We Need Banking Not Banks – Warum Banken den Kampf um den Zahlungsverkehr 2.0 nur schwer gewinnen können

Um so mehr ich über den Zahlungsverkehr der Zukunft nachdenke, um so weniger erscheinen mir die heutigen Player (Banken) und ihre oft propagierten Nachfolger (Telkos) die Gewinner sein zu können. Warum sehe ich das so? Unser Leben wird mehr und mehr von Unternehmen dominiert, die uns Dienste basierend auf Software zur Verfügung stellen. Und diese Softwarelösungen ersetzen mehr und mehr „alte“ Lösungen die auf einer anderen, zumeist älteren Infrastruktur beruhen (das disruptive Element). Ein paar Beispiele:
  • Skype vs. Telefon
  • myTaxi vs. Taxi-Callcenter
  • WhatsApp vs. SMS
  • Spotify vs. Musik CD
  • YouTube vs. MTV
  • Google Maps vs. Falk-Plan
  • Digitalkamera vs Kodak
  • etc.
Wo ist die Parallele zur Bank und zu Telkos?
Auch Banken und Telkos nutzen ihre bestehenden Infrastrukturen seit Jahren. Auch sie tun sich aus verschiedenen Gründen schwer, neuen Angeboten eine adäquate Antwort entgegen zu setzen bzw. neue entstehende Bedürfnisse aktiv mit eigenen Angeboten zu beantworten, bevor neue Player auf den Plan treten.
Der Grund sind zum einen die Angst vor der Eigenkanibalisierung von Bestandsgeschäft, „vorgeschobene“ Sicherheitsbedenken aber vor allem liegt es daran, dass Banken und Telkos nicht „Denken“ und „Handeln“ wie innovative Softwareanbieter.Ein Beispiel für dieses Denken und Handeln sieht man aktuell bei der Entwicklung der Bank-Karte:
Statt über die echte Migration der Karte ins Smartphone nachzudenken (Stichwort: „Payments in the cloud“ oder Wallet), versucht man aktuell auch bei neuen Lösungen die Karte/Chip weiter am Leben zu halten (girogo), bzw. überlegt wie man den Chip der Bankkarte mit dem Chip der Telkos (SIM) migrieren kann. Ob dieses Vorgehen die Kundenbedürfnisse trifft, scheint dabei nicht im Vordergrund zu stehen, sondern eher die Eigeninteressen von Banken und Telkos sowie deren langjährigen Dienstleistern.In der Vergangenheit konnten Banken und Telkos qua ihrer schieren Größe und Markt- wie Finanzmacht verschlafene Trends oft wieder ausgleichen und neue Anbieter am Ende überholen oder übernehmen. Dieser recht teure Weg wird aus meiner Sicht aber immer schwerer oder noch teurer, da die Geschwindigkeit in der sich erfolgreiche Dienste in den letzten Monaten am Markt durchsetzen rasant zugenommen hat:
  • AOL brauchte 9 Jahre für eine Million User – Facebook 9 Monate – Draw Something 9 Tage
  • Napster hatte 2000 4.9 Millionen Nutzer, Skype hatte 2005 nach nur 25 Monaten 54 Millionen Nutzer
  • Instagram hat 12 Millionen User im ersten Jahr erreicht – in den letzten 3 Monaten weitere 9 Millionen – in den ersten 10 Tagen nach der FB-Übernahme weitere 10 Mio – in den ersten 3 Wochen im Google Play Store weitere 10 Millionen
  • PayPal hat sieben Jahre nach dem Start in GER mehr deutsche Accounts als die Sparkassen Online-Banker Nutzer
  • Square brauchte rund 18 Monate um 15% aller KK-Terminals in den USA zu stellen und wird heute mit 4 Milliarden USD bewertet
An welchen Stelle droht den Banken weiterer „Ungemach“ (Fokus Deutschland):
  • Händlergeschäft
  • eCommerce
    • der eCommerce wird dominiert von PayPal, neuen Rechnungsanbietern und den Kreditkartengesellschaften; Banken findet hier maximal als Abwickler statt
  • Mobile Payments
    • ist eine Verlängerung des eCommerce und findet stand heute nahezu ohne aktive Beteiligung der Banken statt
    • peertopeer Zahlungen wie Barclays PingIt machen aber vor, wie auch Banken eine aktive Antwort auf das Kundenbedürfnis geben könnten
  • Partner werden zu Konkurrenten
    • Lösungen der Kreditkartengesellschaften wie Visa „V.me“ und Mastercards „PayPass Wallet“ werden die Banken  noch mehr in den Hintergrund drängen, da beide Player noch mehr als heute versuchen den Kunden direkt an den Karten-Brand zu binden und die Banken zu verdrängen
  • Banking und Personal Finance Management
    • Heute erledigen die meisten Kunden ihren Zahlungsverkehr noch siloartig in den Internet-Filialen der Banken. Die weitere Verbreitung der Smartphones, die Appmania sowie sich veränderte Kundenbedürfnisse, wird die Kunden aber mehr und mehr zu neuen bankenunabhängigen und auch plattformübergreifenden Diensten führen. Mint.com oder Bank Simple haben es in den USA vorgemacht und auch der Erfolg von Mobil-Apps wie iOutbank oder finanzblick zeigt, dass Kunden mit den reinen Angeboten ihrer Banken nicht immer zufrieden sind.
Was könnten Banken und auch Telkos tun?
  • mehr wie ein Softwareanbieter denken und eigene Lösungen anbieten
  • nicht Schwarz- oder Weiß denken, sondern neue Lösungen parallel zu Bestandslösungen anbieten
  • neue Kundenwünsche aktiv durch schnelle und innovative Dritte erfüllen lassen und externen Softwareanbietern gute APIs zur Verfügung stellen
Mir wird  jedenfalls mehr und mehr klar, was Bill Gates mit seinem „We Need Banking Not Banks“ meinte:  Nicht die Bank und ihre „Hardware“ (Filiale, Karte, GAA etc.) ist entscheidend, sondern der Service der mehr und mehr aus Software besteht.

2 Kommentare

Volker Koppe

Hallo Herr Bajorat,

ein guter Artikel, der die Hauptherausforderung für die Banken treffend beschreibt! Ich muss nur einen Fehler korrigieren: V.me von Visa geht genau NICHT den Weg, die Banken „an den Rand zu drängen“, sondern bietet dem Wallet-Anbieter die Chance (im Gegensatz zu anderen häufig genutzten Internet-Bezahlverfahren), während des Bezahlprozesses ständig mit seinem Branding präsent zu bleiben. Für den Kunden geht das Ganze gleichzeitig schnell und bequem. In meinen Augen eine Riesenchance für die Banken, den (gar nicht mehr ganz so) neuen Wettbewerbern Paroli zu bieten!

Viele Grüße
Volker Koppe

31. Mai 2012

    hallo herr koppe
    danke – wenn dem so ist haben die banken in der tat was davon. bisher erscheint es mir aber eher als „visa-nummer“. aber sie sind ja näher dran und ich lasse mich gern im sinne der banken überraschen.

    grüße

    31. Mai 2012
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