Paymentanbieter wollen gern den “Milliardenmarkt” der In-Car-Payments erobern. Da haben sie offensichtlich nicht verstanden, wie dumm das für das eigene Geschäftsmodell ist.
Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.
Zu jedem vermeintlichen Trend, den sich eine findige Unternehmensberatung ausgedacht hat, gibt es eine Studie, die genau diesen bestätigt – und nebenbei noch einen Milliardenmarkt voraussagt. Jedes drittklassige Fintech gibt solche Studien gern an die Presse und Öffentlichkeit und will betonen, dass genau das eigene Geschäftsmodell etwa so vielversprechend ist wie die Entdeckung der Windkraft oder der Erfindung von Alpaca-Yoga (ja, das gibt es, fragt nicht).
Berechnungen sehen gigantischen Geldfluss, ich nicht
Kein Wunder ist es also, wenn für das In-Car-Payment mehr als nur eine Studie existiert, die den Milliardenmarkt vorhersagt und dabei von nicht weniger als einer Revolution spricht. Das Marktforschungsinstitut Gfk hat mal eben ein Volumen von 200 Milliarden Euro errechnet, das Beratungsunternehmen Ptolemus Group macht es nicht unter 530 Milliarden Euro und die Deutschen Bank schreibt in einem Bericht von November 2022 von einem jährlichen Volumenwachstum von 120 Prozent (Grüße an Kilian an dieser Stelle, der das Vorwort schrieb). Wer also könnte bei solch beeindruckenden Wachstumsprognosen nicht auf die Idee kommen, dass In-Car-Payment angesagter ist als schnelle Brillen? Und ja, wenn Sie “schnelle Brille” googlen müssen, sind Sie älter als 22 Jahre und sollten ab jetzt regelmäßig was für den Rücken machen.
Wer denkt sich so etwas bitte aus?
Aber zurück zur Antwort auf die Frage: Ich würde nicht auf diese Idee kommen. Denn für mich als Gelegenheitsfahrer hat In-Car-Payment zum einen kaum bis gar keinen Nutzen. Zum anderen sehe ich gerade für die Payment-Branche, die diesen Trend treibt, mehr als nur einen Grund, hier mal ordentlich auf die Bremse zu treten (pun intended).
Um aber über all die Nachteile zu sprechen, sollten wir im ersten Schritt eine kleine Unterscheidung der verschiedenen In-Car-Payments machen. Da gibt es zunächst die Kilometergenaue Abrechnung von Leistungen, die Autohersteller gern per Abo verkaufen möchten, um sich einen zusätzlichen Umsatz zu sichern. Und dann gibt es das Shopping über Alexa oder Siri, mit denen ich etwa neue Milch auf dem Weg nach Hause bestellen kann. Das ist aus den folgenden Gründen Quatsch: Monopolstellung der Stimmassistenten, verfälschte und begrenzte Auswahl, Benachteiligung kleinerer Firmen und fehlende Transparenz für Kunden.
Ich handle diesen beiden Punkten nur kurz ab, damit wir zum Kern kommen: der Bezahlung von Auto-nahen Dienstleistungen. Dazu gehören der Gfk-Studie zufolge das Tanken von Autos, das Laden von Elektrofahrzeugen, das Bestellen von Kaffee im Voraus oder auch das Bezahlen von allerlei Park- oder Mautgebühren. Und das, meine Damen und Herren, soll jetzt die große Revolution sein? Ach Gottchen, wo fangen wir denn da an?
In Deutschland sehe ich für diese Art des Bezahlens keinen Markt
Vielleicht erst einmal damit, dass es hierfür meiner Meinung nach kaum bis gar keinen Markt geben dürfte. Schauen wir uns einmal Deutschland an, dann gibt es hier kaum Drive-In-Schalter, bei denen ich morgens meinen Kaffee abholen könnte. Vielmehr muss ich nahezu immer aussteigen und ins Geschäft gehen, um ihn abzuholen. Warum also sollte ich da nicht auch bezahlen? Sich dafür einen Workaround für eine Bestellung während der Fahrt zu überlegen, ist einfach absurd.
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Auch wenn ich mir das Thema Tanken oder Parken anschaue, muss ich nach dem „Warum“ fragen. Ja, im kalten Winter kann es schön sein, wenn man einfach im Auto sitzen bleiben kann und sich das Auto alleine auftankt und bezahlt. Aber hello!, wir sind in Deutschland: Zum Tanken muss man unweigerlich aussteigen und dann sind die 2,5 Meter bis in die Aral auch nicht mehr weit. Noch dazu kommt, dass die meisten Menschen auf langen Fahrten sowieso gern in die Tankstelle gehen, um dort spontan eine Cola oder ein Wasser zu kaufen – und die müssen sie sicherlich nicht vorher über ein verbugtes Autodisplay bestellen.
Aus einem 500-Milliarden-Potenzial-Markt wird ein 500-Milliarden-Sorgen-Markt
Bleibt für mich noch das Bezahlen von Parkgebühren und ja, hier könnte es einen Markt geben. Weil, seien wir ehrlich, die allermeisten Parkautomaten schon ziemlich nervig sind. Aber, liebe Paymentanbieter, wollt ihr diesen Markt wirklich aufmachen? Denn bisher gab es bei dieser Art der Bezahlung nur wenige Player, die daran verdienten. Da war das Parkhaus, klar, dazu die Kreditkartenfirma und natürlich der Paymentdienstleister für den Automaten. Wenn nun aber das In-Car-Payment dazukommt, gibt es auf einmal viel mehr Menschen, die daran verdienen wollen.
Da ist unter anderem der Autohersteller, der sich den Service bezahlen lässt. Dann kommt da gegebenenfalls noch Apple oder Google dazu, die für ihre mobile Lösung einen Anteil haben wollen und naja, im schlimmsten Fall ein zweiter Payment-Dienstleister, der das In-Car-Payment abwickelt – und sie alle wollen an den 6,50 Euro verdienen, die ich zum Parken in der Innenstadt hinlege. Wer das einmal durchrechnet, der weiß, dass so aus einem 500-Milliarden-Potenzial-Markt ein 500-Milliarden-Sorgen-Markt werden dürfte.
Bleibt noch der Punkt Datensicherheit, über den wir hier sprechen müssen. Von Volkswagen bis Mercedes träumen sie vielleicht (oder vielleicht auch nicht) schon von der Datenflut, die über die In-Car-Payments reinkommen könnte – und die Werbung, die sich damit verknüpfen ließe. Ständig Tanken auf der Autobahn Richtung Süden? Dann einfach mal Urlaub in Italien ins Postfach ballern. Jemand fährt ständig Richtung Nürburgring? Dann sollten es die neuen Sportreifen sein. So etwas wäre denkbar, wird sich aber nicht machen lassen in Deutschland. Zum einen würde die Datensammelwut die Deutschen abschrecken, wie sie es auch in anderen Bereichen tut. Zum anderen legt kein Land die DSGVO strenger aus als Deutschland – und irgendwo dort wird sich sicherlich ein Paragraph gegen die Datensammlung im Auto auslegen lassen.
Liebe Anbieter, macht es bitte kompliziert – dann hat da eh keiner Bock drauf
Die wahrscheinlich beste Idee für die Payment-Anbieter wird es daher sein, uns das Ganze so kompliziert zu machen, dass es einfach keinen Spaß macht, über das Auto zu bezahlen. Ich denke da beispielsweise an ein Zwei-Faktor-Verfahren, bei dem ich über das Display kaufe, aber über mein Smartphone einen Link bekomme, der mich auf eine Webseite führt, die mich in eine App führt, in der ich die Authentifizierung nur per sechs-stelligem Passwort entriegeln kann. Als Kassenautomat-Betreiber könnte man zudem die Kompatibilität mit In-Car-Payments erschweren, indem man am Ende dann doch ein Ticket am Automat ziehen muss.
Beides würde so viele Menschen so schnell nerven, dass sie eben doch wieder in die Tankstelle oder zum Automat gehen, wo sie dann noch ein Snickers zur Beruhigung und eine Cola für die Fahrt kaufen – und damit die Umsätze nach oben treiben. Und, ist es nicht das, was ihr wollt, liebe Unternehmen von Visa bis Mastercard? Ihr erspart euch also ein nerviges Gehacke um Umsätze, die ihr nie haben wolltet – und ich muss nicht mit meinem Auto bezahlen. Bitte, danke, gern geschehen.
Lust auf noch mehr kontroverse Meinungen? Dann haben wir hier den Eventtipp:
Zu dem Thema ¿Revolución en la movilidad?- It’s all about Mobility Payments Solutions:Automotive, Mobility und InCar Commerce findet auf der Payment Exchange am 16./17. ein Panel u.a. mit den Speakern Tobias Hödke von Senacor und Sebastian Hager von DKV Mobility statt. Tickets gibt es hier.
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