Wünsche an die neue Bundesregierung: „Wir brauchen eine Startup-Strategie“

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Die Bundestagswahl steht unmittelbar bevor, der Wahlkampf der Parteien befindet sich im Endspurt. Viele Wähler sind sich unsicher, wo sie am Sonntag ihr Kreuzchen setzen sollen. Wir haben unterdessen Akteure der Branche gefragt: „Was wünscht ihr euch in der kommenden Legislaturperiode von der neuen Bundesregierung?“ Die Antworten veröffentlichen wir täglich an dieser Stelle.

Gastbeitrag von Franziska Teubert, Geschäftsführerin beim Bundesverband Deutsche Startups

Die große Bedeutung von Startups für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft ist mittlerweile auch in der Politik angekommen. Wenn wir in Deutschland und Europa unseren Wohlstand halten wollen, brauchen wir beste Bedingungen für Startups. Denn aus kleinen Firmen werden große Steuerzahlende und Arbeitgeber.

Das Job-Potenzial bei Startups und Scaleups ist gewaltig. Schon jetzt beschäftigen sie 415.000 Menschen. Wenn es gelingt, in Deutschland den Anteil der Mitarbeitenden von Startups und Scaleups an der Gesamtbevölkerung auf das Niveau von Schweden zu bringen, würde sich die Zahl dieser Arbeitsplätze mehr als verdoppeln; wird das Niveau der USA erreicht, bedeutet das die Schaffung von mehr als 3 Millionen Arbeitsplätzen.

Es ist ganz klar: Startups müssen nach der Bundestagswahl ganz nach oben auf die politische Agenda der neuen Bundesregierung. In der neuen Legislaturperiode sollte diese Erkenntnis konsequent und entschlossen mit konkreten Maßnahmen weiter umgesetzt werden. Startups muss Chef:innensache werden! Wie das gehen kann, macht Präsident Macron in Frankreich vor. Wir brauchen in den ersten 100 Tagen eine „Startup-Strategie“, die auf den Säulen Talente, Kapital und fairer Wettbewerb aufbaut

Talente brauchen attraktive Angebote

Startups kämpfen um die besten Talente – in Deutschland, aber auch im internationalen Wettbewerb. Sie brauchen die richtigen Rahmenbedingung, um ihren Mitarbeitenden attraktive Angebote machen zu können. Dazu gehören attraktive Regelungen für Mitarbeiterbeteiligungen, ein Startup- bzw.Tech-Visum, das den Zuzug von internationalen Talenten erleichtert, und eine höhere Diversität im Startup-Ökosystem. Mitarbeiterbeteiligungen sind eine bewährte und international übliche Lösungen, um Mitarbeiterinnen zu gewinnen, sie zu binden und unmittelbar wirtschaftlich am Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen.

Die in der laufenden Legislaturperiode im Rahmen des sog. Fondsstandortgesetzes erfolgten gesetzlichen Anpassungen waren trotz begrüßenswerter Ansätze im Ergebnis unzureichend und haben in der Praxis keine spürbaren positiven Effekte für Startups gebracht. Das Thema muss daher auch in der 20. Legislaturperiode seitens der neuen Bundesregierung ganz oben auf der politischen Agenda stehen.

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Um das volle Potential unseres Startup-Ökosystems zu heben, müssen wir zudem die Diversität im Startup-Ökosystem erhöhen. Mit einem Gründerinnenanteil in Deutschland von gerade einmal 16 Prozent dürfen wir uns einfach nicht zufrieden geben. Denn mit mehr Gründerinnen werden Potenziale bei innovativen Gründungsideen gehoben, Produkte und Dienstleistungen verbessert. Mit mehr Investorinnen bringen wir zudem neue Blickwinkel der Bewertung ein. Ein wichtiger Hebel zur Verbesserung liegt in den Finanzierungsmöglichkeiten. Aber auch in der besseren Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie sowie der gezielten Förderung von Frauen im gesamten Startup-Ökosystem.

Der Finanzierungskreislauf muss befeuert werden

„Wir brauchen Lust auf Fortschritt und Innovation in der Verwaltung. Dafür sollten wir die Vernetzung zwischen Verwaltung und Startups vorantreiben, um das gegenseitige Verständnis zu fördern.“

Wir müssen mehr Kapital institutioneller Investoren:innen innen für die Startup-Finanzierung mobilisieren und die Rahmenbedingungen für Exits zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um eine Verbesserung der Wachstumsfinanzierung, sondern auch um die positiven Effekt auf die Frühphasen-Finanzierung. Exits beflügeln das gesamte Gründungsgeschehen. Hier sollte die Teilnahme neuer und bestehender Investor:innengruppen am Aktienmarkt erleichtert, der Zugang von Startups zum öffentlichen Kapitalmarkt vereinfacht und die bestehende steuerliche Diskriminierung bestimmter Exit-Kanäle abgeschafft werden.

Neben erforderlichen Verbesserungen ist es aber ebenso wichtig, drohende Verschlechterungen zu vermeiden. Das gilt insbesondere für die viel diskutierte Vermögenssteuer. Hier droht Gründerinnen eine Steuerlast auf eine Unternehmensbewertung, die sich in den meisten Fällen noch nicht für die Gründer:innen realisiert hat. Denn die Liquidität entsteht häufig erst durch den Verkaufserlös des Startups. Gründen in Deutschland würde so an Attraktivität verlieren.

Wir müssen im internationalen Wettbewerb Vorreiter werden

Deutschland und Europa müssen endlich zum digitalen Vorreiter werden – durch faire Wettbewerbsbedingungen. Das betrifft vor allem datengetriebene Geschäftsmodelle, denn Daten sind im digitalen Zeitalter wichtige Ressourcen und ihre Bedeutung für sämtliche Wirtschaftsbereiche wächst stetig. Gerade Deutschland als rohstoffarmes Land kann davon in besonderer Weise profitieren.

Der Bedarf ist offenkundig: Im Bereich der großen datengetriebenen Plattformen finden deutsche und europäische Unternehmen bisher faktisch nicht statt; hier dominieren amerikanische und asiatische Großkonzerne, die es vor wenigen Jahrzehnten noch gar nicht gab. Von den 100 wertvollsten Plattformen der Welt stammen 66 Prozent aus den Vereinigten Staaten und 29 Prozent aus Asien. Der Anteil der Unternehmen aus Europa beläuft sich auf gerade einmal 3 Prozent.

Deutschland und Europa müssen in diesem Bereich wettbewerbsfähig werden. Daher ist eine konsequente Ausgestaltung des Digital Service Act (DSA) und Digital Marketing Acts (DMA) unerlässlich. Hier sollten gerade auch die Belange von Startups gegenüber marktbeherrschenden Plattformen berücksichtigt werden.

Innovationspolitik zum „Nulltarif“

Ziel der “Startup-Strategie” der Bundesregierung der kommenden Legislaturperiode sollte auch sein, das Innovationspotential öffentlicher Ausschreibungen zu heben und Ausgründungen stärker zu fördern. Bisher ist der Staat oftmals direkter Förderer von Startups. Durch Vergabe geht das auch – es ist Innovationspolitik zum “Nulltarif”.

Die öffentliche Hand ist der größte IT-Einkäufer in Deutschland. Oftmals bleiben jedoch Startups ohne öffentlichen Auftrag, weil die Ausschreibungen startup-spezifische Besonderheiten außer Acht lassen. Durch eine Anpassung der Eignungsanforderungen und den verstärkten Einsatz von Innovationspartnerschaften kann hier kurzfristig und ohne rechtliche Anpassungen Abhilfe geschaffen werden. Das ist vor allem eine Frage der Mentalität: Wir brauchen Lust auf Fortschritt und Innovation in der Verwaltung. Dafür sollten wir die Vernetzung zwischen Verwaltung und Startups vorantreiben, um das gegenseitige Verständnis zu fördern.

Potenzial aus den Universitäten heben

Auch in Sachen Ausgründungen lassen wir viel Potential brach liegen. Deutschland verfügt über eine weltweit anerkannte Hochschul- und Forschungslandschaft. Allein für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mobilisiert die öffentliche Hand jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag. Dennoch lässt sich bei der Zahl an Ausgründungen von Startups aus außeruniversitären Forschungsinstituten ein klarer Negativtrend erkennen: Im Pandemie-Jahr 2020 ist die Zahl um 3,5 Prozent gesunken. In den vor-Corona-Jahren 2018 auf 2019 nahmen die Ausgründungen sogar um knapp 10 Prozent ab.

Die nächste Bundesregierung hat viel zu tun und sollte daher beherzt anpacken, damit
Deutschland zu einem führenden Startup-Standort wird.

Zur Autorin:
Franziska Teubert ist seit 2019 Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutsche Startups, der als Interessenverband die Belange von Startups gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Öffentlichkeit vertritt.

Morgen in dieser Reihe: Chris Bartz von Elinvar

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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