlüsse und Zertifikate werden immer unwichtiger, Expertenwissen immer wichtiger. Damit Berufsentscheidungen wirklich selbstbestimmt getroffen werden können, müssen für alle Arbeits- und Lebensformen ähnliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Gerade in Deutschland stehen da noch so einige bürokratische Hürden im Weg.“  

Lea Schroeder: „Für die berufliche Orientierung helfen erfolgreiche Vorbilder, Vertrauen in sich selbst, und praxisnahe Einblicke in weniger bekannte Berufsfelder, um zu entscheiden, was das Richtige für mich ist.“

Lea Schroeder

Lea Maria Siering: „Dies ist eine spannende Frage, die für uns nur schwer zu beantworten ist: wichtig ist eine gute, gerechte Bildung, mitunter Chancengleichheit. Hier beobachten wir in der Vergangenheit die Entwicklungen mit großer Sorge. Die Coronakrise – und das ist aktuell bereits aus Studien ersichtlich – verstärkt diese, indem Kinder aus Bildungshaushalten einen massiven Vorteil gegenüber Kindern haben, deren Eltern aktuell die Versäumnisse aufgrund Unterrichtsausfalls entweder nicht ausgleichen können oder wollen.  

Was auch wichtig ist, sind hilfreiche Informationen zu Berufs- und Studienmöglichkeiten. Diese sollten nicht erst kurz vor dem Ende der schulischen Laufbahn zu einem Thema werden, sondern eher. Schulpraktika sind sicherlich ein sehr guter Anfang, aber es muss tiefer gehen. So ist etwa denkbar, dass Universitäten und Hochschulen Informationstage bekannter und für ein breiteres Publikum zugänglich machen.  Und als Gesellschaft sollten wir die bestehende Erwartungen ablegen: heute ist alles möglich und wir sollten das Korsett einer klassischen Karriere ablegen.“

Susanne Leiding: Zum einen besseren Überblick über die Möglichkeiten und ein Verständnis über die Inhalte möglicher Studiengänge und Jobs.
Und zum anderen vor allem auch Role Models; sie können oft als Orientierung dienen und mittels Erfahrungen, Erzählungen und der Leidenschaft für ihr jeweiliges Berufsbild jungen Menschen unterstützend zur Seite stehen.

Last but not least: Selbst-Reflektion sollte zum Schulfach werden und einen größeren Stellenwert bekommen.

Wenn eine Palette an Möglichkeiten aufgezeigt wurde: was möchte man selbst erreichen, was ist einem wichtig, und womit identifiziert man sich selbst? Was ist der Impact den ich selbst haben möchte?

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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