Zu langsam und zu teuer: Das Prinzip der Hausbank gehört abgeschafft

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, warum das Prinzip der Hausbank abgeschafft werden muss. Und obwohl in dieser Zeit entlarvt wurde, wie träge und behäbig es geworden ist, befeuert die Bundesregierung diesen Zustand noch, da Corona-Fördergelder nur über die Hausbank ausgezahlt werden dürfen.

Ein Gastbeitrag von Constantin Fabricius

Konsumenten in Deutschland lieben eine gründliche Recherche. Vor Vertragsabschlüssen oder einer Kaufentscheidung werden Qualität und Preis unterschiedlicher Anbieter genauestens verglichen. Bei Reisen, bei Konsumgütern und selbst beim Strom. Privatleute kaufen Strom über Vergleichsportale und für Unternehmen gibt es mit der EEX-Börse einen eigenen Großmarkt für ihren Energiebedarf.

Es ist höchste Zeit, das Prinzip Hausbank abzuschaffen

Nur beim Finanzbedarf funktioniert alles wie vor 100 Jahren: Das Hausbankenprinzip dominiert noch immer. Und das, obwohl es zu langsam, zu teuer und oft auch zu einseitig ist. Besonders tragisch daran ist: Durch die Organisation der Corona-Fördergelder befeuert die Bundesregierung diesen Zustand, statt ihn endlich zu ändern.

Digitale Finanzdienstleister und –plattformen werden kategorisch außen vor gehalten. Stattdessen muss alles über die Hausbank abgewickelt werden. Wie zäh und zeitraubend das ist, und wie sehr damit die Existenzsorgen der Unternehmen und Selbstständigen noch verstärkt werden, ist täglich in den Medien zu beobachten.

Monatelang befand sich Deutschland im “Lockdown”. Geschäfte mussten geschlossen bleiben, ganze Branchen waren lahmgelegt und Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Die deutsche Wirtschaft bewältigt eine enorme Herausforderung. Besonders betroffen sind hierbei kleine und mittelständische Unternehmen. Manche von Ihnen stehen seit Monaten an der Existenzgrenze. Volkswirte und Ratingagenturen sprechen von einer bevorstehenden Insolvenzwelle.

Die KMU in Deutschland schnell und unbürokratisch stärken

Vor diesem Hintergrund hatten die Bundesregierung und die KfW verschiedene Hilfsmaßnahmen konzipiert und Töpfe für Förder- oder Überbrückungsgelder bereitgestellt. Zuletzt ist das KfW-Sonderprogramm bis zum 31. Dezember 2021 erneut verlängert worden, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern. In der Theorie ist das sicher eine guter Ansatz, doch an der Umsetzung hapert es. Viele kleine und mittlere Unternehmen schaffen es einfach nicht, schnell genug und unbürokratisch an dringend benötigte Gelder zu kommen.

Die Corona-Pandemie hat die Problematik nochmal verschärft: Leider werden alle Hilfen über den analogen Bankenweg geroutet. Ein Flaschenhals. Teils dauert der Prozess vom Antrag bis zur Auszahlung der Darlehen so lange, dass von Akuthilfe nicht die Rede sein kann. Das ist nicht mal böse Absicht. Doch bei einer hohen Anzahl der Anträge können diese von den Banken oft nur schwer kurzfristig bearbeitet werden. Und auch Unternehmen, die sich bislang weitgehend über Gesellschafterdarlehen, den Kapitalmarkt oder ausländische Fonds finanzieren, haben ein Problem. Wer keine verlässlichen Beziehungen zu einer Hausbank hat, bekommt auch keinen KfW-Hilfskredit.

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Fintechs sollten in den Prozess einbezogen werden

Angesichts solcher Schwierigkeiten ist es völlig unverständlich, warum die aktuelle Vergabe ausschließlich über die Hausbanken erfolgt und innovative bzw. alternative Möglichkeiten zur Kreditvergabe komplett außen vor gelassen werden. Die Kreditplattformen sind bereits auf das Geschäft mit B2B-Kunden wie Unternehmen und Selbstständige ausgerichtet. Die digitalen Prozesse der Plattformen sorgen zudem für papierlose und unkomplizierte Abwicklungen und ermöglichen dadurch schnelle Bearbeitung, Dokumentation und Auszahlung. Sie haben genügend Kapazitäten, um die Hilfsgelder breit an ihr Ziel zu bringen. Und das in einer Geschwindigkeit, bei der wahrscheinlich alle klassischen Banken die Segel streichen müssen.

Auch die digitalen Schnittstellen (APIs) sorgen für eine potenzielle Anbindung an bestehende Banksysteme. Die Forderung wird deutlich: Wenn auch Fintechs in den Prozess mit einbezogen werden, könnten KMU auf eine breitere Angebotsvielfalt zurückgreifen. Und das nutzt doch allen mit dem Ziel, die Insolvenzwelle möglichst klein zu halten und den mittelständischen Unternehmen eine Zukunft zu bieten.

Es gibt Vorbilder für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen staatlicher Förderung und Fintech

Obwohl Deutschland 2020 mit einem Bruttoinlandsprodukt von 3.332 Mrd. Euro die stärkste Volkswirtschaft in der EU war, stellte sich die Effizienz und Geschwindigkeit der Corona-Hilfsprogramme gegenüber den europäischen Nachbarn als eher ernüchternd heraus. Ein Blick über die deutschen Grenzen reicht aus, um zu wissen, wie innovative Lösungen konkret aussehen können. Wie gut sie arbeiten zeigt sich in Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Niederlande, USA und Italien. Hier wurden Fintechs bereits bei der Vergabe von staatlichen Förderkrediten beteiligt, das Hausbankprinzip ist damit de facto abgeschafft. Und es zeigt Wirkung: Ein Blick auf die Zahlen einer Studie von S&P Global Ratings, die die bewilligten Gelder in den Nachbarländern untersucht hat, macht klar, dass sich dort mehr bewegt.

Einigen Zahlen aus anderen Ländern

Während in Deutschland nur 132.000 Hilfskredite vergeben wurden, kommen unsere europäischen Nachbarn Frankreich auf  668.000 und Italien auf 1.870.000 – mehr als das zehnfache. Und nicht nur bei der Anzahl der vergebenen Hilfskredite sind enorme Unterschiede zu spüren, auch die Summen haben es in sich: Im Zeitraum von April bis August 2020 belief sich das gezogene Kreditvolumen in Frankreich auf rund 120 Mrd. Euro, in Spanien auf 100 Milliarden und in Italien auf knapp 55 Mrd. Euro, um Gegensatz dazu stehen in Deutschland als größter EU-Volkswirtschaft lediglich 45 Mrd. Euro.

Im Vereinigten Königreich wurden bis Dezember 2020 über Hilfskreditprogramme 68 Mrd. Pfund ausgereicht, umgerechnet knapp 80 Mrd. Euro. Die Kreditplattform Funding Circle etwa, eines der vier Gründungsmitglieder des Verbandes deutscher Kreditplattformen, war im Vereinigten Königreich am auf KMUs spezialisierten CBILS-Programm (Coronavirus Large Business Interruption Loan Scheme) beteiligt und vermittelte in 2020 alleine 2,6 Mrd. £ an KMUs. Damit waren sie der drittgrößte Vermittler für das Programm.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland damit in punkto Schadensbegrenzung in der Corona-Pandemie auf den hinteren Plätzen. Entweder warten viele Unternehmen mehrere Monate auf die Hilfskredite, oder sie fallen ganz durchs Raster, weil sie am bürokratischen Akt der Beantragung scheitern.

Langfristige Veränderungen bei staatlicher Förderung sind unabdinglich

Die staatliche Haftung für Förderkredite wurde schon zu Beginn der Pandemie auf 100 Prozent angehoben und ebnet damit den Weg, den dringend nötigen, schnellen Liquiditätsbedarf für den Mittelstand durch öffentliche Hilfen zu decken. Jetzt kommt es darauf an, diese Möglichkeiten auch schnell und gut umzusetzen. Und dafür muss das Prinzip der Hausbank in diesem Fall aufgebrochen werden. Gefragt sind mehr Tempo und weniger Bürokratie. Es ist höchste Zeit, die digitale Finanzwelt mit einzubeziehen und damit eine dringend notwendige Veränderung anzustoßen, damit Deutschland auch nach der Corona-Pandemie im europäischem Markt wettbewerbsfähig bleibt.

Über den Autor:

Constantin Fabricius ist Geschäftsführer des Verbandes deutscher Kreditplattformen, welcher im Juni 2019 durch den Zusammenschluss von auxmoney, creditshelf, Funding Circle und Kapilendo gegründet wurde.

Quelle Headerbild: iStock Bildnachweis: Alina555

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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