Als Team von Payment & Banking versuchen wir, einen kontinuierlichen Überblick über die Branche zu behalten und berichten über kleine wie große Fintechs und Insurtechs, über etablierten Banken ebenso wie über Neo-Banken, über digitale Strategien, über große Investitionen nationaler und internationaler Geldgeber, schreiben über Exits und liefern Analysen zu aktuellen Themen.
Manche Unternehmen erscheinen dabei häufiger in der Berichterstattung als andere. Das wollen wir ändern und starten mit „was macht eigentlich …“ eine neue Rubrik, in der wir den vielen tollen Unternehmen der Branche Aufmerksamkeit schenken werden, die einen hervorragenden Job machen, im täglichen Business aber manchmal ein wenig unter dem Radar bleiben. Wir wollen wissen, was die Gründer gerade umtreibt, was Stand der Stunde ist, welche Pläne aktuell verfolgt werden und womit uns das Unternehmen sogar bald überraschen wird.
In der aktuellen Ausgabe sprechen wir mit Christin Friedrich vom Berliner Fintech Innovestment. Die digitale Anlage- und Finanzierungsplattform versteht sich als „digitale Investment-Boutique mit eigenem Marktplatz“. KMUs können auf innovestment.eu Kapital einwerben, woraus Anlageprojekte mit festen Zinsen für private und institutionelle Anlegerinnen und Anleger entwickelt werden. Friedrich ist geschäftsführende Gesellschafterin des 2011 gegründeten Unternehmens.
Innovestment ist dieses Jahr seit zehn Jahren auf dem Crowdfunding-Markt – und hat in der Zeit eine ziemliche Wandlung durchgemacht. Statt Startups habt Ihr mittlerweile auch nachhaltige Projekte ins Portfolio aufgenommen. Wird das euer Schwerpunkt? Wie wichtig sind die SDGs?
Auf jeden Fall. Die Themen Technologie und Innovation begeistern uns unverändert, aber mittlerweile ist eine große Portion Nachhaltigkeit dazu gekommen. Kurz gesagt: Alles, was die Wirtschaft lebendig macht. Durch den Relaunch im letzten Jahr sind wir den nachhaltigen Geschäftsmodellen richtig nahe gekommen. Die Impact Investing Community, die tickt wie wir. Die wollen etwas bewegen. Das wird mit Sicherheit ein dauerhafter Schwerpunkt.
Die SDGs spielen dabei eine große Rolle, danach richten wir uns selber, und wir legen sie auch bei Projekten als Messlatte an. In unseren Profilen zeigen wir auch, auf welche SDGs die Projekte einzahlen, daran können sich Investorinnen und Investoren dann auch orientieren.
Wie ist deine Beobachtung: Werden immer mehr Crowdfundingplattformen „grün“?
Also, es gibt tatsächlich eine Reihe von grünen Plattformen, manche davon auch schon länger. Generell gibt es innerhalb der Branche eine große Bandbreite, was Schwerpunkte und Finanzierungsformen anbetrifft. Wir sehen die Crowdfunding-Branche dabei als große Familie, die unterschiedliche Ausrichtungen und Modelle hat, die für verschiedene Unternehmensphasen geeignet sind. Dabei tauschen wir uns auch zwischen den Bereichen aus. Reward based oder donation based Crowdfunding sind genauso wichtig wie Crowdlending oder -investing. Der Trend zu mehr grün ist da übergreifend, denke ich. Der Gesellschaft wird nun einmal immer stärker bewusst, wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Darauf reagieren auch die Plattformen, ganz klar.
Apropos Startup: Vor Innovestment hast Du ja schon eines auf Island gegründet. Was genau hat das mit Crowdfunding zu tun?
Das stimmt, das war 2010/2011, quasi eine Mischung aus GetYourGuide und TripAdvisor. In Island ist nämlich alles total überteuert, bis man die richtigen Leute kennt, die wissen, wohin man gehen muss.
Meine Begeisterung für das Thema Crowdfunding ist zu der Zeit entstanden. Wir hatten uns damals mit Kickstarter als Finanzierungsmöglichkeit befasst. Die Idee der Crowd fand ich auf Anhieb sehr faszinierend und sehe es nach wie vor als eine wunderbare Möglichkeit, Menschen zu finden, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren und es unterstützen. Was mein Island-Abenteuer außerdem bewirkt hat: Ich habe dadurch das Unternehmertum für mich entdeckt. Der Weg zu Innovestment fand sich dann wie von selbst.
Du bist dann bei Innovestment ins Gründerteam eingestiegen, das waren bewegte Zeiten, oder?
Auf jeden Fall. Wir hatten immer den Anspruch, Vorreiter zu sein, neue Modelle zu finden. Zum Beispiel in Form von Auktionen, bei denen Investorinnen und Investoren Unternehmensbeteiligungen ersteigern konnten.
Oder unser SPV-Modell, das steht für Special Purpose Vehicle, also die Lösung, dass die Crowd über eine Zweckgesellschaft gepoolt und über die SPV direkt am Unternehmen beteiligt und damit in der Gesellschafterversammlung vertreten ist. Hinzu kamen regulatorische Änderungen wie die Einführung des Kleinanlegerschutzgesetzes 2015 zum Beispiel. Die Produktentwicklung hat am Ende viele Ressourcen verschlungen, die wir rückblickend vermutlich besser ins Marketing statt in Rechtsanwälte investiert hätten.
2017 hast Du dann mit der Einleitung eines Insolvenzplanverfahrens auch die Notbremse gezogen.
Das war die beste Möglichkeit, um Innovestment zu restrukturieren. Unsere damaligen Gesellschafter hatten andere Vorstellungen von der Geschäftsausrichtung als Management und Team und stellten die langfristig zugesicherte Finanzierung über Nacht ein. Unsere Projekte und InvestorInnen waren davon nicht betroffen, da die Verträge zwischen beiden Parteien direkt geschlossen werden, wir fungieren ja nur als Intermediär.
Das war keine einfache Zeit, aber sehr lehrreich. Im Grunde kenne ich jetzt jeden Bereich im Detail und alle Höhen und Tiefen. Darüber könnte ich ganze Bücher schreiben… Mein Verständnis für die vielen Facetten des Unternehmertums hat es auf jeden Fall gestärkt.
Dann schauen wir jetzt nach vorne. Neustart 2020 – erzähl mal, was hat Dich daran gereizt?
Bis heute glaube ich an das Prinzip der Crowd und an unseren Platz in der Finanzwelt. Die Herausforderung für Unternehmen, an Finanzierungen zu kommen, ist ja keineswegs gelöst, ganz im Gegenteil. Und gute Investments werden während der andauernden Niedrigzinsphase besonders gebraucht. Es gilt, mehr Privatkapital für innovative und nachhaltige Unternehmen zu aktivieren. Zudem können Finanzdienstleistungen mehr Leichtigkeit und Einfachheit vertragen. Meine neuen Mitgesellschafter, darunter Hans-Helmuth Föh, sehen das zum Glück auch so.
In Unternehmen spielt die Philosophie eine große Rolle, wie lautet eure?
Wir stehen für Einfachheit auf allen Ebenen. Die Finanzierung soll ebenso einfach funktionieren wie das Investieren. Für beides haben wir alle Prozesse maximal verschlankt, wir sprechen eine verständliche Sprache, sind nahbar und menschlich und gehen auch mit unseren Anlegerinnen und Anlegern in den Austausch. “No bullshit”, so lautet die Devise, auch bei uns im Team. Verantwortungsbewusstsein, Augenhöhe, eine gute Feedback- und Lernkultur, so was spielt bei uns eine große Rolle.
„Unsere Devise, auch bei uns im Team, lautet: ‚No bullshit‘.“
Wie viele Mitarbeiter hat Innovestment aktuell?
Damals wie heute sind wir ein kleines Team. Im Moment sind wir zu zehnt, wobei ich da zwischen Festangestellten und Freien nicht unterscheide. Einige sind schon seit den Anfangsjahren bei Innovestment an Bord. Wir möchten unser Team gern weiter ausbauen, dazu raisen wir auch gerade Kapital.
Wen adressiert ihr konkret und wohin geht eure Reise in den nächsten Jahren?
Unsere Zielgruppe ist ziemlich heterogen. Auf Unternehmensseite sind Innovation, Nachhaltigkeit wichtig. Allerdings finanzieren wir keine Frühphasen-Startups mehr, das passt nicht mehr in unser Risikoprofil. Unsere InvestorInnen hingegen sind im Alter zwischen 18 bis 88. Wir fokussieren alle, die mit ihrem Geld etwas bewegen wollen – also investieren statt sparen und einen nachhaltigen Beitrag für die Wirtschaft leisten.
Insgeheim haben wir das Ziel, auch mehr Frauen anzusprechen und für Unternehmensinvestitionen zu begeistern, z. B. indem wir genderneutral kommunizieren und auf Fachchinesisch verzichten. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmensinvestitionen in jedes Portfolio gehören. Und: Unsere Reise wird auf jeden Fall in Richtung Europa gehen.
Was sind für euch die größten Herausforderungen?
In vielen Köpfen halten sich über die Jahre alte Mythen über Crowdinvesting, obwohl sich der Markt enorm weiterentwickelt und ausdifferenziert hat. Unsere Branche hat noch ordentlich Erklärungsbedarf, um den Menschen, selbst in der FinTech-Szene, die Kraft der Crowd zu vermitteln. Hier liegt so viel Privatkapital, das – in innovative und nachhaltige Unternehmen investiert – einen entscheidenden Beitrag für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft leisten kann.