Bei Blockchain und Decentralized Finance sind die Schweizer Banken sehr aktiv, arbeiten an Stablecoin-Alternativen und Erweiterungen zum Swift-System. Was können wir von unseren Nachbarn lernen?
Der Schweizer Finanzplatz gilt allgemein als gemütlich. Die großen Bankhäuser sind in Zürich nicht weit voneinander entfernt, altehrwürdige Namen wie UBS und Julius Bär prägen die Branche. Doch die Klischees trügen, wenn nötig, erwiesen sich die SchweizerInnen immer als reformbereit und offen für Innovationen. Anders könnte ein so bedeutender Finanzplatz in einem vergleichsweise kleinen Land auch kaum bestehen. Und so experimentiert die Schweiz gerade fleißig mit Konzepten der Blockchain-Technologie und Decentralized Finance (DeFi) und zeigt dabei auf, wie auch das etablierte Finanzwesen potenziell an dieser Revolution teilhaben kann – und dass man das Feld keinesfalls den Krypto-Bros in den Vereinigten Staaten überlassen muss.
Es sind vor allem zwei Projekte, die aktuell erprobt werden und die einen genaueren Blick verdienen: Der Giralgeld-Token der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und das UBS Digital Cash der größten Schweizer Bank.
Giralgeld-Token: Stablecoin-Alternative vom Zürichsee
Mit dem Giralgeld-Token greift die SBVg die Vorherrschaft der großen Stablecoins wie Tether, USD Coin und DAI an. Diese nehmen im DeFi-System eine wichtige Brückenfunktion ein, über sie können NutzerInnen Werte in die Kryptowelt transferieren. Klingt nischig, ist aber mittlerweile ein gigantischer Markt: Das Stablecoin-Transfervolumen betrug laut Kryptobörse CEX.io im vergangenen Jahr 27,6 Billionen US-Dollar – mehr, als Mastercard und Visa zusammen abwickeln.
Allerdings gibt es immer wieder Fragen zur Stabilität der Stablecoins. So stellen viele Stablecoins – etwa Tether und USD Coin – ihre Stabilität dadurch sicher, dass sie 1:1 mit US-Dollar absichern. So zumindest lautet die Behauptung; ob die Deckungen bei einzelnen Stablecoins ausreichend sind, ist nicht immer nachvollziehbar.
Mangelnde Transparenz und gleichzeitig eine hochsensible Rolle im DeFi-System: Das ist fraglos ein Problem, die SBVg scheint hier aber auch eine Chance erkannt zu haben. Ein transparenter Buchgeld-Token, wie ihn PostFinance, Sygnum und UBS nun für den Verband erproben, hätte das Potenzial, die DeFi-Reservewährung zu werden. Dafür müsste er aber gewisse Voraussetzungen erfüllen, etwa auf einer öffentlichen Blockchain laufen und kompatibel mit Smart Contracts sein – also Aktionen, die automatisch ausgelöst werden, wenn vorher festgelegte Bedingungen erfüllt sind, kodifiziert auf der Blockchain. Und ob am Ende der Buchgeld-Franken tatsächlich die Macht entfaltet, um in der Dollar-dominierten Kryptowelt eine entscheidende Rolle einzunehmen, bleibt ebenfalls fraglich. Viel wird von der tatsächlichen Umsetzung abhängen, die noch einige Jahre auf sich warten lassen dürfte, wie die SBVg selbst sagt.
UBS Digital Cash: Wenn Swift alt aussieht
Unterdessen arbeitet die UBS an einer weiteren potenziellen Revolution: Einer Alternative zum Swift-System. Mit dem hauseigenen Digital Cash will die Bank grenzüberschreitende Transaktionen auf eine private Blockchain übertragen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Transaktionen werden über Smart Contracts abgewickelt – in Echtzeit und rund um die Uhr. Aktuell geht das in der Pilotphase in verschiedenen Währungen: US-Dollar, Franken, Euro und Yuan. Gerade für institutionelle KundInnen könnte das eine attraktive Lösung sein, da diese oft viel Geld hin- und herschieben müssen. Für diese GroßkundInnen ist Swift oft zu ineffizient.
Für die breite Masse dürfte das Modell allerdings nicht Swift ersetzen. Es wird eher eine Ergänzung sein – eine neue Hochgeschwindigkeits-Mautstraße neben der bestehenden, die vor allem jene nutzen werden, für die auch kleine Zeitersparnisse wertvoll genug sind, um gegebenenfalls einen Aufpreis zu bezahlen.
Mehr Experimentierfreude im DeFi-Sektor
Fraglos muss man aus deutscher und EU-Sicht nicht direkt Panik schieben, weil unsere südlichen NachbarInnen nun einige Pilotprojekte anschieben. Auch in Deutschland gibt es Projekte; die DZ Bank etwa experimentiert viel auf dem Feld. Allerdings scheint in der Schweiz gerade mehr Momentum hinter dem Thema zu stecken – gerade weil es nicht nur einzelne Institute sind, die sich damit befassen, sondern die SBVg sich als Schirmherrin des Themas annimmt. Die Übersichtlichkeit des Finanzplatzes dürfte sich auch als Vorteil erweisen: Der Markt ist deutlich beweglicher als das große, oft schwerfällige Finanzsystem der EU. Nichtsdestotrotz empfiehlt sich ein Blick über die Alpen – vielleicht können wir uns etwas abgucken.
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