Warum die nächste Generation von Neobanken Nischenbanken sein müssen

Warum die nächste Generation von Neobanken Nischenbanken sein müssen

Als die ersten Neobanken in den frühen 2010er Jahren auf den Markt kamen, war ihr zentrales Kundenversprechen eine radikal verbesserte User-Experience. Wo traditionelle Banken schwerfällig, unflexibel und frustrierend bürokratisch waren, kam mit Monzo, Revolut und N26 ein frischer Wind auf: schneller, bequemer und digitaler. Zudem waren die Anbieter günstiger und transparenter in puncto Gebühren.

Zehn Jahre später hat sich die Lücke jedoch deutlich verkleinert. Die Apps der etablierten Banken haben aufgeholt. Und einige Banken, wie Goldman Sachs, haben ihre eigenen, sehr erfolgreichen digitalen Ableger gestartet.

Die Challenger sind zweifelsohne extrem erfolgreich. Ihre traditionellen Vettern haben sie allerdings noch nicht verdrängen können.  Während ihre eigenen Wachstumsraten in jeder Hinsicht weiter steigen – ein Bericht aus dem Jahr 2019 geht davon aus, dass die Neobanken bis 2023 85 Millionen Kunden haben werden – ist die Gewinnzone für die meisten noch nicht in Reichweite. Nur wenige arbeiten bereits heute profitabel.

Was bedeutet das für die Neobanken? Ist es für sie an der Zeit, umzudenken?

Ist die Entwicklung von Apps für den Massenmarkt und das Streben nach Wachstum um jeden Preis immer noch der Schlüssel zum Erfolg? Oder gehört die Zukunft dem „Vertical Banking“ – dem Angebot eines qualitativ hochwertigen, aber eng zugeschnittenen Produkts?

Warum die nächste Generation von Neobanken Nischenbanken sein müssen

Was ist Vertical Banking?

Vertical Banking bedeutet, einem bestimmten Kundensegment ein hochgradig personalisiertes Banking-Erlebnis zu bieten. Während der bisherige Ansatz der Neobanken darin bestand, ein bestehendes Bankprodukt mit neuer Technologie aufzuwerten, wird es beim Vertical Banking umgekehrt gemacht. Das Ziel dabei ist es, ein Produktangebot zu schaffen, das die besonderen Bedürfnisse einer eng definierten Zielgruppe erfüllt.

Ein Beispiel: Tomorrow spricht mit seinem Angebot umweltbewusste Nutzer an, indem es beispielsweise Kundeneinlagen in erneuerbare Energien und soziale Initiativen investiert oder auch den Nutzern mithilfe von integrierten Features ermöglicht, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Es geht aber noch nischiger: Squire bündelt beispielsweise in einer App eine Zahlungslösung mit einem virtuellen Point-of-Sale, einem Terminplaner und einem Finanzierungsprodukt speziell für Friseure.

Diese Art der Spezialisierung ist tatsächlich nicht so neu.

Als Amadeo Giannini 1904 die Bank of America gründete, war sein Ziel, italienische Einwanderer zu bedienen, da die existierenden Banken zu dieser Zeit einzig an großen Unternehmen und vermögenden Privatpersonen interessiert waren. Ähnlich haben die Genossenschaftsbanken bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts lokale Gemeinden und Menschen mit gemeinsamen Interessen bedient.

Vertical Banking greift jedoch noch viel tiefer. Neben groben demografischen und geografischen Kriterien zielt Vertical Banking auch auf psychografische Merkmale ab – etwa einen bestimmten Lifestyle, geteilte Einstellungen oder geteilte Überzeugungen. Da wäre zum Beispiel Bella. Diese Neobank bietet ein Wohlfühlerlebnis für sozial orientierte Kunden. So können Nutzer beispielsweise „Karma-Punkte“ sammeln, indem sie die Rechnung für einen anderen Nutzer bezahlen oder Cashback-Einnahmen für wohltätige Zwecke spenden.

Technische Überlegenheit alleine reicht nicht

Der triftigste Grund für Neobanken, in die Nische zu gehen, ist die Tatsache, dass „digital-first“ nicht mehr das entscheidende Alleinstellungsmerkmal ist.

Die digitale Transformation steht bei den etablierten Banken schon seit Jahren ganz oben auf der Agenda. Und die Covid-19-Pandemie hat ihre Fortschritte zusätzlich angekurbelt. Experten gehen davon aus, dass die Branche in wenigen Monaten erreicht hat, wofür sie unter normalen Umständen ein Jahrzehnt gebraucht hätte. Gleichzeitig haben die Banking-as-a-Service-Anbieter den Weg für neue Marktteilnehmer geebnet.

„Die digitale Transformation steht bei den etablierten Banken seit Jahren ganz oben auf der Agenda. Die Pandemie hat ihre Fortschritte zusätzlich angekurbelt.“

Während die erste Generation der Challenger-Banken ihre Technologie noch von Grund auf selber bauen musste, können die Neobanken von heute die Banking-Infrastruktur von spezialisierten Banking-as-a-Service Anbietern nutzen und so schneller und zu viel geringeren Kosten an den Start gehen.

Die Eintrittsbarrieren sind somit so niedrig wie nie zuvor. Im Umkehrschluss waren aber die Kundenerwartungen auch noch nie so hoch. Mit derzeit über 250 Neobanken auf dem Markt – die alle ähnliche Dienstleistungen anbieten und eine vergleichbare Sicherheit, Geschwindigkeit und Benutzerfreundlichkeit aufweisen – werden die Kunden von Optionen regelrecht überschwemmt. 

Die eigentliche Frage ist also nicht mehr, ob eine bestimmte Neobank ein besseres Banking als ein etablierter Anbieter hat. Es geht darum, wie viel tatsächlichen Mehrwert sie für den Kunden schaffen kann.

Auf der Jagd nach Einhörnern

Abgesehen von den niedrigen Eintrittsbarrieren und den hohen Kundenerwartungen gibt es für Neobanken noch einen weiteren entscheidenden Grund, sich zu spezialisieren: Es kann ihnen helfen, schneller die ersehnte Gewinnzone zu erreichen.

Neobanken der ersten Generation haben Wachstum zu ihrer obersten Priorität gemacht. Aber da der Markt für reine Digitalbanken sich allmählich sättigt – und weil Kunden dazu neigen, Neobanken als Zweitkonten zu nutzen – hat das Wachstum nie ausgereicht, um die hohen Kosten für die Kundenakquise auszugleichen. An dieser Stelle muss man sagen, dass die durchschnittliche Challenger Bank sich durchaus der Tatsache, dass ihre Kunden ihre Konten für sekundäre Zwecke wie Reisen und Unterhaltung nutzen würden, stets bewusst war. Die Strategie war schon immer, erstmal einen Fuß in die Tür zu bekommen, um dann genügend Kunden zu überzeugen, langfristig zu wechseln. 

Das Problem bei diesem Modell ist, dass der Erfolg auf dem Erreichen einer kritischen Masse beruht. Das war 2011 eine realistische Annahme, als die digitale Unfähigkeit der etablierten Unternehmen den Challengern einen Vorteil verschaffte. Aber jetzt, wo „digital-first“ kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist, wird es immer schwieriger, sich zu behaupten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Menschen aufgrund der Covid-19-Einschränkungen viel weniger reisen und sich weniger treffen als sonst. Und das bedeutet weniger Einnahmen aus wichtigen Ertragsquellen wie Provisionen und Interchange-Fees von Kartenzahlungen.

Infolgedessen türmen sich die Verluste auf.

Mehr als nur Banking
Logo Kontist

Das Vertical Banking-Modell im Gegenzug ist nicht auf Wachstum um jeden Preis angewiesen, um profitabel zu sein. Der USP liegt nämlich nicht in der Kerndienstleistung – also dem digitalen Konto – sondern in der Palette von Dienstleistungen, die mit dem Konto gebündelt werden. Nehmen wir zum Beispiel Kontist, die ein Geschäftskonto anbieten, das speziell auf die Bedürfnisse von Freelancern zugeschnitten ist. 

Jedes Fintech kann theoretisch ein Geschäftskonto anbieten, mit dem man einfache Zahlungen tätigen und empfangen kann. Was Kontist hier von anderen abhebt, ist das äußerst nützliche Ökosystem, das es für vielbeschäftigte Freelancer schafft.

Zum Beispiel bietet Kontist einen automatisierten Buchhaltungsservice, der das Bankkonto des Nutzers in Echtzeit mit seinem Buchhaltungstool synchronisiert. Kontist berechnet dann automatisch das zu erwartende Einkommen und die Umsatzsteuer, und verschafft so Freelancern einen Überblick über ihre Finanzen. Zu den Features zählen außerdem die Funktion, Rechnungen direkt aus dem Konto heraus zu erstellen, sowie ein integrierter Steuerberatungsservice. Diese durchdachten Add-Ons lösen konkrete Pain-Points, sparen Zeit und potenziell auch Geld, da Kunden keine teure Standalone-Software mehr kaufen müssen.

Studien haben ergeben, dass Kunden bereit sind, bis zu 20 % mehr für ein stark personalisiertes Produkt zu bezahlen. Das Angebot von wertvollen Add-Ons, die auf einen ganz bestimmten Kundentyp zugeschnitten sind, ist also eine hervorragendes Mittel um die Umsatzquellen zu diversifizieren und Cross-Selling-Möglichkeiten auszuschöpfen.

Des Weiteren vereinfacht eine homogenere Nutzerbasis auch die Bewertung des Ausfallrisikos für Kreditprodukte. Dementsprechend können spezialisierte Neobanken ihren Kunden Kreditprodukte zu deutlich attraktiveren Konditionen anbieten, als es etwa gewöhnliche Neobanken oder gar etablierte Banken könnten. Und Kreditprodukte sind nicht nur eine lukrative Einnahmequelle. Sie binden die Kunden auch für einen längeren Zeitraum an die Bank. Entscheidend jedoch ist, dass desto genauer das Produkt zum Lebensstil des Kunden passt, desto mehr nimmt die Interaktionsrate mit der App zu. Und mit der Interaktionsrate des Kunden steigt auch die Loyalität zu der Marke.

Fea Money zum Beispiel wurde speziell für Frauen entwickelt – eine Kundengruppe, die bei traditionellen Finanzdienstleistungen oft außer Acht gelassen wird. Das Angebot von Fea Money umfasst ein Konto speziell für Mütter sowie Finanzcoaching und Zugang zu Fördermitteln für Unternehmerinnen. Und da gibt es noch die Neobank Daylight, die Angehörigen der LGBTQ+ Gruppe spezielles Finanz-Coaching und Features anbietet, einschließlich Karten auf ihren bevorzugten Namen. Die deutsche Neobanking App Insha wiederum ermöglicht Muslimen den Zugang zu Finanzprodukten, die mit ihren Werten und ihrem Glauben vereinbar sind.

Die Zukunft ist vertikal

Bis 2028 soll der Neobank-Markt auf 722,60 Milliarden Dollar (rund 593,62 Milliarden Euro) anwachsen. Aber, wie die CEO der Starling Bank, Ann Boden, in ihrem Brief an die Investoren im Jahr 2020 anmerkte: ‚Wachstum ist eine Sache. Aber nachhaltiges Wachstum ist eine andere.‘

Es gibt noch sehr viel Spielraum für Neobanken, Marktanteile zu erobern. Das wird aber nur gelingen, wenn sie aufhören zu versuchen, allem und jedem gerecht zu werden. Wenn sie ihre Kunden bei sich behalten wollen, müssen sie sich darauf konzentrieren, innovative Finanzprodukte zu entwickeln, die das Leben ihrer Kunden verbessern und die spezifischen Probleme lösen, die etablierte Banken nicht lösen können.

Warum die nächste Generation von Neobanken Nischenbanken sein müssen
Wie kommen wir dahin?

Eine Nische zu identifizieren, die einer maßgeschneiderten Banking-App bedarf, ist ein leichtes.  Diese Nische dann aber mit einem Service zu bedienen, der zuverlässig und rechtskonform ist, ist eine andere.

Banking-as-a-Service-Plattformen (BaaS) können eine wichtige Rolle bei der Beschleunigung der Vertical Banking Welle spielen. Anstatt eine komplette Bankinfrastruktur von Grund auf aufzubauen und ein lizenziertes Institut zu werden, können sich die Vertical Banking Player einfach an die BaaS-Plattformen anknüpfen, die bereits die modularen Bankdienstleistungen „out of the box“ anbieten.

Mit einem BaaS-Anbieter, der im Hintergrund die gesamte Banking-Infrastruktur bereitstellt, können vertikale Banken ihr Produkt in einem Bruchteil der Zeit auf den Markt bringen, ihre Overhead-Investitionen massiv reduzieren und, vor allem, sich auf die Entwicklung der Value-Added-Service konzentrieren, die ihr Produkt auf dem Markt differenzieren.

Die Möglichkeiten für Vertical Banking sind endlos. Jetzt liegt es an Banking-as-a-Service-Anbietern wie der Solarisbank, mit ihrer Technologie dieses neue Banking Zeitalter einzuleiten.

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