Mit der Entwicklung einer eigenen Zahlungsplattform hat die DZ Bank sich gegen den Trend gestellt. Inzwischen ist das Geldhaus fertig. Doch kann der Plan aufgehen?
Dass nur wenige wissen, welche Arbeit Matthias Ehringer und sein Team von Payments & Accounts in den vergangenen Jahren gemacht haben, ist für ihn ein großer Erfolg. Trotzdem brennt es ihm unter Nägeln, wenn er mit Stolz über den Aufbau und die Migration zur hauseigenen Zahlungsplattform spricht. „Je geräuschloser, desto besser”, sagt er. „Das ist das Schicksal von operativen Vorhaben.”
Ehringer ist bei der DZ Bank für Zahlungen und Konten zuständig. Mit dem Aufbau und der Übertragung der eigenen Zahlungsplattform ging ein echtes Mammutprojekt zu Ende. Insgesamt etwa 500 Mitarbeiter:innen, fünf Jahre und über 100.000 Arbeitstage brauchte es. Dabei bekamen nur die wenigsten etwas davon mit. Denn jede*r Kund*in gehe schließlich davon aus, dass der Zahlungsverkehr reibungslos funktioniert. Wäre etwas schief gelaufen, hätten das Millionen von Menschen in ihren alltäglichen Zahlungen gemerkt. So muss Ehringer zwar auf die Anerkennung der Allgemeinheit verzichten, ist aber froh, dass alles glatt lief.
Es war ein langer Weg, der mit der Fusion der WGZ Bank, der Zentralbank der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rheinland und in Westfalen, mit der DZ Bank 2016 begann. Während die DZ Bank mit einem externen Anbieter zusammenarbeitete, wickelte die kleinere WGZ Bank diesen intern mit dem zentrale IT-Dienstleister der Genossenschaftlichen Finanzgruppe, Atruvia, über eigene Systeme ab. Klar war dabei, dass die Fusionspartner zu einer einheitlichen Lösung kommen mussten. Denn zwei Zahlungssysteme parallel laufen zu lassen, wäre teuer und ineffizient gewesen.
Eine ungewöhnliche Entscheidung
Die Standardlösung in der Bankenwelt wäre gewesen, die Zahlungsprozesse ganz auszulagern. Der Trend geht seit vielen Jahren eigentlich zu externen Dienstleistern. Für Firmen wie Wordline und Nexi ist das auch nach wie vor ein gutes Geschäft. Natürlich: Aufbau und Betrieb einer eigenen Zahlungsinfrastruktur ist für Geldhäuser sehr teuer. Und je nach Bedarf können Banken durch externe Anbieter zusätzliche Zahlungsfunktionen nutzen, ohne ihre eigene Infrastruktur zu erweitern. Banken können sich so direkt an internationale Zahlungsnetzwerke anschließen, ohne eigene Schnittstellen zu entwickeln.
Doch die DZ Bank ist schließlich keine normale Bank. Unter ihrem Dach sind über 670 Primärbanken vereint. Auch eine externe Lösung hätte immense Investitionen gefordert. Der Entwicklungsaufwand sei zwar hoch, aber langfristig günstiger als die Transaktionskosten für einen externen Dienstleister für Clearing und Autorisierung, sagt Ehringer. 2018 entschied der Vorstand der DZ Bank also, die Zahlungsabwicklungen in die Bank zu verlagern und gab die Verantwortung an Ehringer und sein Team. Bloß, wo fängt man da an?
Die Antwort: Ganz am Ende. Die Produkt- und Systemspezialisten der DZ Bank und Atruvia entwickelten eine standardisierte Zielvorstellung von der Plattform. „Das Projekt war sehr, sehr komplex”, sagt Jan Stüve, IT-Stratege bei der Unternehmensberatung Capco, die die DZ Bank beim Aufbau der Zahlungsplattform begleitete. Dabei bezog das Team Vorstände bei der Entscheidung über Funktionen wie die Bereitstellung von Kursspannen ein. „Das waren Entscheidungen, die so speziell waren, dass man sie eigentlich nicht dem Vorstand vorlegen würde”, sagt Stüve. Doch sie waren mit geschäftspolitischen Folgen verbunden.
Das Team überlegte sich einen Plan, die bestehende Zahlungsplattform der WGZ Bank zu transformieren. Diese musste nun aufgebaut und für die Migration vorbereitet werden. Im nächsten Schritt sollten Funktionen wie Auslandszahlungsverkehr (SWIFT), SEPA-Geschäft oder Kartenzahlungen in zwölf Schritten in zwei Jahren nacheinander auf die Plattform gehoben werden.
Die Anforderungen verändern sich
Bei der Migration stand viel auf dem Spiel und Fehler konnte sich das Team um Ehringer und Stüve nicht erlauben: „Bei einem Problem im Rahmen der Migration des SEPA-ZV hätte der Zahlungsverkehr in ganz Europa zum Stillstand kommen können”, sagt Ehringer. Schließlich sollte am Ende bis zu einem Drittel des gesamten Zahlungsverkehrs in Deutschland über die Plattform laufen.
Doch auch in der Zeit änderte sich viel: „Bei Projekten mit einer mehrjährigen Laufzeit besteht die besondere Herausforderungen, dass sich der Markt und so die Kundenanforderungen verändern können”, sagt Ehringer. Die prognostizierte Zahl der SEPA-Transaktionen erhöhte sich von 2018 bis zum Start der Plattform von siebeneinhalb auf zehn Milliarden pro Jahr. Zudem könne es auch immer wieder zu neuen regulatorischen Anforderungen kommen. Regulatorische Neuerungen wie die Einführung der europäischen Zahlungssysteme T2/T2S, der einheitliche europäische Datenaustausch (ISO 20022) und Änderungen bei den SEPA-Standards mussten sie in das Projekt integrieren.
War der Erfolg des Projekts jetzt also bedroht?
Ein leiser Umzug
Zwar war die Migration auf die Zahlungsplattform bis 2023 vorgesehen, aber die DZ Bank entschied sich, ein Jahr später umzuziehen, um das System besser für die Zukunft zu wappnen. “Die Umstellungen haben zwar das Projekt verlängert”, sagt Stüve. “Aber ohne das wären wir später im Chaos gelandet.” Zudem musste man Banken und Kund*innen bereits ein Jahr vor dem Umzug vorbereiten. Andere Banken hätten auch ganz genau beobachtet, wie das Projekt der DZ Bank vorankam, sagt Ehringer.
In drei Schritten wurden sie schließlich auf die Plattform gezogen, ohne dass Endverbraucher*innen davon etwas mitbekamen. „Die Öffentlichkeit hat das nicht wahrgenommen”, sagt Stüve. „Das ist der eigentliche Erfolg des Projekts.” Ende 2024 war die Migration von 670 Banken samt ihrer eigenen Kund*innen ohne größere Störung abgeschlossen. Nun sei man strategisch gut aufgestellt: Das zeige etwa die fristgerechte Umsetzung der Instant-Payments-Verordnung, die drei Viertel der europäischen Banken bis zum 9. Januar nicht erfüllen konnten.
Ob sich der aufwändige Prozess gelohnt hat, werden die nächsten Jahre zeigen. Denn dem Entwicklungsdruck, der durch den Markt und die Regulierung entsteht, muss die Zahlungsplattform standhalten und dabei langfristig profitabel bleiben. Dafür möchte die DZ Bank ihre neue Plattform versilbern und auf dem Markt vermehrt als Zahlungsdienstleister wie für Clearings oder neue Funktionen wie Request-to-Pay auftreten.